Unsichere Zukunft nach De-minimis-Aus
USA stoppen zollfreie China-Importe: Temu stellt Direktlieferungen ein
Die US-Regierung zieht die Zollschrauben an: Mit dem Ende der De-minimis-Regel verlieren chinesische Billigplattformen wie Temu ihren Wettbewerbsvorteil im Direktversand. Während Temu bereits reagiert und künftig auf lokale Logistik setzt, geraten auch Wettbewerber wie Shein unter Anpassungsdruck – mit weitreichenden Folgen für Preise, Kunden und den globalen Handel.

Auch auf billige Waren aus China werden nun in den USA Zölle erhoben. Diese waren zuvor davon ausgenommen. (Archivbild)
Foto: Oliver Berg/dpa
Die Billigwarenplattform Temu wird ihre Lieferungen aus China in die USA einstellen. Das teilte die Plattform, die von einer in China ansässigen Tochtergesellschaft der PPD Holdings betrieben wird, am Freitag, 2. Mai, mit. Dies ist eine Folge der Abschaffung der De-minimis-Regel durch die Regierung Trump. Durch die Regel waren zuvor kleine Pakete bis zu einem Wert von 800 US-Dollar von Zollbestimmungen ausgenommen.
Der Erklärung zufolge, die der englischsprachigen Epoch Times vorliegt, möchte man künftig zu einem „lokalen Fulfillment-Modell“ übergehen. Das bedeutet: Sämtliche Verkäufe in den Vereinigten Staaten erfolgen nun über ortsansässige Verkäufer, wobei die Aufträge im Land selbst bearbeitet werden. Die Preise sollen für die US-Kunden vorerst gleich bleiben, heißt es vonseiten Temus. Anfang April hatte das Unternehmen noch erklärt, sich ab dem 25. April Preiserhöhungen vorzubehalten.
KI, Influencer und Subventionen – das Erfolgsrezept der Billigplattformen
Die zweite bekannte chinesische Billigplattform, der Modemarktplatz Shein, hat noch keine Konsequenzen angekündigt. Allerdings hat die Plattform auf ihrer US-Website einen Text veröffentlicht, in dem das Thema der Zölle und deren unterschiedliche Formen angesprochen wird. Darin heißt es, der Betrag, den die Kunden für ihre Bestellung entrichten müssten, sei verbindlich. Die Kunden müssten später mit keinen weiteren Gebühren rechnen. Damit wollte man Meldungen entgegentreten, wonach Kunden in den USA nachträglich Zölle auf ihre Lieferungen zahlen müssten.
Sowohl Temu als auch Shein nutzen die kostengünstige Produktions- und Logistikinfrastruktur, die ihnen die Verhältnisse in China ermöglichen, um eigene Kosten zu minimieren. Sie fokussieren sich auf junge, preissensible Kunden und nutzen verstärkt Social-Media-Marketing und Influencer, um ihre Produkte zu vertreiben.
Zur Vermarktung setzen beide Plattformen auf KI-gesteuerte Trend- und Nachfrageanalysen. Da sie Skaleneffekte nutzen können und bislang ohne Zwischenhändler ausgekommen sind, können sie auch ihre Preise niedrig halten. Oft jedoch auch dadurch, dass an der Qualität Abstriche gemacht werden. Temu subventioniert auch einige Produkte.
Shein und Temu stoßen auf geschwächten Einzelhandel vor Ort
Unterschiede zeigen sich darin, dass Shein ausschließlich auf Mode fokussiert ist, Temu hingegen als Allgemein-Marktplatz für Drittanbieter fungiert. Temu agiert von seinem Geschäftsmodell her eher wie ein „digitaler Discounter“, Shein versucht, eine eigene Marke aufzubauen.
Für den Endkunden außerhalb Chinas bedeutete das bislang, Waren zu konkurrenzlos günstigen Preisen erwerben zu können – sie mussten lediglich lange Lieferzeiten in Kauf nehmen.
