Jessye Norman – Weltstar des Gesangs – wird 70 (mit Videos)

Ihre Karriere begann 1968 beim Internationalen ARD-Musikwettbewerb in München. Jessye Norman wurde nicht nur ein großartiger Gesangsstar, sondern auch eine engagierte Bürgerrechtlerin in den USA.
Titelbild
Jessye Norman wird 70 am 15. SeptemberFoto: Ron Sachs-Pool/Getty Images
Von 14. September 2015

In München ist gerade der 64. Internationale ARD-Musikwettbewerb zu Ende gegangen. Im Fach „Gesang“ wurde die souveräne US-amerikanische, 27-jährige Sopranistin Emalie Savoy zur Siegerin erkoren, die durch ihre wunderschöne Stimme und perfekte Bühnenpräsenz brillierte. Im Jahr 1968 wurde Jessye Norman aus den US-Südstaaten mit dem 1. Preis prämiert, und eine Bilderbuchkarriere begann von deutschem Boden aus.

Der amerikanische Dirigent und Pianist James Levine schreibt im Vorwort zur Autobiographie seiner Lieblingskünstlerin: „In diesen faszinierenden Memoiren werden Sie Jessyes einmalige Präsenz auf jeder Seite spüren, ihren Humor – ihre Passion und ihre unbändige Lebensfreude.“

Jessye Norman wurde am 15. September 1945 in Augusta in Georgia geboren. Ihr Vater war Versicherungsagent, ihre Mutter Lehrerin. Beide Eltern waren als Amateurmusiker (Klavier und Gesang) in einem Kirchenchor aktiv. Jessye begann schon in ihrer Kindheit, ausgiebig zu singen.

„Erwachsen werden in Deutschland“

Jessye Norman absolvierte ein Musikstudium, das sie 1967 an der Howard-University in Washington mit Bachelor-Grad abschloss. Weiteren Unterricht bekam sie von Alice Duschak in Baltimore und Pierre Bernac in Michigan. Das 6. Kapitel ihres spannend zu lesenden Buches ist überschrieben mit: „Erwachsen werden in Deutschland“.

Am Abend vor ihrem 23. Geburtstag war die Jury des ARD-Wettbewerbs in München mehrere Stunden damit beschäftigt, den Sieger und die weiteren Platzierungen der Finalrunde zu ermitteln. Jessye Norman war damals in der Jugendherberge in der bayerischen Hauptstadt untergebracht. Computer und Smart-Phones gab es noch nicht. Man war nicht ständig im Online-Modus mit der ganzen Welt.

„Irgendwann am späten Abend des 14. September 1968 öffnete sich die Tür zu unserem Raum hinter der Bühne des Herkulessaals. Endlich las der Jury-Präsident Hermann Reuter die Namen der Sänger vor, die lobende Erwähnungen erhielten. Dann verkündete er die Preisträger, beginnend, wie es der Brauch war, mit dem vierten Preis. Dann kam der erste Preis bei den Herren an die Reihe. Diese Ehre ging an Michael Schopper. Herr Reuter schien ziemlich bewegt, diesen Namen vorzulesen, denn er war ein deutscher Sänger, der im eigenen Land gewonnen hatte.

Zuletzt wurde der erste Preis bei den Damen bekanntgegeben. Ich kann mich nicht daran erinnern, wie ich reagierte, als ich meinen Namen hörte, wohl aber an die Freundlichkeit all meiner Mitbewerber, die zu mir kamen und mich umarmten. Das Publikum brach in Jubel aus, als mein Name vorgelesen wurde. Diese Reaktion überwältigte mich.

