Humanitäre Katastrophe im Irak befürchtet: Der Exodus aus den IS-Gebieten um Mossul hat begonnen

Bevor die USA und Großbritannien ihren Angriffskrieg gegen den Irak in 2003 starteten war Mossul eine multireligiöse Metropole. Seit dem Sturz des damaligen Machthabers Saddam Hussain herrscht das Chaos und Terrormilizen wie der IS unterdrücken die Bevölkerung. In Mossul, der zweitgrüßten Stadt des Landes und Umgebung, leben nach UN-Angaben rund 1,5 Millionen Menschen, weshalb die Sorge groß ist vor einer durch die Kämpfe verursachten humanitären Katastrophe.
Titelbild
Flüchtlingslager im IrakFoto: DELIL SOULEIMAN/AFP/Getty Images
Epoch Times26. Oktober 2016

Sie kommen in Gruppen zu Fuß, zusammengepfercht auf Lkw-Ladeflächen und einige wenige mit dem Auto: Immer mehr Menschen fliehen aus den von der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) besetzten Gebieten in und um die Großstadt Mossul im Irak. Es sind Menschen wie Umm Mahmud, die zusammen mit ihrem Mann und drei Kindern das Flüchtlingslager Dschedaah nahe der Stadt Kajjarah erreichte. „Ein IS-Angehöriger hat uns bei der Flucht geholfen, wir mussten hundert Dollar pro Person zahlen“, berichtet sie vor einem weiß-blauen Zelt.

Je näher die irakischen Streitkräfte und die kurdischen Peschmerga-Einheiten an Mossul heranrücken, wo tausende IS-Kämpfer erbitterten Widerstand leisten und laut UNO auch Gräueltaten an Zivilisten verüben, desto mehr Menschen wollen sich in Sicherheit bringen. Fast 9000 Flüchtlinge zählte das UN-Flüchtlingswerk seit Beginn der Militäroperation am 17. Oktober bis Mittwoch. Davon wurde mehr als ein Drittel allein am Dienstag registriert. Mehrere Zeltlager mit Platz für 150.000 Menschen werden deshalb vorsorglich errichtet.

Die Zahl der Flüchtlinge könnte schnell in die Hunderttausenden gehen. Es kommen nicht nur Menschen aus der Metropole Mossul mit ihren rund 1,5 Millionen Einwohnern. Auch Bewohner anderer vom IS besetzter Gebiete erreichen das unter anderem vom UN-Kinderhilfswerk Unicef betriebene Lager in Dschedaah.

Die Familie von Mahmud etwa kommt aus Hawidscha in der Nachbarprovinz Kirkuk. „Wir sind die ganze Nacht durch marschiert, um den Dschihadisten zu entkommen“, sagt Mahmud. Die Nachbarn, die mit ihnen geflohen waren, haben Dschedaah nie erreicht: Sie seien „kurz vor dem Ziel“ von einer Mine getötet worden, sagt Mahmud.

Ihre Familie wird nun länger in der heißen, kargen Landschaft rund um Dschedaah aushalten müssen, während am Horizont beständig Rauchschwaden aufsteigen von Ölquellen, die der IS in Brand gesteckt hat. „Wir können 5000 Menschen in 1000 Zelten unterbringen, aber wir werden die Aufbauten verdoppeln“, sagt Mohammed Sami, einer der Verantwortlichen in Dschedaah. „Das wichtigste sind Latrinen und fließendes Wasser.“

Wenige Kilometer von Dschedaah entfernt kontrollieren irakische Soldaten an einem Straßenposten Zivilisten, die es durch die Front und dann entlang eines Korridors der Armee bis hierher geschafft haben. IS-Kämpfer könnten versuchen, sich unter die Flüchtlinge zu mischen. Es gibt erste Berichte aus Mossul von Dschihadisten, die ihre Bärte rasieren und die Kleidung wechseln, um nicht als Islamisten aufzufallen.

„Die Dschihadisten sind aus unserem Dorf im Süden Mossuls geflohen. Die haben die Belagerung der irakischen Truppen nachts durchbrochen“, berichtet der Flüchtling Abu Dschowaher. „Wir blieben eingeschlossen, ohne Wasser, ohne Nahrung.“ Der 27-Jährige und weitere Dorfbewohner entschlossen sich zur Flucht, während andere zurückblieben, um auf die Schafe des Dorfes aufzupassen.

Während Dschowaher von seiner Flucht erzählt, rast ein Rettungswagen mit heulenden Sirenen vorbei. Er kommt von der nur wenigen Kilometer entfernten Front. Dem Rettungswagen folgt ein Kleinlaster, vollbesetzt mit Flüchtlingen. Ein Mann am Heck des Pick-ups schwingt in einer Hand noch immer die weiße Fahne, die der Schicksalsgemeinschaft die sichere Passage durch die Front sichern sollte.

Auch Ahmed Maschid ist unter den Flüchtlingen. Er war im Juni 2014 von IS-Kämpfern gezwungen worden, sie auf der Flucht aus Maschids Heimatstadt Samarra zu begleiten. „Sie haben uns befohlen, in ein Dorf nahe Mossul zu ziehen, unter ihre Gewalt, in ihr Kalifat“, sagt Maschid. Mehr als zwei Jahre später ist er endlich frei.

Bislang höchste Zahl an Flüchtlingen seit Beginn der Mossul-Offensive

Die irakische Regierung hat am Dienstag binnen eines Tages so viele Flüchtlinge gezählt wie nie zuvor seit Beginn der Offensive auf die Großstadt Mossul. Am neunten Tag der Offensive seien mehr als 3300 Menschen registriert und in Flüchtlingslager gebracht worden, erklärte am Mittwoch der für Migration und Vertreibung zuständige Minister Jassem Mohammed al-Dschaff.

Bevor die USA und Großbritannien ihren Angriffskrieg gegen den Irak in 2003 starteten war Mossul eine multireligiöse Metropole. Seit dem Sturz des damaligen Machthabers Saddam Hussain herrscht das Chaos und Terrormilizen wie der IS unterdrücken die Bevölkerung. In Mossul, der zweitgrüßten Stadt des Landes und Umgebung, leben nach UN-Angaben rund 1,5 Millionen Menschen, weshalb die Sorge groß ist vor einer durch die Kämpfe verursachten humanitären Katastrophe.

Das UN-Flüchtlingswerk erwartet in den kommenden Tagen zehntausende Flüchtlinge und richtet deshalb Lager mit 30.000 Zelten und Platz für rund 150.000 Menschen ein. Seit Beginn der Offensive am 17. Oktober zählten die UN insgesamt 8940 Flüchtlinge. (afp/so)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion