Vorwürfe gegen Union und Medien
Abtreibungsdebatte, Medienkritik, Fraktionsärger - Brosius-Gersdorf zieht ihre Kandidatur zurück
Die designierte SPD-Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf, hat überraschend ihre Bewerbung zurückgezogen. In einer persönlichen Erklärung macht sie der Union, den Medien und gezielten Kampagnen schwere Vorwürfe. Ihr Rückzug markiere, so Kritiker, einen Wendepunkt im Umgang mit politischem und medialem Druck auf Bewerber für höchste Staatsämter.

Die Wahl der Potsdamer Rechtswissenschaftlerin Frauke Brosius-Gersdorf scheiterte Mitte Juli am Widerstand der Union. (Archivbild)
Foto: Britta Pedersen/dpa
In Kürze:
- SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf zieht überraschend ihre Bewerbung fürs Bundesverfassungsgericht zurück
- Scharfe Kritik an CDU/CSU und medialen Kampagnen
- Streit um Aussagen zum Lebensschutz und Vorwürfe politischer Instrumentalisierung
- Rückzug könnte Auswirkungen auf zukünftige Richterwahlen haben
Die von der SPD nominierte Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht, Frauke Brosius-Gersdorf, hat am Donnerstag, 7. August, überraschend ihre Bewerbung zurückgezogen. Nachdem die an der Universität Potsdam lehrende Juristin dies am frühen Nachmittag verkündet hatte, verschickte ihre Anwaltskanzlei Quaas & Partner eine persönliche Erklärung an die Medien.
In dieser macht Brosius-Gersdorf vor allem der Union schwere Vorwürfe und erklärt, durch den Rückzug ihrer Kandidatur die übrigen beiden nominierten Kandidaten nicht beschädigen zu wollen. Zudem wolle sie verhindern, dass der Koalitionsstreit um die Richterwahl eskaliere „und eine Entwicklung in Gang gesetzt wird, deren Auswirkungen auf die Demokratie nicht absehbar sind“.
Brosius-Gersdorf: Union habe nie das Gespräch gesucht
Die Juristin bedankte sich bei ihren Unterstützern. Sie würdigte das Verhalten der SPD-Bundestagsfraktion, die ihr bis zuletzt geschlossen Rückendeckung gegeben hatte. Ähnlichen Zuspruch habe es auch von den Fraktionen der Grünen und der Linken gegeben. Brosius-Gersdorf gab auch ihrer Einschätzung Ausdruck, dass ihr TV-Gespräch mit Markus Lanz eine versachlichte und auf Inhalte ausgerichtete Debatte ermöglicht habe.
Demgegenüber sei es der CDU/CSU-Fraktion „nicht gelungen, sich mit meinen Themen und Thesen inhaltlich auseinanderzusetzen“. Sie hätte sich, so deutet Brosius-Gersdorf an, eine Einladung in eine Fraktionssitzung zum Zwecke der Aussprache gewünscht. Stattdessen habe man sich in der Union an einem Satz hochgezogen, den sie in einem Aufsatz zur gesetzlichen Regelung des Schwangerschaftsabbruchs geschrieben habe:
„Es gibt gute Gründe dafür, dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt.“
Der Satz sei aus dem Zusammenhang gerissen worden, um die Juristin als „lebenskritisch“ und Befürworterin eines legalen Schwangerschaftsabbruchs bis zur Geburt zu porträtieren. Tatsächlich sei es ihr nur darum gegangen, juristische Argumente für eine abgestufte Intensität des strafrechtlichen Schutzes Ungeborener zu bewerten.
Juristin wirft CDU und CSU doppelte Maßstäbe vor
Da die Menschenwürde nicht abwägungsfähig sei, wäre die bestehende Gesetzeslage einer unter bestimmten Voraussetzungen legalisierten Abtreibung in den ersten Schwangerschaftswochen aus Sicht der Juristin nicht rechtmäßig. Mit der Position widersprach Brosius-Gersdorf jedoch der 1993 vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Rechtsprechung zum Abtreibungsparagrafen 218 StGB. Darin wird dem Ungeborenen ausdrücklich die Menschenwürdegarantie zugesprochen.
