Jörg Berger: „Meine zwei Halbzeiten. Ein Leben in Ost und West“

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Foto: Thomas Starke/Bongarts/Getty Images
Von 25. Oktober 2009

Republikflucht“ – dieses Wort ist an sich schon grotesk, wobei es „grotesk“ auch nicht ausreichend beschreiben kann. „Beschämend“ ist auf jeden Fall eine weitere Charakterisierung einer solchen Handlung. Der Sinn und Inhalt des Wortes „Republikflucht“ war jedenfalls eine in der ehemaligen DDR strafbare Handlung. Es meint, dass ein Mensch vor den Machthabern flüchtet und versucht, koste es was es wolle – auch wenn es das eigene Leben ist – aus diesem Land in ein anderes Land „abzuhauen“. Bestraft wurde die „Republikflucht“ mit Zuchthaus. Oder man wurde, wenn man von den Schergen bei der Flucht entdeckt wurde, an der Mauer einfach hinterrücks abgeknallt wie ein räudiger Hund. Manchem gelang die Flucht nicht und die, die noch lebend gefangen wurden, bekamen nach dem gescheiterten Versuch die Knute zu spüren. Manche schafften es aber dennoch.

Einer von denen, die es geschafft haben, ist Jörg Berger. Er gehörte damals im Osten vor seiner Flucht als erfolgreicher Fußballtrainer zwar zu den Privilegierten dieses Systems, doch wuchs in jener Zeit seine Unzufriedenheit ständig darüber, dass sich die Stasi stets in sein Leben einmischte.

Deshalb entschloss er sich 1979 zu einer riskanten Flucht in die Bundesrepublik. Mit einem von der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Belgrad ausgestellten „Reisepass-Ersatz“, der auf den Namen Gerd Penzel ausgestellt wurde und in dem als Grund der Reise „Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland“ eingetragen wurde, trat Berger die gefahrvolle Reise in den Westen an.

Dort angekommen, musste er wieder ganz von vorne beginnen. Sogar das Gießener Aufnahmelager für geflüchtete DDR-Bürger blieb ihm nicht erspart. Doch Berger kämpfte sich nach oben und wurde zu einem der angesehensten Trainer der Bundesliga. Er betreute bis jetzt 16 verschiedene Clubs und machte sich insbesondere als „Retter vor dem Abstieg“ einen Namen. Engagements im Ausland führten ihn in die Schweiz und in die Türkei.

Jörg Berger bei seiner bisher letzten Trainerstation bei Arminia Bielefeld im Mai diesen Jahres.Jörg Berger bei seiner bisher letzten Trainerstation bei Arminia Bielefeld im Mai diesen Jahres.Foto: Thomas Starke/Bongarts/Getty Images

In seinem Buch „Meine zwei Halbzeiten“ erzählt er, wie er bei den Verbands- und Stasi-Funktionären in Ungnade fiel. Natürlich ist dies eine Geschichte, wie sie sich nur in totalitären Regimen abspielen kann, denn der Hauptgrund, warum er misstrauisch bespitzelt wurde, waren seine damaligen Eheprobleme. Die Logik der Funktionäre kann man durchaus mit außergewöhnlich bezeichnen, denn sie schlossen aus den Unstimmigkeiten mit seiner Frau, Berger könne eine Neigung zu Kurzschlussreaktionen haben, was ihn wiederum dazu veranlassen könnte, in den Westen zu flüchten.

Berger schildert weiterhin auf eindrucksvolle Art und Weise, wie das Sportsystem im „Arbeiter- und Bauernstaat“ und das Sponsoring der Fußballvereine funktionierte und auch, dass die Bespitzelung allgegenwärtig war. Offen und ohne Bitterkeit beschreibt er ebenfalls die absurde Einmischung semi-intellektueller Genossen in die Arbeit eines Trainers.

Ebenso illustriert er die Schwierigkeiten, mit denen er im Westen zu kämpfen hatte. Dieses Buch ist lebendig und voller Anekdoten und es ist mehr als nur die Geschichte eines Fußballtrainers. Es ist ein Stück Geschichte unseres Landes, es ist die Dokumentation des Lebens eines Zeitzeugen im geteilten Deutschland. Das Buch kann auch eine Mahnung sein, denn Berger veranschaulicht noch einmal sehr deutlich, wie er scheinbar sicher im Westen immer noch Angst vor der Stasi hatte, die ihn, wie er später aus seinen Akten erfuhr, weiterhin überwachte und bespitzelte und ihn gar außer Gefecht setzen wollte. Dass es ihm auch im freien Teil unseres Landes noch an den Kragen hätte gehen können und dass er Glück hatte, zeigt das Beispiel von dem kurz vor ihm geflüchteten Dynamo-Spieler Lutz Eigendorf, der von der Stasi im Westen ermordet wurde.

Jörg Berger spart schließlich auch das Drama seiner dritten Halbzeit in diesem Buch nicht aus, denn wenige Stunden vor dem Spiel Aachen gegen Berlin 2002 konfrontierte ihn sein Arzt mit der Diagnose Darmkrebs.

Jörg Berger: „Meine zwei Halbzeiten. Ein Leben in Ost und West“, erschienen bei Rowohlt 2009, ISBN: 978-3-498-00654-9.

Foto: Thomas Starke/Bongarts/Getty Images

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