Lange Jahre verzichteten die USA darauf, Zölle auf Artikellieferungen zu erheben, die rechtlich als geringfügig gelten. Die Schwelle lag bis 2015 bei einem Wert von 200 US-Dollar, dann erhöhte der Kongress sie auf 800 US-Dollar. Der Umfang der Importe, die unter diese De-minimis-Regelung fielen, stieg zwischen 2013 und 2022 um 470 Prozent. Im Oktober 2024 verarbeitete die Behörde knapp 4 Millionen Sendungen dieser Art aus China oder Hongkong.
Aus für De-minimis-Regel parallel zu Zollerhöhung
Am Freitag, 2. Mai, trat eine Verordnung in Kraft, die einen Zoll von 30 Prozent des Wertes auf ehemals unter die De-minimis-Regel fallenden Pakete vorschreibt. Dies gilt, wenn diese über das internationale Postnetz versandt werden. Andere Sendungen werden mit 25 Euro und ab 1. Juni 50 US-Dollar belastet. Pakete mit höherem Wert unterliegen den Standardzollsätzen.
Der Triumphzug der Billigplattformen hatte den stationären Einzelhandel in den USA massiv unter Druck gesetzt – in einer Zeit, in der dieser ohnehin schon durch die Folgen von Corona angeschlagen war. Teilweise waren Waren wie Hochleistungsakkus für Elektrowerkzeuge bei Temu um mehr als 80 Prozent günstiger. Auch heimische Plattformen wie Amazon oder eBay gerieten unter stärkeren Druck.
Das derzeitige Ende für die De-minimis-Regelung durch die US-Regierung steht im Zusammenhang mit dem Zollstreit zwischen Washington und Peking. Derzeit erheben die USA Standardzölle von 145 Prozent auf Importe aus China. In der Gegenrichtung belaufen sich diese auf 125 Prozent.
Preissteigerungen auf Dauer kaum vermeidbar
Die neue Zollpolitik der USA stellt das Geschäftsmodell von Temu und Shein schon mittelfristig auf den Prüfstand. Dass es keine zollfreien Kleinlieferungen aus China mehr gibt, wird die Kosten für beide Anbieter erhöhen. Die noch weiter verlangsamten Lieferungen infolge komplizierterer Zollabfertigungen werden ebenfalls Herausforderungen schaffen.
Hingegen ist die Entwicklung vorteilhaft für lokale und regionale Anbieter in den USA. Amazon und Walmart werden aufgrund ihrer Lagerhaltung in den USA preislich und logistisch wettbewerbsfähiger. Shein hat mittlerweile selbst begonnen, in Kalifornien und Indiana eigene Distributionszentren zu eröffnen. Auch Temu könnte sich zu stärkerer Lagerhaltung in den USA entschließen.
Diese Strategie würde kürzere Lieferzeiten und eine vereinfachte Zollabwicklung ermöglichen. Dennoch könnten die höheren Kosten für Lager und Personal die Preisgestaltung gefährden. Preissteigerungen könnten ebenfalls früher oder später ins Haus stehen. Allerdings ist zu erwarten, dass die Anbieter versuchen, diese mit Rücksicht auf die preissensible Gen-Z-Kundschaft in einem kleinen Rahmen zu halten.
EU erwägt ebenfalls Restriktionen gegen Temu und Shein
Andere mögliche Strategien wären eine Öffnung für höherwertige Produkte, die trotz der Zölle wettbewerbsfähig bleiben, oder margenstärkere Artikel. Shein experimentiert auch mit der Produktion in anderen Ländern – etwa der Türkei oder Indien. Zudem könnten Shein und Temu ihren Fokus auf Gebiete verstärken, die geringere Zollsätze oder De-minimis-Regelungen kennen.
Allerdings überlegt mittlerweile auch die EU, die Anbieter unter Druck zu setzen. Sie setzt dabei eher auf nichttarifäre Handelshemmnisse. Die EU-Kommission plant, eine Sondergebühr für Päckchen der Onlinehändler und strengere Nachweispflichten einzuführen. Onlinehändler sollen in Zukunft kontrollieren, dass die auf ihren Plattformen angebotenen Produkte legal sind und EU-Sicherheitsnormen entsprechen. Immerhin, so heißt es aus Brüssel, weisen die Angebote häufig eine zweifelhafte Qualität auf, genügen Sicherheitsbestimmungen nicht oder entstammen der Produktpiraterie.
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.
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