Karlsruhe verhandelt über Rechte von Verfassungsschutz in Bayern

Die CSU hat die Verfassungsschützer in Bayern mit bundesweit einmaligen Befugnissen ausgestattet. Freiheitsrechtler befürchten, dass das Beispiel Schule macht - und haben Karlsruhe eingeschaltet.
Titelbild
Bundesverfassungsgericht.Foto: Uli Deck/dpa/dpa
Epoch Times14. Dezember 2021

Zwischen zwei „zentralen Ideen des Grundgesetzes“, dem Schutz von individuellen Freiheitsrechten und der wehrhaften Demokratie muss das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe abwägen.

So formulierte es Gerichtspräsident Stephan Harbarth zu Beginn der mündlichen Verhandlung über das bayerische Verfassungsschutzgesetz am Dienstag. Es ging um die Befugnisse, die der Verfassungsschutz des Freistaats bei der Überwachung und der Weitergabe von Daten hat. (Az. 1 BvR 1619/17)

Das Gesetz war 2016 verabschiedet worden. Dagegen legten drei Mitglieder von Organisationen Verfassungsbeschwerde ein, die im bayerischen Verfassungsschutzbericht erwähnt wurden – die also glauben, dass sie überwacht werden könnten.

GFF sieht Grundrechte verletzt

Koordiniert wird die Beschwerde von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF). Die drei Beschwerdeführer sehen verschiedene Grundrechte verletzt, vor allem ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung, teilweise auch die Unverletzlichkeit der Wohnung und das Fernmeldegeheimnis.

Die Gesetzesnovelle gibt dem bayerischen Verfassungsschutz unter anderem das Recht, unter bestimmten Voraussetzungen in Gefahrensituationen Wohnungen optisch oder akustisch zu überwachen, mithilfe von Funkzellen Handys zu orten, Computer oder Handys online verdeckt zu untersuchen, verdeckte Mitarbeitende und V-Leute einzusetzen und Menschen über mehr als zwei Tage zu observieren.

Außerdem darf der Inlandsgeheimdienst in verschiedenen Situationen Daten weiterverarbeiten oder an öffentliche Stellen weitergeben.

Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es, Extremisten und Spione zu beobachten, damit Gefahren abgewehrt werden können. Sowohl der Freistaat Bayern als auch die GFF verwiesen in Karlsruhe auf den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016, um ihre Argumente zu untermauern.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sprach von einer der Situationen, in denen die Sicherheitsbehörden untereinander zu wenige Informationen ausgetauscht hätten. Er betonte, der Verfassungsschutz unterliege einer „strengen rechtsstaatlichen Kontrolle“.

Der GFF-Vorsitzende Ulf Buermeyer wiederum sieht Anschläge wie den vom Breitscheidplatz als mögliche Konsequenz aus dem „Durcheinander“ der Zuständigkeiten, durch die alle Stellen nur ein partielles Bild von Gefahren bekämen. Er appellierte an das Gericht, das Trennungsprinzip zwischen Geheimdiensten und Polizei weiterzuentwickeln.

Voraussetzung für Handyortung in der Diskussion

In der Verhandlung ging es um verschiedene Definitionen, die in Gesetzestexten auftauchen – etwa die der Gefahrenabwehrbehörde und die Frage, ob der Verfassungsschutz eine solche ist. Zur Wohnraumüberwachung heißt es im bayerischen Gesetz, diese sei bei „tatsächlichen Anhaltspunkten für eine dringende Gefahr“ erlaubt, während das Grundgesetz von einer „Abwehr dringender Gefahren“ spricht.

Außerdem stellten die Richter die Frage, wann eine „schwerwiegende Gefahr“ vorliegt – die Voraussetzung für die Handyortung. Der Direktor des bayerischen Verfassungsschutzes, Burkhard Körner, nannte als ein Beispiel die Einreise im Auftrag der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat. Die Beschwerdeführer dagegen kritisierten, dass der Begriff im Gesetz nicht genau definiert werde.

Zudem wurde diskutiert, ob der Schutz des Kernbereichs – also der Privatsphäre, in die nicht eingegriffen werden darf – in Bayern ausreichend geregelt ist und ob die Maßnahmen unabhängig gut genug kontrolliert werden. Auch V-Leute wurden thematisiert und die Frage, ob ihr Einsatz überhaupt in ein Grundrecht eingreifen kann.

Über alle diese Fragen muss der Erste Senat nun beraten und das Gesetz danach beurteilen. Am Dienstag gab es noch keine Entscheidung. Sie wird erst in einigen Monaten erwartet. (afp/dl)



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