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Analyse

plus-iconGrenzen der US-Pendeldiplomatie

Ukraine-Gipfel: Kein Frieden zu Weihnachten

Zwei Tage lang Marathonsitzung im Berliner Kanzleramt. Es ging um Frieden in der Ukraine. Am Tisch: Amerikaner, Europäer, die Ukraine – aber keine Russen. Die Hauptprobleme blieben ungelöst. Der Wunsch von US-Präsident Trump, bis Weihnachten Frieden zu erreichen, bleibt unerfüllt. Was wurde dennoch erreicht?

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Am Abend des 15. Dezember kommen europäische Staats- und Regierungschefs im Kanzleramt mit Merz, Selenskyj und Vertretern der US-Verhandlungsdelegation zusammen.

Foto: Kay Nietfeld/dpa-Pool/dpa

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Lesedauer: 9 Min.

Das Treffen der USA mit ukrainischen und europäischen Staats- und Regierungschefs wird von den Teilnehmern als positiv gewertet, nachdem sich eine Reihe von Staaten bereit erklärt hat, der Ukraine Sicherheitsgarantien im Fall eines Friedensabkommens zu gewährleisten.
Das ist aber der zweite Schritt vor dem ersten. Denn in der Ukraine wird im vollen Umfang an den Frontlinien weitergekämpft und beide Seiten beschießen sich vornehmlich nachts mit Drohnen. Ein Waffenstillstand ist bislang nicht einmal annähernd in Sicht. Alle schwierigen Probleme zwischen der Ukraine und Russland bleiben weiterhin ungelöst.
Dennoch postete Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Montagabend, 15. Dezember, auf Englisch bei X: „Now is the time for peace.“ (Jetzt ist es Zeit für Frieden.)

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Sicherheitsgarantien für die Zeit nach den Kämpfen

Bemerkenswert bleibt, dass sich zehn Staats- und Regierungschefs sowie die beiden amerikanischen Topverhandler Steve Witkoff und Jared Kushner auf eine Erklärung einigen konnten, wie der Ukraine geholfen werden kann, sobald ein Friedensabkommen erreicht ist. Zudem waren NATO-Chef Mark Rutte und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Berlin anwesend.
Folgende europäische Staaten, die sich selbst auch „Koalition der Willigen“ nennen, sind bereit, der Ukraine Sicherheitsgarantien zu geben: Deutschland, Finnland, Schweden, Dänemark, Italien, die Niederlande, Norwegen, Polen, Frankreich und Großbritannien.
In ihrer gemeinsamen Erklärung bestehen die Teilnehmerstaaten darauf, dass die Ukraine auch in Friedenszeiten eine Armee von 800.000 Soldaten unterhalten soll, „um Konflikte abschrecken und das Territorium der Ukraine verteidigen zu können“. In einem früheren amerikanischen Friedensplan vom November war noch die Rede von einem Abbau der Streitkräfte der Ukraine auf mindestens 600.000 Mann.

Von Europa geführte Truppe

Außerdem soll eine „von Europa geführte“ und von den USA unterstützte multinationale Truppe zur Unterstützung der ukrainischen Armee und zur Verteidigung des Luftraums und der Küsten der Ukraine aufgestellt werden.
Die USA hätten sich zudem bereit erklärt, unter ihrer Führung einen künftigen Waffenstillstand zu überwachen. Dafür soll ein „Mechanismus zur Überwachung und Überprüfung des Waffenstillstands“ entwickelt werden, um „frühzeitig vor zukünftigen Angriffen zu warnen“. Zudem sollen Mechanismen erarbeitet werden, mittels derer Konfliktvermeidung und Deeskalation frühzeitig erreicht werden können.
Die Koalition der Willigen würde sich weiterhin „rechtlich bindend“ bereit erklären, „im Falle eines bewaffneten Angriffs auf die Ukraine“ nach einem Friedensabkommen „Maßnahmen zu ergreifen, die zur Wiederherstellung von Frieden und Sicherheit“ dienen sollen.
Allerdings stehen diese „rechtlich bindenden Verpflichtungen“, die am Montag in Berlin ausgesprochen wurden, ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Zustimmung der nationalen Parlamente. Insofern bleibt es ungewiss, ob wirklich alle Staaten der Koalition der Willigen sowie die USA Sicherheitsgarantien im vollen Umfang gewährleisten können.

Ukraine soll in die EU

Auch über den Wiederaufbau der Ukraine hat sich die Runde in Berlin bereits Gedanken gemacht. Von „Bereitstellung umfangreicher Ressourcen“ ist die Rede sowie von „gegenseitig vorteilhaften Handelsabkommen“.
Dabei soll berücksichtigt werden, „dass Russland der Ukraine den verursachten Schaden ersetzt“. Um dies zu gewährleisten, sei russisches Staatsvermögen seit Beginn des Krieges in europäischen Banken eingefroren worden, heißt es in der Erklärung. Die Europäer spielen schon lange mit der Überlegung, dieses russische Vermögen für die Ukraine auszugeben. Bislang überwogen jedoch die rechtlichen Bedenken gegen einen solchen Schritt.
Schließlich waren sich die zehn europäischen Staats- und Regierungschefs der Berliner Runde darin einig, den Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union zu fördern.

