Ein Darlehen Ungarns zeigt den Niedergang westlicher globaler Institutionen

Die ungarische Regierung leiht sich Geld aus Asien. Dies zeigt immer deutlicher, dass Peking auch mit neuen multilateralen Organisationen die Regeln bestimmen will.
Titelbild
Der französische Finanzminister Bruno Le Maire (R) im Gespräch mit seinem deutschen Kollegen Olaf Scholz (L) während des Jahrestreffens der Finanzminister und Notenbankchefs des IWF und der Weltbank am 13. Oktober 2021 in Washington.Foto: JIM WATSON/AFP via Getty Images
Von 26. Oktober 2021

183 Millionen Euro beträgt ein neues Darlehen, das Ungarn erstmals bei der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) aufnimmt. Mit dem Geld sollen 17 Krankenhäuser modernisiert und technische Geräte für den Gesundheitsbereich erworben werden.

Brüssel und Washington beäugen das AIIB-Ungarn-Darlehen aufmerksam, weil in der AIIB Peking die Regeln bestimmt. Die Bank wurde 2015 auf Initiative von Xi Jinping gegründet und bringt das weltweite Finanzsystem aus dem bisherigen Gleichgewicht.

„Eine reine Machtmaschine Pekings“

Ziel der chinesischen Bank ist, die global führende Rolle bei der Finanzierung von Infrastrukturprojekten ab 2021 zu übernehmen – an der kurzen Leine der kommunistischen Staatsführung in Peking.

Der grüne Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer bezeichnet die AIIB als „eine reine Machtmaschine Pekings“. Er warnte bereits 2016: „Wenn ein chinesischer Diplomat ganz besonders keck ist, dann sagt er auch schon mal, man müsse doch den Ungarn helfen, ihre Souveränität gegenüber Brüssel zu verteidigen.“

Die Bank und das Projekt der „Neuen Seidenstraße“ sind zwei Seiten einer Medaille. Der erste Präsident der Bank, Jin Liqun, beschrieb in der englischen Ausgabe der staatlichen „China Daily“ beides prosaisch als „zwei Triebwerke eines Flugzeugs, die beide benötigt würden, um reibungslos und hoch zu fliegen“.

Ziel der AIIB: Global führende Rolle

Auf der Jahrestagung der Finanzminister und der Notenbankchefs der 189 Mitgliedsstaaten, zu der Olaf Scholz nach Washington reiste, war China auch ein Thema. Die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai appellierte vor Beginn an die Verbündeten, ein starkes Gegengewicht zu China zu schaffen: „Zu lange hat China den weltweiten Wohlstand untergraben, indem es globale Handelsnormen ignoriert.“

Das Geschäftsmodell der AIIB basiert auf der Finanzierung großer Infrastrukturprojekte, wobei auf soziale Belange und Umweltschutz geringer als üblich Rücksicht genommen wird. Dabei wird viel Geld eingesetzt. Im Zeitraum von April 2020 bis Oktober 2021 plante die AIIB Investitionen in Höhe von 13 Milliarden US-Dollar.

Binnen fünf Jahren etablierte sich die Bank weltweit, vor allem nachdem gegen den erklärten Wunsch der Administration des damaligen US-Präsidenten Barack Obama die größten Staaten Europas der AIIB beitraten. Darunter ist auch Deutschland. Die Spaltung der G7-Mitglieder war ein wichtiger Sieg für China. Japan und die USA sind bis heute keine Mitglieder der AIIB.

Bewilligungen ohne detaillierte Informationen

Eine Studie der Heinrich-Böll-Stiftung belegt beispielhaft, wie die Bank vorgeht. So benutzt die Bank die gängige Terminologie anderer Banken, gibt den Wörtern allerdings einen anderen Sinn. Die Entscheidungsmacht über die zu finanzierenden Projekte liegen – untypisch für derartige Projekte – im Wesentlichen beim AIIB-Präsidenten.

Der Aufsichtsrat spielt hingegen eher eine geringe Rolle: „[E]r hat Zugang zu einer zwei Jahre umfassenden Liste von Projektvorschlägen, die nicht mehr als den Namen, den Sektor, das Land und die Projektsumme wiedergibt. Zu einem späteren Zeitpunkt erhält der Aufsichtsrat eine kurze Zusammenfassung des Projekts (Project Summary Document).“

Ob das ausreicht, um die Risiken der Infrastrukturprojekte zu erkennen, sei dahingestellt. Vor der Bewilligung eines Projektes werden diese nicht veröffentlicht.

Ungarn zeigt Bedeutungsverlust des Westens

Der Deal sei symbolträchtig, schreibt die „Welt“. Das Darlehen zeige den Bedeutungsverlust von Institutionen wie dem IWF, der Weltbank oder der WTO sowie die schwindende Dominanz des westlichen Wertesystems. Aktuell hat die AIIB 87 Mitglieder, 16 weitere wollen beitreten. In IWF und Weltbank sind 190 Staaten vereint.

China wurde 2001 in die WTO aufgenommen, ein „Wandel durch Handel“ wurde angestrebt. Zwanzig Jahre später zeigt sich, dass China mit seiner Staats- und Subventionswirtschaft die WTO verändert hat, nicht umgekehrt. An dieser Stelle ist die westliche Politik gescheitert. Die nächsten Opfer Chinas könnten der IWF und die Weltbank sein. Im IWF brodelt es, seitdem offenkundig wurde, dass IWF-Chefin Kristalina Georgieva die Geschäftsklimaberichte „Doing Business“ zugunsten Pekings veränderte.

Wie lange und zu welchem Preis Peking in den multilateralen Organisationen wie der Weltbank und dem IWF noch bleibt, ist offen. Immer deutlicher zeigt sich, dass Peking auch auf diesem Sektor die Regeln bestimmen will. Chinas Finanzminister Lou Jiwei nannte die Bank bei der Eröffnung demonstrativ „einen Meilenstein in der Reform des globalen wirtschaftlichen Steuerungssystems“.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion