Alle wollen importieren, doch woher? Fast zwei Drittel der Kohlekraftwerke werden EU-weit abgeschaltet

Die meisten europäische Staaten und auch Deutschland verlassen sich darauf, Strom im Notfall aus dem Ausland zu importieren. Wie sinnvoll ist das?
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Der Tagebau Inden und das RWE-Braunkohlekraftwerk Weisweiler im Rheinland soll 2022 abgeschaltet werden.Foto: Federico Gambarini/dpa/dpa
Von 10. August 2021

63 Prozent der installierten Leistung von Kohlekraftwerken werden in der EU bis 2030 laut einer Studie des Joint Re-search Centre, des wissenschaftlichen Dienstes der EU, abgeschaltet. Die Situation würde sich noch verschärfen, wenn Deutschland zusätzliche Kraftwerke abschaltet. Neue Kraftwerke entstehen überwiegend durch Erneuerbare Energien und tragen nur in geringem Umfang zur gesicherten Leistung bei.

Gleichzeitig ist zu beachten, dass wetterbedingte Energie-Engpässe in Europa oft gleichzeitig in mehreren Ländern auftreten. Zudem steigt der Energiebedarf auch in anderen Ländern an. Anders gesagt: Deutschland kann sich künftig nur bedingt auf Lieferungen aus dem Ausland verlassen.

Deutschland setze mit dem Ausstieg aus der Kernenergie und der Kohleverstromung den zweiten vor den ersten Schritt, sagt Herbert Saurugg, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge und Sicherheitsexperte. Systemrelevante Elemente würden entfernt, ohne gleichwertige und ausreichende Ersatzlösungen zur Verfügung zu stellen.

In Deutschland gab es am 1. Januar 2021 eine installierte Kraftwerksleistung von rund 230 GW. Mit dem Ausstieg werden über 50 Gigawatt gesicherte und regelbare Leistungen abgeschaltet. Im Bau sind Kraftwerke mit einer Leistung von 1,2 GW, weitere Planungen liegen auf Eis. Dass diese 1,2 GW nicht ausreichen, ist unumstritten.

Um nach einem flächendeckenden Blackout das Netz wieder aufzubauen, werden Anlagen benötigt, die ohne externe Stromzufuhr anlaufen können, die sogenannten „schwarzstartfähigen Anlagen“. Kraftwerke seien durchaus schon schwarzgestartet worden, im EU-Maßstab wäre dies allerdings eine ganz andere Ebene und noch nie vorgekommen.

Was machen andere Staaten Europas?

Das Problem ist seit Jahren bekannt, große Hoffnungen liegen auf Importen. Doch die Nachbarstaaten leiten ebenfalls Energiewenden ein. Wie sieht es im europäischen Ausland aus?

Schweiz: Das Land ist eine Drehscheibe für Strom, ein wichtiges Transitland insbesondere für Italien. Die Schweiz will (vermutlich bis 2035) aus der Atomenergie aussteigen. Derzeit stammen 40 Prozent des Stroms aus AKW, 56 Prozent aus Wasserkraft. 1 Prozent stammt aus erneuerbarer Energie. Vor allem im Winter importiert die Schweiz Strom.

Frankreich: Bis 2035 werden 14 Atomkraftwerke geschlossen, Ersatzbauten sind bis auf das AKW Flamanville nicht in Sicht. Das Land hat 58 in Betrieb befindliche AKW, die bis 2030 immer mehr die technische Altersgrenze erreichen und abgeschaltet werden müssen. Als zweites setzt Frankreich auf Gas (11 Prozent) und Wasserkraft (9 Prozent). Es gibt kaum eine erneuerbare Stromproduktion.

Niederlande/Benelux: Die Niederlande steigen bis 2030 aus der Kohleverstromung aus. Das Land setzt auf Importstrom aus Deutschland, da dieser billiger ist als der Betrieb der eigenen Gaskraftwerke. An den Küsten wird der Bau von Windenergieparks vorangetrieben. Belgien steigt aus der Kernenergie bis 2025 aus.

Dänemark: Der Anteil fossiler Energieträger wird reduziert.

Portugal: Das größte Kohlekraftwerk (Sines) wurde am 14. Januar 2021 abgeschaltet.

Spanien: Das Kohlekraftwerk Foto de Ribera 3 (mit 346 MW) wird 2021 abgeschaltet.

Ungarn: Das letzte Kohlekraftwerk soll 2025 abgeschaltet werden.

Polen: Das Land setzt auf Kohle. Doch auch Kohlekraftwerke sind störanfällig, wie ein Beinahe-Ausfall am 22. Juni 2020 zeigte. Durch Überschwemmungen fielen die großen Kraftwerke in der Region Łódź aus, es kam zu einer Kette von Störfällen. Es fehlten 13 Gigawatt, ein Drittel des gesamten polnischen Strombedarfs. Es wurde Strom aus Schweden, Deutschland, Tschechien, der Slowakei und Litauen importiert.



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