Die EU will die eingefrorenen russischen Guthaben nutzen – Moskau droht mit Vergeltung

Russland spricht von Diebstahl – die EU davon, dass Moskau für die Schäden in der Ukraine zahlen muss. Die Vorgehensweise der EU könne die „Büchse der Pandora“ öffnen, warnen verschiedene Stimmen.
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Die drittgrößte Yacht der Welt „Dilbar“ gehört (vermutlich) dem russischen Oligarchen Alisher Usmanov.Foto: Clive Brunskill/Getty Images
Von 1. November 2023

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Auf dem Gipfeltreffen des Europäischen Rates am 26. und 27. Oktober wurde erklärt, dass Russland für die durch den Krieg gegen die Ukraine verursachten Schäden verantwortlich sei. So soll das Land mit den in den Banken der EU gelagerten und eingefrorenen russischen Guthaben für den Wiederaufbau der Ukraine bezahlen.

Während des Treffens ging es um die Genehmigung eines Plans, der vorsieht, Milliarden Euro aus den durch die Sanktionen eingefrorenen russischen Vermögenswerten zu verwenden – und zwar ohne jegliche Einigung mit Russland. Das Vorhaben wurde nicht nur genehmigt, sondern soll nach einem Bericht der „Financial Times“ bereits Anfang Dezember von der Europäischen Kommission umgesetzt werden.

Damit haben die Staats- und Regierungschefs der EU einen Schritt unternommen, über den schon seit mehr als einem Jahr gesprochen wird – den aber niemand gewagt hat. Zum einen aus Angst vor einer russischen Reaktion, zum anderen auch, weil es eine ganze Reihe rechtlicher Bedenken gab und gibt.

Russlands Antwort lässt auch nicht auf sich warten. „Der Diebstahl eingefrorener russischer Vermögenswerte durch den Westen erfordert eine symmetrische Antwort“, warnte der Sprecher der russischen Staatsduma, Wjatscheslaw Wolodin, auf seinem Telegram-Kanal.

Mehr als 3,5 Millionen russische Bürger betroffen

Bis heute wurden durch die westlichen Sanktionen rund 300 Milliarden Dollar russisches Staatsvermögen eingefroren. Diese Gelder werden von mehreren Institutionen treuhänderisch verwaltet. Etwa 180 Milliarden Euro der russischen Zentralbank werden von Euroclear, dem weltweit größten Wertpapierverwahrer mit Sitz in Brüssel, gemanagt.

Aus den am 26.10. veröffentlichten Ergebnissen des Zentralverwahrers geht nach Angaben von „Bloomberg“ hervor, dass die gesperrten Vermögenswerte bis zum dritten Quartal dieses Jahres Erträge in Höhe von etwa 2,9 Milliarden Euro erbracht haben.

Dieser Betrag wäre in der ersten Verordnungsrunde von den EU-Maßnahmen betroffen. Die EU-Initiative konzentriert sich darauf, sogenannte „Zufallsgewinne“ aus eingefrorenen Vermögenswerten zu nutzen. Diese sind Erträge, mit denen zuvor nicht gerechnet wurde, sie entstanden beispielsweise durch Kurssteigerungen.

Die „Büchse der Pandora“ öffnen?

Der Plan zur Verwendung der beschlagnahmten Vermögenswerte könnte beträchtlichen Trubel auslösen – und das nicht nur in Russland. Es ist kein Zufall, dass als erster Schritt nur über die Verwendung von Zufallsgewinnen diskutiert wird.

Auch deutsche Politiker haben Bedenken, so ein anderer Bericht der „Financial Times“. Bereits Ende Juni sagte dort eine Quelle, die sich nicht zu erkennen geben wollte, dass der deutsche Justizminister Marco Buschmann die EU-Vorschläge zur Verwertung russischer Zentralbankguthaben geprüft habe, sie aber für „rechtlich nicht durchführbar“ halte.

Ein anderer deutscher Beamter warnt, dass die Beschlagnahme russischer Zentralbankguthaben und die Verwendung der Gewinne aus der Anlage dieser Gelder einen unvorhersehbaren Prozess in Gang setzen würde. Es könne zu einem Präzedenzfall für andere Länder werden und damit die „Büchse der Pandora“ öffnen. „Polen zum Beispiel könnte von Berlin Entschädigungen für die im Zweiten Weltkrieg erlittenen Verluste fordern“, zitiert ihn das Wirtschaftsportal „vg.hu“.