Die Richterin warf der Unionsfraktion vor, in dieser Frage doppelte Standards anzulegen. Sie gebe vor, Brosius-Gersdorf wegen deren Position zum Schwangerschaftsabbruch abzulehnen. Gleichzeitig vertrete man diese selbst, indem man im Koalitionsvertrag einer erweiterten Kostenübernahme „durch die gesetzliche Krankenversicherung“ zustimme. Diese setze voraus, dass der Eingriff in den ersten Schwangerschaftswochen legal sei.
Auch Journalisten inklusive Leitmedien warf die Juristin vor, ihre Positionen verzerrt oder verkürzt wiedergegeben zu haben. Einige seien zumindest anfänglich sogar als „Speerspitzen“ eines „ehrabschneidenden Journalismus“ in Erscheinung getreten. Man habe das Narrativ einer „ultralinken“ und „aktivistischen“ Richterin geprägt, „obwohl die Verantwortlichen wissen mussten, dass hiermit ein wirklichkeitsfremdes Zerrbild gezeichnet wird“. Sogar Juristen hätten ihre Positionen hier entstellt.
Widerstand aus der Unionsfraktion sorgte für Absage der Richterwahl
Brosius-Gersdorf äußert ihr Bedauern darüber, dass „Desinformations- und Diffamierungskampagnen“, zum Teil in sozialen Medien organisiert und zum Teil KI-generiert, sich „Bahn brechen zur Herzkammer unserer Demokratie, dem Parlament“. Man müsse von Unionsabgeordneten erwarten können, dass „Grundlage ihrer Entscheidung nicht ungeprüfte Behauptungen und Stimmungen, sondern Quellen- und Faktenanalysen sind“. Die Politik müsse gegenüber von bestimmten Seiten geführten Kampagnen „Resilienz“ zeigen.
Am 11. Juli wurde die geplante Wahl dreier Richter für das Bundesverfassungsgericht im Bundestag von der Tagesordnung genommen. Grund dafür war, dass mehrere Dutzend Abgeordnete innerhalb der Unionsfraktion gedroht hatten, Brosius-Gersdorf ihre Stimme zu verweigern. Damit wäre die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit möglicherweise nicht zustande gekommen. Zuvor hatten mehrere Medien die öffentlich vertretene Position der Bewerberin kritisiert.
Neben der Position Brosius-Gersdorfs zum Schwangerschaftsabbruch ging es dabei auch um Fragen wie die Impfpflicht oder ein AfD-Verbot. In diesen Bereichen hatte die Juristin ebenfalls öffentlich Positionen vertreten, die Zweifel an der Objektivität und Unvoreingenommenheit ihrer Amtsführung weckten.
Stegner: Brosius-Gersdorf Opfer des „rechten Mobs“
Zuletzt stand Brosius-Gersdorf auch im Mittelpunkt einer öffentlichen Auseinandersetzung mit dem sogenannten Plagiatsjäger Stefan Weber. Dieser behauptete, es gebe Hinweise auf Unregelmäßigkeiten in deren Doktorarbeit. Die Juristin wies dies zurück und schaltete einen Anwalt ein. Auf X äußerte Weber, die SPD werde auch nach dem Rückzug von Brosius-Gersdorf Kandidaten nominieren, die für einen „geplanten linken Überstaat“ stehen.
In sozialen Medien geben Befürworter der Nominierung Unionsfraktionschef Jens Spahn und Abgeordneten wie Saskia Ludwig die Schuld am Aus für die Kandidatur. Demgegenüber sieht SPD-Politiker Ralf Stegner den AfD-Politiker Björn Höcke als die treibende Kraft hinter der Entwicklung des Tages. In der Entscheidung von Brosius-Gersdorf, sich zurückzuziehen, erblickt er „in der Geschichte unserer Republik den ersten großen Triumph des rechten Mobs“.
Reinhard Werner schreibt für Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.
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