Corona-Impfung und Hörverlust: BGH deutet Neubewertung von Auskunftsansprüchen gegen AstraZeneca an
Der Bundesgerichtshof prüft die Klage einer Zahnärztin, die schwere Gesundheitsschäden auf den Corona-Impfstoff von AstraZeneca zurückführt. Sie verlangt mindestens 150.000 Euro Schmerzensgeld und Informationen zu Nebenwirkungen.

Vor einem Impfstoffwerk von AstraZeneca am 5. Februar 2025 in Liverpool, England.
Foto: Christopher Furlong/Getty Images
In Kürze:
- Bundesgerichtshof verhandelt Klage einer Zahnärztin wegen möglichen Impfschadens durch AstraZeneca
- Klägerin fordert mindestens 150.000 Euro Schmerzensgeld und umfassende Auskunft
- BGH äußert Zweifel an bisheriger Ablehnung des Auskunftsanspruchs
- Grundsatzfragen zur Herstellerhaftung könnten den EuGH beschäftigen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am Montag, 15. Dezember, in Karlsruhe über die Klage einer Zahnärztin bezüglich eines möglichen Impfschadens durch den Corona-Impfstoff Vaxzevria von AstraZeneca verhandelt. Die Klägerin fordert vom britisch-schwedischen Hersteller mindestens 150.000 Euro Schmerzensgeld. Im März 2021 erlitt sie einen vollständigen Hörverlust auf einem Ohr, den sie auf die ihr zuvor verabreichte Corona-Impfung zurückführt.
Außerdem fordert die Klägerin Auskunft zu bekannten Wirkungen und Nebenwirkungen des Impfstoffs. Sie erklärte, sie sei sich „einfach total sicher, dass die Impfung die Ursache“ für ihren Hörverlust gewesen sei. Die Berufsgenossenschaft habe einen Impfschaden bereits anerkannt.
BGH-Richter äußert Zweifel an Ablehnung des Auskunftsanspruchs
Wann eine Entscheidung fällt, ist ungewiss. Bei den Vorinstanzen hatte die Klägerin keinen Erfolg. So verweigerte das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz den Auskunftsanspruch auch unter Hinweis auf die Europäische Arzneimittelagentur. Diese hatte dem AstraZeneca-Impfstoff ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis zugebilligt.
Der Vorsitzende Richter am BGH, Stephan Seiters, deutete jedoch an, dass diese Einschätzung des OLG vorschnell gewesen sein könnte. Die Anforderungen an den Auskunftsanspruch dürfe man nicht zu hoch ansetzen, deutete er an. Es komme in der Sache auf die Plausibilität des Zusammenhangs zwischen Impfung und Schaden an.
Wenn aber der Auskunftsanspruch zu Unrecht abgelehnt worden sei, könne möglicherweise aber auch die Begründung für eine Ablehnung des Schadensersatzanspruches unzureichend sein.
Womöglich muss der Fall also neu aufgerollt werden. Ein Urteil war das aber noch nicht. Die Entscheidung in Karlsruhe soll am 9. März verkündet werden.
AstraZeneca: „Überragender Nutzen“ der Impfung
Der Anwalt von AstraZeneca argumentierte in Karlsruhe unter anderem mit dem „überragenden Nutzen“ der Impfung. Keine Information könne zu dem Schluss führen, dass im März 2021 nicht geimpft werden sollte. Zum Zeitpunkt der endgültigen Zulassung seien 2,3 Milliarden Impfdosen Vaxzevria verimpft worden, und es habe weniger als 2.000 Verdachtsfälle mit Hörproblemen gegeben, sagte er. „Die Empirie belegt glasklar: Das Risiko ist verschwindend gering.“
Die Klägerin zeigte sich nach der Verhandlung optimistisch. Diese habe ihr „ein bisschen Vertrauen in die Gerechtigkeit zurückgegeben“, sagte sie.
Es wäre möglich, dass der BGH den Fall zur neuen Verhandlung nach Koblenz zurückverweist oder er dem Europäischen Gerichtshof Fragen stellt. Es kann aber auch sein, dass er das Urteil des Oberlandesgerichts bestätigt.
Ärzte haften nicht für Impfschäden – andere Voraussetzungen bei AstraZeneca
Dass impfende Ärzte für nachgewiesene Impfschäden nicht persönlich haften, hatte der BGH im Oktober klargestellt. Aufgrund der Umstände der Corona-Pandemie und des engen Zusammenhangs der Verabreichung von COVID-19-Vakzinen zur Eingriffsverwaltung seien die vorgenommenen Impfungen dem Bereich hoheitlicher Betätigung zuzuordnen. Die Coronavirus-Impfverordnung habe den Spielraum der Ärzte so weit vorgezeichnet, dass diese faktisch als Verwaltungshelfer agiert hätten.
In Fällen, in denen sich tatsächlich ein hinreichender kausaler Zusammenhang zwischen Corona-Impfung und einem Gesundheitsschaden nachweisen lasse, seien Schadensersatzansprüche an den Staat zu richten, so das Urteil. Im aktuellen Verfahren geht es darum, inwieweit auch die Hersteller von Impfstoffen in solchen Fällen für Schäden haftbar werden können.
