
Wenn der Partner an Demenz leidet – bis das Gedächtnis uns scheidet
Im Schatten des Vergessens: Als die Erinnerungen seiner Frau verblassen, bleibt US-Entertainer Jay Leno – nicht auf der Bühne, sondern an ihrer Seite. Eine Geschichte über Treue, Menschlichkeit und die Kraft der Liebe.

Jay Leno und seine Frau Mavis Leno während einer Filmpremiere 2024 in Los Angeles.
Foto: Amy Sussman/Getty Images
Es gibt Geschichten, die erzählen von Ruhm, Glanz und Glamour – und es gibt Geschichten, die leiser sind, dafür umso mehr unter die Haut gehen. Die Geschichte von Jay Leno, dem legendären US-Entertainer und langjährigen Host der „Tonight Show“, gehört zu der zuletzt genannten Kategorie. Heute ist es für ihn nicht mehr der Applaus eines Millionenpublikums, der zählt. Es ist die Hand seiner Frau Mavis, die er hält, während die Krankheit ihr Gedächtnis langsam auslöscht.
„Als ich geheiratet habe, habe ich ein Gelübde abgelegt und halte daran fest“, sagt Jay Leno in einem Interview bei „In Depth with Graham Bensinger“ und „Ich bin lieber bei ihr, als etwas anderes zu tun“. Seine Stimme bleibt ruhig, beinahe sachlich, doch der Schmerz und die unerschütterliche Liebe klingen in jedem Wort mit. Leno berichtet, wie er Mavis pflegt, die an einer schweren Form von Demenz erkrankt ist, und spricht offen über die tägliche Herausforderung, die diese Krankheit für beide bedeutet: „Es ist nicht einfach, aber das ist es, was Liebe ist: Du bleibst.“
Es gibt Tage, an denen Mavis Leno ihren Mann Jay nicht wieder erkennt. Manchmal irrt ihr Blick über sein Gesicht, ohne ihn wirklich zu sehen, doch Jay bleibt.

„Tonight Show“-Moderator Jay Leno.
Foto: iStock DnHolm
Für US-Moderator Jay Leno, der 22 Jahre lang ein Millionenpublikum zum Lachen brachte, ist die Bühne heute eine andere: Es ist der Alltag an der Seite seiner Frau, mit der er über 40 Jahre verheiratet ist und die jeden Tag ein wenig mehr von sich selbst verliert – und die er doch nicht aufgibt.
Leno, der am 28. April 75 Jahre alt wurde, hat im April 2024 die Vormundschaft für seine Frau übernommen, nachdem bei ihr Demenz diagnostiziert worden war.
Aber die Geschichte des US-Starmoderators ist kein Einzelfall, es ist die Geschichte von Millionen: Allein in Deutschland sind über 1,8 Millionen Menschen an Demenz erkrankt. Mit Angehörigen und Freunden zusammengenommen betrifft die Krankheit viele Haushalte.
Demenz: Eine schleichende Katastrophe?
Demenz – der Begriff steht nicht für eine einzige Krankheit, sondern umfasst über 50 verschiedene Krankheitsbilder, die eines gemeinsam haben: Sie zerstören Gedächtnis, Denken, Sprache und schließlich die Persönlichkeit eines Menschen. Die häufigste Form ist die Alzheimer-Krankheit, gefolgt von vaskulärer Demenz, frontotemporaler Demenz und anderen seltenen Formen.
„Demenz ist die Folge komplexer neurodegenerativer Prozesse oder chronischer Durchblutungsstörungen des Gehirnes, welche zum irreversiblen Untergang von Nervenzellen im Gehirn führen“, erklärt Neurologe Dr. Frank Freitag vom Nervenzentrum Potsdam. Typische erste Symptome seien Gedächtnislücken, Orientierungsprobleme, Sprachstörungen und Veränderungen im Sozialverhalten.
Die Ursachen sind vielfältig. Alter gilt als der wichtigste Risikofaktor, aber auch genetische Veranlagung, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, chronische Entzündungen oder ein ungesunder Lebensstil können die Entstehung von Demenz begünstigen.
Mangel an körperlicher Betätigung, ungesunde Ernährung, Bluthochdruck, Rauchen oder Alkoholkonsum, Fettleibigkeit, Depressionen, erhöhter Blutzuckerspiegel, wenige Sozialkontakte oder Luftverschmutzung – dieses seien Risikofaktoren, die „für etwa 40 Prozent der weltweiten Demenzerkrankungen verantwortlich“ seien, so Forscher von der University of Minnesota. Wenn man sie beseitigt, könnte die Erkrankung verzögert oder sogar verhindert werden. Gerade was die Ernährung anbelangt, dazu gibt es eindeutige Daten, die eine entzündungsfördernde Ernährung mit einem erhöhten Demenzrisiko in Verbindung bringen. Im Umkehrschluss heißt das, dass eine entzündungshemmende Ernährung gewissermaßen eine Demenzprophylaxe sein könnte. Epoch Times berichtete.
Trotz all dieses Wissens bleibt eine erschütternde Wahrheit: Heilbar ist Demenz bis heute nicht. Therapien können bestenfalls den Verlauf verzögern, nicht aber die Krankheit stoppen.
Ein globaler Notstand – und eine stille Epidemie
Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft rechnet damit, dass die Zahl der Erkrankten von aktuell 1,8 Millionen bis 2050 auf 2,8 Millionen steigen wird. Weltweit könnten es über 150 Millionen Menschen werden.
Die Gesundheitsausgaben dafür sind in den vergangenen Jahren überproportional angestiegen und machen derzeit 36 Prozent der gesamten Sozialkosten für die über 65-Jährigen aus. Bis zum Jahr 2060 könnten die Kosten für Demenz auf 195 Milliarden Euro pro Jahr ansteigen und damit 48 Prozent der gesamten gesellschaftlichen Kosten der über 65-Jährigen ausmachen, prognostiziert das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE).