Es gibt noch andere Ideen

Die rechtliche Machbarkeit konkreter Schritte bleibt noch unklar. Die Europäische Kommission arbeitet daran, bis Dezember die Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Verwendung der Sondereinnahmen zu klären. In der Zwischenzeit wird Euroclear zweistellige Millionenbeträge an Verwaltungsgebühren für die Einlage erheben.

Auch andere Ideen wurden ins Gespräch gebracht. Ob, wie viel oder wie sie in die Praxis umgesetzt werden können, ist ungewiss. So ist zum Beispiel die Rede von der Erhebung einer zusätzlichen Gewinnsteuer.

Ende August wurde auch davon gesprochen, dass Russland die im Land eingefrorenen Vermögenswerte von Ausländern im Tausch gegen eingefrorene russische Vermögenswerte zurückgeben soll. Die russische Regierung und die Zentralbank haben einen Entwurf für ein entsprechendes Dekret vorbereitet.

Diese Ankündigung von Finanzminister Anton Siluanow in Moskau erfolgte am 22. August. Sie schließt sich an die Ankündigung von Elvira Nabiullina an, der Chefin der russischen Zentralbank. Sie hatte bereits im Juni erklärt, dass sie bereit sei, die Möglichkeit eines Austauschs eingefrorener Vermögenswerte zu prüfen.

Die Situation ist angespannt, da parallel zum EU-Streit mehrere Zivilklagen in Russland erhoben worden sind. Wie „vg.hu“ berichtet, sind laut Gerichtsakten derzeit mehr als 40 Klagen auf eingefrorene Vermögenswerte im Wert von rund 2,1 Milliarden Dollar anhängig.

Das Ziel der Verfahren ist die sofortige Freigabe der Vermögen. Bei den Klägern handelt es sich angeblich meist um große Unternehmen wie die Sberbank (die größte Finanzinstitution in Russland mit etwa einem Drittel aller Bankvermögen im Land), die Rosbank (eine russische Bank im Besitz der Societe Generale, einem französischen multinationalen Bank- und Finanzdienstleistungsunternehmen) und Pervaya Management (Vermögensverwaltung in Moskau).

Russland wird „wesentlich mehr westliches Vermögen“ konfiszieren, wenn dies durchgesetzt wird

Der Präsident der russischen Staatsduma, Wjatscheslaw Wolodin, hat auf seinem Telegram-Kanal auf das EU-Vorhaben mit deutlichen Worten geantwortet. Am 29. Oktober warnte er vor „viel größeren Gegenmaßnahmen“ im Falle eines „Diebstahls“ eingefrorener russischer Vermögenswerte aus dem Westen.

Der Politiker führte einleitend aus, dass einige europäische Politiker, „angeführt von Ursula von der Leyen“, der Präsidentin der Europäischen Kommission, „alles tun, um ihr Mandat zu behalten“. Im Wesentlichen „berufen sie sich auf die schlechte finanzielle Lage ihrer eigenen Staaten“, in die sie ihre Länder „selber hineingeführt“ haben, so Wolodin. Und dies sei auch der Grund, warum sie „wieder angefangen haben, über den Diebstahl der eingefrorenen Guthaben Russlands zu sprechen – um mit diesem Geld die Militarisierung Kiews fortzusetzen“.

Sollte der „Missbrauch“ russischer Vermögenswerte stattfinden, würden „viel mehr Vermögenswerte unfreundlicher Länder beschlagnahmt werden“ als die in Europa eingefrorenen russischen Gelder. Die russische Liste der „unfreundlichen Länder“ sei ziemlich lang und umfasse alle Staaten, die Sanktionen gegen Russland verhängt haben.

Die russische Außenamtssprecherin Maria Zakharova bezeichnete das Einfrieren der russischen Gelder als buchstäblichen „Diebstahl“. Elvira Nabiullina, Präsidentin der russischen Zentralbank, verwies darauf, dass die russischen Behörden schon dabei sind, entsprechende Klagen vorzubereiten. Beides berichtete „RIA Novosti“, die staatliche Nachrichtenagentur Russlands.



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