Es war bereits nach Mitternacht. Erst jetzt erzählte ich einer anderen Wettbewerbsteilnehmerin, dass ich Geburtstag hätte, war aber zu schüchtern zuzulassen, dass sie das laut verkündete. Also behielten wir diesen Umstand für uns. Ich hatte keine Möglichkeit, in dieser Nacht noch zu telefonieren, denn die Jugendherberge hatte keinen Münzfernsprecher und der Hausmeister lag längst im Bett, sodass ich ihn auch nicht bitten konnte, sein Diensttelefon benutzen zu dürfen…“

Am 15. September 1968 ging die junge Preisträgerin auf die Münchner Hauptpost, um ihre Agentur in den USA und ihre Eltern anzurufen. Noch in München bekam Jessye Norman einen Dreijahresvertrag als Ensemble-Mitglied für die Deutsche Oper in Berlin.

„Ich sage oft, ich sei in Berlin erwachsen geworden. Mein Geist entfaltete sich dort. Ich lernte sehr viel in relativ kurzer Zeit … Mein Engagement hatte ich zwar an der Oper in West-Berlin, aber ich verbrachte die meiste Zeit auf der anderen Seite der bedrohlichen Mauer…“

In Berlin gab Jessye Norman ihr Debüt als Elisabeth in Richard Wagners „Tannhäuser“, und sie war bald darauf in weiteren Rollen wie der Gräfin Almaviva in Mozarts „Le Nozze di Figaro“ zu erleben.

Von der Oper zum Liedgesang

1972 debütierte sie als Aida unter der Leitung von Claudio Abbado an der Mailänder Scala, war noch im selben Jahr als Kassandra in "Les Troyens" von Berlioz am Covent Garden zu hören und feierte außerdem den Einstand auf den Bühnen ihrer Heimat im Hollywood Bowl. Die folgenden drei Jahre waren von vielfältiger Konzert- und Operntätigkeit geprägt, die sie unter anderem zum Maggio Musicale Fiorentino führte, wo sie an Aufführungen von "Die Afrikanerin" (Meyerbeer) und "Deborah" (Händel) mitwirkte.

Zu dieser Zeit begann Norman außerdem, sich auf das Liedrepertoire zu konzentrieren, das sie sich einst über das Nachsingen von Aufnahmen Erna Bergers eingeprägt und im Laufe der Jahre ausgeweitet und perfektioniert hatte. Diese für sie neue Sparte erwies sich als für ihre Stimme besonders geeignet und so sang sie bis 1980 keine weiteren Opern mehr, sondern konzentrierte sich auf die Welt der Lieder, die sie schrittweise zu einem bemerkenswerten Repertoire ausweitete.

Zu ihren besonderen Spezialitäten gehörten bald Wagners "Wesendoncklieder", die "Gurrelieder" von Schönberg und Alban Bergs "Altenberglieder". Außerdem beschäftigte sich Norman ausführlich mit französischen Komponisten wie Duparc, Poulenc, Fauré und den Liedern von Mussorgsky, für deren Interpretation sie extra Russisch lernte.

Von 1981 an baute sie weiter ihre internationale Karriere als Lied- und Konzert-Sängerin aus, gab regelmäßig Liederabende bei den Salzburger Festspielen und debütierte 1983 auch an der Met wiederum als Kassandra in "Les Troyens". Während der achtziger und neunziger Jahre war sie an vielen großen Konzerthäusern zu erleben wie der Lyric Opera in Chicago (Debüt 1990 mit Glucks "Alceste"), der Scala, den Wiener Opernhaus, der Deutschen Oper Berlin und dem Royal Opera House in London. Man hörte sie begeistert in bei den Festivals in Verbier, Saito Kinen, Aix-en-Provence und Salzburg. Darüber hinaus begann sie sich seit den Neunzigern auch für den Jazz stark zu machen und erarbeitete selbst Programme mit der Musik von Michel Legrand oder Duke Ellington.