Pendeldiplomatie geht weiter

Da trotz des Berliner Verhandlungsmarathons und ebenso langer Gespräche zuvor in Florida und in Abu Dhabi immer noch kein Frieden zwischen der Ukraine und Russland erreicht worden ist, stellt sich die Frage: Was sind solche Verhandlungen überhaupt wert? Frustriert über die verhärteten Positionen zwischen Russland und der Ukraine sprach der amerikanische Präsident Donald Trump jüngst mehrfach davon, er habe keine Lust mehr, Zeit zu verschwenden.
Ein Grund für die umfangreich gewordenen Verhandlungen zwischen den beiden Kriegsparteien besteht darin, dass sich die USA für eine klassische Pendeldiplomatie im Stil des einstigen US-Außenministers Henry Kissinger entschieden haben.
Die USA sind demzufolge das Zentrum der Verhandlungen, in dem alle Fäden zusammenlaufen. Die USA verhandeln mal mit den Russen und mal mit den Ukrainern, jeweils separat, ein andermal mit den drei maßgeblichen EU-Staaten Deutschland, Großbritannien und Frankreich separat, dann wieder gemeinsam mit den Europäern und der Ukraine wie jetzt in Berlin. Auf diese Weise entsteht eine Fülle an Versionen verschiedenster Vorschläge und Vereinbarungen, bei denen es nicht leicht ist, den Überblick zu bewahren. Dies mag ein weiterer Grund für Putin sein, sich ausschließlich auf Trumps Vorschläge einzulassen.
Denn nach der Berliner Runde ist es nun wieder an dem Sonderbeauftragten Witkoff und Donald Trumps Schwiegersohn Kushner, die Berliner Vorschläge den Russen vorzulegen. Dabei ist zu berücksichtigen: Um diese umzusetzen, muss erst ein Friedensabkommen unterzeichnet werden. Dazu hat die Berliner Runde jedoch nichts beigetragen. In Berlin ging es hingegen hauptsächlich darum, Ängste und Sorgen der Ukraine für die Zeit nach einem Waffenstillstand und einem Friedensabkommen auszuräumen.

Ignorieren Europäer Putin?

Wenn indessen in Berlin die schon lange im Gespräch gewesene multinationale Friedenstruppe für die Zeit danach beschlossen wurde, geschah dies – wieder einmal – ohne Beteiligung Russlands. Denn diese Friedenstruppe sieht explizit Soldaten aus NATO-Ländern vor, obwohl Russland eine solche Zusammensetzung mehrfach als unakzeptabel abgelehnt hat. Bevor man jedoch den zweiten Schritt vor dem ersten unternimmt, muss als oberste Priorität geklärt werden, wie sich die Ukraine zu den Forderungen Russlands nach Gebietsabtretungen im Südosten verhält.
Solange keine Einigung zwischen Kiew und Moskau über die Zukunft der von Russland besetzten ukrainischen Gebiete im Donbass erzielt worden ist, sind alle weiteren Überlegungen Makulatur. Und so bleibt es dem Geschick der US-Chefverhandler Witkoff und Kushner überlassen, der Ukraine eine Zustimmung zur Abtretung der Gebiete, etwa mittels der Einrichtung einer „wirtschaftlichen Freihandelszone“, abzuringen und damit gleichzeitig Putin zufriedenzustellen.
Die britische Tageszeitung „The Guardian“ will erfahren haben, dass sich die amerikanische Verhandlungsführung „zu 90 Prozent sicher“ sei, dass man sich auf dem Weg zu einer Einigung befinde. Selenskyj hingegen hat auch in Berlin wieder bekräftigt, dass die Ukraine das besetzte Gebiet „niemals als russisch anerkennen“ werde. Auch werde es keine wirtschaftlichen Freihandelszonen unter russischer Kontrolle geben.

Fazit: Wann schmeißt Trump hin?

Solange alle Seiten auf ihren Maximalforderungen beharren, wird es keinen Frieden zwischen der Ukraine und Russland geben können, unabhängig von Pendeldiplomatie und der vermeintlichen 90-prozentigen Sicherheit aus diplomatischen Kreisen.
Bleibt zusätzlich die Frage, wie lange der US-Präsident noch bereit ist, sich für die Beendigung des Krieges einzusetzen. Einen ernsten Hinweis darauf gab Trump vor einer Woche, als er in einem Interview mit der Zeitung „Politico“ europäische Politiker als „schwach“ bezeichnete und andeutete, sich aus den Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zurückzuziehen.
Tom Goeller ist Journalist, Amerikanist und Politologe. Als Korrespondent hat er in Washington, D.C. und in Berlin gearbeitet, unter anderem für die amerikanische Hauptstadtzeitung „The Washington Times“. Seit April 2024 schreibt er unter anderem für Epoch Times. Ferner war er von 1995 bis August 2023 Reserveoffizier im Dienstgrad Oberstleutnant und nahm an Auslandseinsätzen teil, unter anderem zehn Monate im Irak.

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