Unabhängigkeit würde für Katalonien zugleich das Ausscheiden aus der EU bedeuten

Katalonien will bald seine Unabhängigkeit ausrufen - doch was passiert dann mit der EU-Mitgliedschaft?
Titelbild
Flaggen vor dem EU-Parlament in Straßburg.Foto: SEBASTIEN BOZON/AFP/Getty Images
Epoch Times4. Oktober 2017

Nach dem Referendum vom Sonntag will Katalonien bald seine Unabhängigkeit ausrufen. Doch was passiert dann mit der EU-Mitgliedschaft? Fragen und Antworten zu den Folgen eines solchen Schrittes aus Sicht Brüssels:

Welche Folgen hätte die Unabhängigkeit für die EU-Mitgliedschaft?

In den EU-Verträgen ist die Abspaltung eines Teils eines EU-Mitglieds nicht geregelt. Offizielle Position Brüssels ist aber, dass Katalonien dann nicht mehr EU-Mitglied wäre. Die EU-Kommission leitet dies aus der Prodi-Doktrin von 2004 ab. Der damalige Kommissionspräsident Romano Prodi hatte erklärt, ein Gebiet, das sich von einem Mitgliedsland abspalte und unabhängig werde, sei fortan „ein Drittstaat“. Die europäischen Verträge würden „vom Tag seiner Unabhängigkeit an auf seinem Gebiet keine Anwendung mehr finden“.

Warum fährt die EU diese harte Linie?

Brüssel fürchtet, dass Katalonien zu einem Präzedenzfall werden könnte, der von Separatisten in anderen EU-Ländern als Vorbild genutzt wird: von den Flamen in Belgien, den Korsen in Frankreich oder der Lega Nord in Italien. Schon vor dem später gescheiterten Unabhängigkeitsreferendum in Schottland von 2014 hatte die Kommission deshalb klar gemacht, dass Edinburgh nach der Unabhängigkeit nicht mehr EU-Mitglied sein würde.

Könnte Katalonien wieder Mitglied werden?

Ja. Nach Art. 49 EU Vertrag kann „jeder europäische Staat“ Mitglied der EU werden, sofern er europäische Werte wie Menschenrechte, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Minderheitenrechte achtet.

Wie lange würde es bis zu einem Beitritt dauern?

Als neuer, unabhängiger Staat müsste Katalonien aus Sicht Brüssels denselben Beitrittsprozess durchlaufen wie alle anderen Kandidaten. Dazu müsste die EU feststellen, dass Katalonien alle Bedingungen für die Aufnahme erfüllt, die in insgesamt 35 Politik- und Wirtschaftsbereichen festgelegt sind. Das Spektrum reicht vom Unternehmensrecht über Finanzfragen und das Rechtssystem bis zum Umweltschutz.

Aber erfüllt Katalonien nicht schon alle EU-Standards?

Derzeit als Teil Spaniens ja. Und die katalanische Regionalregierung hat angekündigt, dass sie auch nach einer Unabhängigkeit weiter jegliche EU-Gesetzgebung übernehmen würde, um einen Wiedereintritt in die Union zu beschleunigen. Wie schnell Katalonien wieder Mitglied werden könnte, wäre wohl vor allem eine politische Entscheidung.

Aber könnte Madrid die Mitgliedschaft nicht blockieren?

Ja. Der EU-Rat der Mitgliedstaaten beschließt nach Artikel 49 „einstimmig nach Anhörung der Kommission und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments“ über die Aufnahme. Spanien hat damit ein Veto-Recht. Alle Versuche Kataloniens, wieder in die EU aufgenommen zu werden, setzen deshalb eine Einigung mit Madrid voraus. (afp)



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