Ein möglicher Anspruch gegen den Hersteller selbst könnte sich auf das Arzneimittelgesetz stützen. Dessen Paragraf 84 sieht seinem Konzept nach eine Gefährdungshaftung vor. Absatz 2 stellt zudem eine Kausalitätsvermutung auf. Dort heißt es:
„Ist das angewendete Arzneimittel nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet, den Schaden zu verursachen, so wird vermutet, dass der Schaden durch dieses Arzneimittel verursacht ist.“
Größter Teil von Klagen wegen möglicher Impfschäden scheitert am Kausalitätsnachweis
Grundsätzlich obliegt es in einem solchen Fall dem Kläger, diese grundsätzliche Eignung glaubhaft zu machen. Der Hersteller kann diese Darstellung entkräften, indem er mögliche Alternativursachen für das Schadensereignis aufzeigt – etwa eine einschlägige Vorerkrankung. Um eine Haftung in Betracht ziehen zu können, muss der Kläger die Kausalität zwischen Impfung und Gesundheitsschaden nachweisen.
Gelingt dieser Nachweis nicht, erübrigen sich für das zuständige Gericht die weiteren Prüfungsschritte. Diese betreffen zum einen die Frage, ob das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch ein negatives Verhältnis zwischen Nutzen und Risiko aufweist. Zum anderen steht zu prüfen, ob eine fehlerhafte oder unzureichende Produktinformation vorliegt.
In den meisten Fällen scheiterten Schadensersatzansprüche bereits daran, dass ein Kausalitätsnachweis zwischen der Impfung und dem ins Treffen geführten Schaden nicht gelingt. Auch deswegen hatten auch die bisherigen Instanzen – das Landgericht Mainz und das OLG Koblenz – die gegenständliche Klage abgewiesen. Die nachgewiesene Kausalität ist in jedem Fall eine zwingende Voraussetzung für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches. Dies gilt auch dann, wenn der Staat der Adressat ist.
Was die Haftungsfreizeichnungen zu bedeuten haben
Bislang in der Rechtsprechung nicht relevant wurden die Bestimmungen der Medizinischer-Bedarf-Versorgungssicherstellungs-Verordnung (MedBVSV). Diese hatten vorwiegend in der Zeit der Markteinführung der Corona-Impfstoffe Bedeutung gehabt. Die Verordnung schuf für die Verhältnisse der Pandemie Ausnahmen und Sonderbestimmungen. Sie hatten zum Ziel, die Zulassung, Beschaffung und Verwendung von Arzneimitteln, insbesondere Impfstoffen, zu erleichtern.
In diesem Kontext hatte der Bund auch Bestimmungen geschaffen, gemäß denen er gegenüber Herstellern und Leistungserbringern bestimmte Haftungsrisiken übernimmt oder Freistellungen zusagt. Diese sollen gelten, wenn diese im Rahmen staatlicher Impfkampagnen tätig werden. Im Fall der impfenden Ärzte war dies ein wesentlicher Faktor dafür, dass eine private Haftung in ihrem Fall ausschied.
Im Verhältnis zwischen Herstellern und geschädigten Personen bleiben die gesetzlichen Bestimmungen zur Arzneimittelhaftung als solche jedoch durch die MedBVSV unberührt.
Haftungsfreistellung durch Impfverträge nicht für Ersatzansprüche Geschädigter relevant
Die Haftungsfreistellung wirkt vor allem im Innenverhältnis zwischen Hersteller oder Arzt und dem Bund. Dieser kann demnach die Haftung oder den Regress übernehmen. Für den Geschädigten selbst gelten unverändert die Gesetzesbestimmungen, auf die er seinen Anspruch stützt.
Im Laufe der Corona-Pandemie verabreichten die dazu berufenen Einrichtungen und Ärzte fast 200 Millionen Mal einen der zugelassenen Impfstoffe. Zwischen Ende 2020 und Ende 2024 erfolgten rund 350.000 Meldungen von Verdachtsfällen auf Impfnebenwirkungen an das Paul-Ehrlich-Institut. Das entspricht einem Aufkommen von 1,78 Meldungen pro 1.000 Impfdosen. Bei den schwerwiegenden Nebenwirkungen seien es 0,32 auf 1.000 Impfdosen gewesen.
Dabei handelt es sich um „unerwünschte Reaktionen, die in zeitlicher Nähe zu einer Impfung aufgetreten sind“. Inwieweit diese tatsächlich durch den Impfstoff ausgelöst wurden, ist damit noch nicht geklärt. Es handelt sich im Regelfall weder um bestätigte Nebenwirkungen noch um Impfschäden. Ein solcher setzt voraus, dass eine Gesundheitsschädigung vorliegt, die über übliche Impfreaktionen wie Schmerzen an der Einstichstelle, kurzfristiges Fieber oder Erkältungssymptome hinausgeht.
STIKO hatte 2021 Empfehlung modifiziert – AstraZeneca zog Zulassung zurück
Bei Versorgungsämtern wurden bis Mitte 2025 rund 14.200 Anträge bearbeitet, die auf eine Anerkennung von Impfschäden abzielten. Etwa 3.700 Fälle sind noch anhängig, etwa 800 endeten ohne Entscheidung. Bis zum genannten Zeitraum wurden bei 573 Personen dauerhafte Impfschäden anerkannt.
Im März 2021 hatte die Ständige Impfkommission aufgrund möglicher thromboembolischer Nebenwirkungen, also dem Auftreten von Blutgerinnseln (Thrombosen), beim AstraZeneca-Impfstoff vorsichtig Bedenken geäußert, empfahl aber weiterhin die Impfung.
Anfang April beschränkte sie diese Empfehlung auf Personen über 60 Jahre. Vaxzevria blieb zugelassen. Im Frühling 2024 nahm AstraZeneca den Impfstoff aber aus wirtschaftlichen Gründen vom Markt.
(Mit Material der Nachrichtenagenturen)
Reinhard Werner schreibt für Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.
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