Zinswetten-Prozess: Bewährungsstrafen für Ex-OB und Kämmerin

Seit Schmuck billiger in Asien produziert wird, kämpft die "Goldstadt" Pforzheim mit Strukturproblemen. Ein Sanierungsversuch scheitert. Vor Gericht folgt nun der juristische Schlussakt.
Titelbild
Wolfgang Kubicki (FDP).Foto: Uwe Anspach/dpa
Epoch Times21. November 2017

Riskante Zinswetten sollten satte Gewinne in die Stadtkasse von Pforzheim spülen – doch am Ende stand für die Kommune in Baden-Württemberg ein Millionenverlust.

Rund zehn Jahre nach der Affäre verurteilte ein Gericht die frühere Oberbürgermeisterin und die damalige Stadtkämmerin zu Bewährungsstrafen. Die Justiz in Mannheim sah den Vorwurf der schweren Untreue bewiesen.

Sie verurteilte Ex-Oberbürgermeisterin Christel Augenstein (FDP) zu einem Jahr und acht Monaten Haft auf Bewährung und die damalige Stadtkämmerin zu zwei Jahren Haft auf Bewährung.

Richter Andreas Lindenthal warf den beiden Verurteilten einen „gravierenden Pflichtverstoß“ vor. Der damaligen Kämmerin sei das Risiko bekannt gewesen. „Sie haben gewusst, dass Sie Handgranaten kaufen und keine Ostereier“, sagte Lindenthal.

Viele grundsätzliche Fragen, etwa ob Gemeinden überhaupt spekulieren dürfen, müsse aber der BGH beantworten. „Wir haben gelernt, dass Banken gefährliche Dinge verkaufen“, sagte der Richter.

Die Verteidigung kündigte nach dem Prozess an, gegen das Urteil Revision einlegen zu wollen. „Das Urteil ist nicht bestandsfähig“, sagte der Anwalt von Augenstein, der FDP-Vize-Vorsitzende Wolfgang Kubicki. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer Gefängnisstrafen unter drei Jahren gefordert. Die Verteidigung forderte dagegen Freisprüche.

An 18 Verhandlungstagen ging es vor der Großen Wirtschaftskammer in Mannheim um Geschäfte, bei denen Banken und Käufer Wetten auf die unterschiedliche Entwicklung von kurz- und langfristigen Zinsen eingehen.

Diese Produkte galten 2005 und 2006 als Mittel zur Zinssicherung – auch für Kommunen. Allerdings sorgte die Entwicklung etwa in Pforzheim für einen Millionenverlust. 2010 zog der Gemeinderat die Notbremse – am Ende stand ein Minus von rund 58 Millionen Euro. Inzwischen ist ein Großteil des Geldes nach Vergleichen mit beteiligten Banken wieder in der Kasse.

Den Vorwurf der Staatsanwaltschaft, sie hätten das Geld „verzockt“, wiesen die Angeklagten in ihren Schlussworten am Dienstag erneut zurück. „Ich habe uneigennützig und mit bestem Wissen und Gewissen gehandelt“, sagte Augenstein.

Bei den Geschäften sei die Stadt das Opfer „intransparenter Geschäfte vertrauenswürdiger Banken“ geworden. „Es gab keinen Anlass, an den Angeboten zu zweifeln“, betonte die Ex-Oberbürgermeisterin. Sie warf der Justiz ein „quälend langes und existenzvernichtendes Ermittlungsverfahren“ vor. Zudem beklagte Augenstein eine Vorverurteilung in der Öffentlichkeit.

Auch die damalige Leiterin der Pforzheimer Stadtkasse wies die Vorwürfe zurück. „Nicht einer (in der Verwaltung) hat geglaubt, dass ich etwas anderes im Sinn hatte als das Wohl der Stadt“, sagte sie. „Ich habe immer alles offen kommuniziert“, meinte die Diplom-Wirtschaftsmathematikerin. „Ich bin keine Spielerin.“

Zu Prozessbeginn im August standen in Mannheim zunächst drei weitere Angeklagte vor Gericht. Die Verfahren gegen zwei Bankmitarbeiter und den damaligen stellvertretenden Stadtkämmerer wurden aber gegen die Zahlung von Geldauflagen eingestellt. (dpa)



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