Respekt und die gegenseitige Freude am Leben der anderen

Jessye Norman gehört zu den wichtigsten Stimmen der vergangenen drei Jahrzehnte. Sie wurde für ihre Kunst und ihr humanitäres Engagement 1997 mit dem United States Kennedy Center Honor ausgezeichnet. Außerdem bekam sie mehrere Ehrendoktorhüte verliehen. In ihrer Heimatstadt Augusta wurde ein Amphitheater nach ihr benannt. Sie bekam außerdem viermal einen Grammy überreicht, 1986 für ihrer Aufnahme der Lieder von Maurice Ravel ("Best Classical Vocal Soloist performance"), 1988 als Solistin der prämierten "Lohengrin"-Interpretation von Sir George Solti, 1989 im Rahmen von James Levines "Walküre" und zuletzt 1998 zusammen mit Pierre Boulez und dessen Einspielung von Bartóks "Bluebeard’s castle".

„Es ist mir eine Ehre, dieses Buch meinen Eltern, Janie und Silas Norman sen. zu widmen sowie meinen Geschwistern Elaine, Silas jr., Howard und unserem geliebten Engel George. Außerdem unserer großen weit verzweigten Familie, deren Mitglieder dieselben Vorfahren haben, wie auch jenen, die unsere Familie erweiterten und eine äußerst vielschichtige Gruppe bilden. Wie Richard Bach schrieb: ‚Das Band, das eine wahre Familie verbindet, besteht nicht aus Blut, sondern aus dem Respekt und der gegenseitigen Freude am Leben des anderen’. Gesegnet sei dieses Band.“

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Jessye Norman singt „Ave Maria“ von Franz Schubert

In 10 großen Kapiteln beschreibt Jessye Norman die Stationen ihres Lebens, nicht nur das der Künstlerin, sondern auch das der Bürgerrechtlerin. Wenige Monate vor ihrem Wettbewerbs-Sieg in München wurde am 4. April 1968 in Memphis Martin Luther King („I have a dream!“) im Alter von 39 Jahren ermordet. Ein Schock, der die USA langhaltend erschütterte.

In der „CODA“, dem Schlussakt ihres Buches zitiert sie auf Seite 326 den Text des herzergreifenden Liedes „Zueignung“ von Hermann von Gilm zu Rosenegg, das Richard Strauss vertont hat.

Ja, du weißt es, teure Seele,
Dass ich fern von dir mich quäle,
Liebe macht die Herzen krank,
Habe Dank.

Einst hielt ich, der Freiheit Zecher,
Hoch den Amethysten-Becher,
Und du segnetest den Trank,
Habe Dank.

Und beschworst darin die Bösen,
Bis ich, was ich nie gewesen,
heilig, heilig an’s Herz dir sank,
Habe Dank.

Jessye Norman singt „Zueignung“ von Richard Strauss

Foto: Cover DTV

An intimate Film Portrait of Jessye  Norman

Andre Hellers sehr persönlicher Film über eine der besten Sopranistinnen der Welt – Eine Hommage an eine Primadonna assoluta – eine Hommage an Jessye Norman

Diese 90-minütige Dokumentation aus dem Jahr 2008 ist eine absolute Rarität. Andre Heller hat etwas geschaffen, was wenigen vor ihm gelang: Ein persönliches und sehr emotionales Portrait über eine der größten Sopranistinnen der Welt. Gedreht wurde in Wien und in Marrakesch und Marokko.

In 14 Aufzeichnungen von Aufführungen mit Lieder und Arien von Mozart, R. Strauss, Schönberg, Ravel, Schumann, Mahler, Wagner, Purcell, Schubert und Berg zeigt Heller das ganze Spektrum dieser Ausnahme-Sängerin.

Erstmals gestattet die Diva tiefe Einblicke in Ihre Arbeit und ihr privates Leben, spricht über ihre Kindheit, ihre Idole, die Zusammenarbeit mit Dirigenten und über private Beziehungen.

Eine faszinierende und ungewöhnliche Produktion.

Als DVD erhältlich für € 10,46.

Jessye Norman

I Sing the Music of My Heart: Erinnerungen

352 Seiten, gebunden

Deutscher Taschenbuch Verlag (24. Juli 2015)

Sprache: Deutsch

ISBN-10: 3423280565

€ 22,90



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