Doch die wahren Kosten von Demenz sind nicht finanzieller Natur: Es sind zerbrochene Biografien, veränderte Familienrollen und die seelische Erschöpfung der pflegenden Angehörigen. Fast 70 Prozent der Menschen mit Demenz in Deutschland werden zu Hause betreut.
„Viele Angehörige fühlen sich überfordert und regelrecht isoliert“, berichtet Neurologe Dr. Frank Freitag.
Trotzdem Hoffnung: Was Menschen gegen Demenz tun können
Und doch: Auch wenn die Krankheit nicht heilbar ist, gibt es Hoffnung. Studien zeigen, dass bestimmte Maßnahmen helfen können, die Symptome zu lindern, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen und die Lebensqualität erheblich zu steigern.
Ein aktiver Lebensstil gehört dazu. Körperliche Bewegung kann nicht nur das Herz-Kreislauf-System stärken, sondern auch die Gehirndurchblutung verbessern. Schon dreimal pro Woche moderates Training – etwa Spaziergänge, leichtes Joggen oder Tanzen – kann einen messbaren Effekt auf kognitive Fähigkeiten haben, empfiehlt die Alzheimer Forschung Initiative e.V.
Auch geistige Aktivität ist entscheidend. Kreuzworträtsel, Kartenspiele, Musizieren, aber auch das Erlernen neuer Fähigkeiten können die kognitiven Reserven stärken. „Jenseits von einer medikamentösen Einstellung kann Gehirntraining helfen, neue neuronale Verbindungen zu schaffen“, erklärt Dr. Freitag.
Du wirst, was Du isst
Ernährung spielt eine weitere Schlüsselrolle. Alzheimer-Demenz wird durch Eiweißablagerungen im Gehirn und dem schnellen Verlust von Hirnsubstanz verursacht. Doch eine mediterrane Ernährung, die reich an Fisch, Gemüse und Olivenöl ist, kann das Gehirn möglicherweise schützen. Das ist das Ergebnis einer bundesweiten Studie aus dem Jahr 2021.
Und schließlich: soziale Kontakte. Denn die Isolation beschleunigt kognitiven Abbau. Wer aktiv im Leben steht, Freundschaften pflegt, an Gruppenaktivitäten teilnimmt oder sich ehrenamtlich engagiert, erhält nicht nur das Gedächtnis länger, sondern auch die Lebensfreude.
Seit Jahren gibt es Medikamente, die zur Behandlung der Alzheimer-Demenz zugelassen sind, deren Wirkung aber nur geringfügig ist. Grund zur Hoffnung geben die neuen Antikörpertherapien, so Dr. Freitag, „welche gezeigt haben, dass hierdurch die pathologischen Eiweißablagerungen im Gehirn, welche bei der Entstehung der Alzheimer-Demenz eine entscheidende Rolle spielen, wieder abgebaut werden könnten, wodurch wiederum das Fortschreiten der Erkrankung verzögert werden könnte“.
Jay Lenos stille Lektion
Doch während die Wissenschaft nach Lösungen sucht, zeigt sich im Alltag der Erkrankung oft eine ganz andere, stille Kraft – die der Menschlichkeit. Jay Lenos Leben könnte so anders aussehen: luxuriöse Reisen, Partys, neue Projekte. Stattdessen bleibt er an der Seite seiner Frau, Tag für Tag. Er zeigt: Liebe ist kein Wort, sondern eine Handlung. Leno sprach im besagten Interview offen über die Pflege seiner Frau und darüber, warum er seine neuen Aufgaben trotz der Herausforderungen, die ihre Demenz mit sich bringt, gern annimmt.
„Ich genieße die Zeit mit Mavis. Ich koche für sie, wir schauen fern. Und es ist okay. Es ist im Grunde das, was wir früher gemacht haben, nur dass ich sie jetzt füttern und all diese Dinge tun muss. Aber das gefällt mir. Ich mag es, mich zu kümmern“, sagt Leno nach über 40 Jahren Ehe und gibt einen Rat: „Heirate dein Gewissen. Heirate jemanden, der so ist, wie du gern sein würdest. Und sei für diese Person da, wenn sie dich am meisten braucht!“
In einer Welt, die oft nach schnellen Lösungen und glitzernden Oberflächen sucht, ist Jay Leno ein stilles, eindrucksvolles Beispiel dafür, wie wahre Menschlichkeit gelebt werden kann: Dasein. Geduld. Treue.
Vielleicht können wir aus seiner Geschichte etwas mitnehmen, das uns allen Hoffnung macht: Dass Liebe auch dort bestehen bleibt, wo Worte versagen. Dass Erinnerungen zwar verblassen, aber Zuneigung und Hingabe bleiben. Und dass wir – trotz allem – nicht allein sind. Jay Lenos Frau Mavis ist es jedenfalls nicht.
Lydia Roeber hat sich schon ihr Studium an der FU Berlin mit Texten verdient. Früher als Reisejournalistin tätig, nimmt sie sich heute bei der Epoch Times bevorzugt die drängenden gesellschaftlichen Themen vor – von Transhumanismus über digitale Kontrolle bis zum Bildungsnotstand. Sie ist Pfarrerstochter aus dem Osten; examinierte Krankenschwester; hat einen Abschluss der FU Berlin in Psychologie, Kommunikationswissenschaften, Filmwissenschaften; lange bei n-tv Reisefilme gemacht und auch geschrieben, zwei journalistische Preise dafür gewonnen; Pressesprecherin von verschiedenen touristischen Produkten, unter anderem vom Land Island.
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