Fleischbranche: Ausbreitung von Virus unter ausländischen Schein-Selbständigen wirft alte Fragen wieder auf

Schon vor der Corona-Krise geriet das Beschäftigungsmodell vieler deutscher Schlachtbetriebe immer wieder in die Kritik. Werkverträge und Scheinselbständigkeit als Subunternehmer werden seit Jahren von der Branche eingesetzt, um Kosten zu drücken. Auch die Unterbringung der Schein-Selbständigen in billigen Sammelunterkünften wird in der Corona-Krise erneut zum Thema.
Epoch Times11. Mai 2020

Die deutsche Schlachtindustrie hat Vorwürfe wegen der auffälligen Ausbreitung von Coronavirus-Infektionen unter ihren Mitarbeitern zurückgewiesen. Die Arbeitsbedingungen der vorwiegend osteuropäischen Angestellten seien nicht der Grund für die Verbreitung des Erregers in den Firmen, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Verbands der Deutschen Fleischwirtschaft, Heike Harstick. Die Landesregierung im besonders betroffenen Nordrhein-Westfalen will trotz der Beteuerungen Schlachthöfe und deren Arbeiter schärferen Kontrollen unterziehen.

Alte Sünden kommen wieder zum Vorschein

Die Kritik an der Branche hatte sich an den mittlerweile 249 nachgewiesenen Corona-Fällen bei Mitarbeitern eines Schlachthofs im nordrhein-westfälischen Landkreis Coesfeld entzündet. Die meisten der als Subunternehmer beschäftigten Arbeiter stammen aus Osteuropa. im Landkreis stieg die Zahl der Infizierten insgesamt deutlich über den von Bund und Ländern beschlossenen Grenzwert an.

Der Fleischverband wies die Vorwürfe auch wegen seiner Funktion als wesentliche Infrastruktur in der Krise zurück. So habe die Fleischindustrie die Produktion nicht wie etwa die Autoindustrie einfach stoppen können, sagte Verbandschefin Harstick der „Süddeutschen Zeitung“ vom Montag. Die Branche habe weiter gearbeitet, um die Nahrungsmittelversorgung zu sichern.

Billiges Fleisch nur mit Billigstarbeit möglich

Harstick wehrte sich auch gegen Forderungen nach härteren Auflagen für die Schlachtindustrie: „Eine schnelle und einfache Lösung gibt es nicht.“ Wenn etwa die Einzelunterbringung von Mitarbeitern vorgeschrieben und damit höhere Wohnungsmieten verursacht würden, seien viele Betriebe nicht mehr wettbewerbsfähig. Teile der Branche würden dann abwandern.

Aus der Politik kamen erneut Forderungen nach schärferen Kontrollen und Vorschriften. Im besonders betroffenen Nordrhein-Westfalen verlangte Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) strengere Arbeitsschutzgesetze für die Branche. Die Betreiber müssten insbesondere mehr Verantwortung für ihre Werkvertragsarbeiter übernehmen, sagte Laumann im Deutschlandfunk.

Schließung und Überprüfung von Betrieben

„Ich möchte jetzt auch keine Vorverurteilung machen, bevor ich die Ergebnisse habe“, sagte Laumann. Aus dem wegen besonders vieler Infektionen aufgefallen Betrieb in Coesfeld aber „wissen wir, dass dieser Schlachthof mit Sicherheit die Hygienestandards, die in der jetzigen Zeit notwendig sind, nicht ernst genug genommen hat“.

Der Minister hat den Schlachtbetrieb in Coesfeld schließen lassen. Landesweit sollen nun alle Mitarbeiter in Schlachthöfen bis Ende der Woche getestet werden, kündigte Laumann an. Er sprach von mehr als 20.000 Menschen. Auch die seit langem kritisierten Unterbringungsverhältnisse der zumeist ausländische Werkvertragsarbeiter sollen demnach untersucht werden, „soweit wir das rechtlich können“.

Beschäftigungsmodell bei Gewerkschaften schon lange in der Kritik

Die Gewerkschaften kritisierten die Zustände in den Unterkünften für Arbeiter. Der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten in Bayern, Mustafa Öz, warf den Fleisch-Unternehmen vor, die deutschen Mindeststandards bei den Arbeitsbedingungen bewusst zu unterlaufen. Dazu stellten sie ausländische Arbeitnehmer nicht direkt an, sondern über Zwischenunternehmen, sagte Öz im BR.

„Unsere Forderung ist klar, dass das Kerngeschäft, die Schlachtung und die Zerlegung , nicht an Werksverträge oder andere externe Dienstleister vergeben werden dürfen“, sagte Öz. „Wenn ich Beschäftigte einstelle, darf ich als Unternehmer doch nicht die Verantwortung abgeben, wie es jetzt gerade in Nordrhein-Westfalen passiert ist.“

Grüne beantragen Aktuelle Stunde

Die Grünen-Fraktion im Bundestag beantragte für die laufende Sitzungswoche eine Aktuelle Stunde zu den Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie. „Es kann nicht sein, dass sich Chefetagen von Schlachtkonzernen über Subunternehmensgeflechte aus der Verantwortung stehlen“, erklärte Britta Haßelmann, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen. Sie forderte ebenfalls schärfere Kontrollen und besseren Arbeitsschutz. (afp/al)



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