Bundesnetzagentur-Chef Müller: „Gas bleibt teuer“

Der Chef der Bundesnetzagentur will Verbraucher bei Gaskanppheit priorisieren und die Deutsche Industrie- und Handelskammertag befürchtet einen Konjunkturabsturz bei einem russischen Gasliefer-Stopp.
Die Ostseepipeline Nord Stream 2 wurde wegen des Kriegs in der Ukraine nie in Betrieb genommen.
Die Ostseepipeline Nord Stream 2 wurde nach Fertigstellung nicht in Betrieb genommen.Foto: Stefan Sauer/dpa
Epoch Times9. Juli 2022

Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, rechnet mit dauerhaft hohen Gaspreisen in Deutschland. „Auch wenn wir in keine Gasnotlage kommen, bleibt das Gas teuer“, sagte Müller dem Nachrichtenmagazin „Focus“.

Dabei seien die Folgen der aktuellen Gasknappheit preislich bei den Verbrauchern noch gar nicht angekommen. „Das kann für eine Familie schnell eine Mehrbelastung von 2.000 bis 3.000 Euro im Jahr bedeuten. Da ist die nächste Urlaubsreise oder die neue Waschmaschine dann oft nicht mehr drin.“ Deutschland drohe eine „Gasarmut“.

Sollte die Bundesregierung die dritte und letzte Stufe im Notfallplan Gas ausrufen, agiert die Bundesnetzagentur als Bundeslastverteiler – sie entscheidet also, wer wie viel Gas bekommt. Sogenannte „geschützte“ Kunden, darunter auch private Haushalte, haben dann Vorrang. Einer Bevorzugung der Industrie erteilte Müller im „Focus“ erneut eine Absage. „Die Priorisierung der Verbraucher ist richtig.“

Unternehmen, die kein Gas mehr erhalten, würden zwar entschädigt, Müller rechnet aber trotzdem mit einer Vielzahl von Klagen. Die deutschen Industriebetriebe spürten die hohen Preise schon jetzt und stünden in Konkurrenz zu Unternehmen aus Asien oder den USA, wo das Gas günstiger ist.

DIHK befürchtet Konjunkturabsturz bei Gasliefer-Stopp

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag befürchtet bei einem Totalausfall russischer Gaslieferungen eine tiefe Rezession in Deutschland. Präsident Peter Adrian sagte der Deutschen Presse-Agentur, der DIHK schließe nicht aus, dass die Wirtschaftsleistung in einem solchen Fall in den Wintermonaten sogar um einen zweistelligen Prozentwert abstürzen könne.

„Wir stehen im Moment vor dem großen Problem, dass uns möglicherweise in einigen Monaten die Gasversorgung zusammenbricht“, sagte Adrian. „Die Uhr tickt. Wir müssen als Unternehmer auch immer den Worst Case denken. Wir müssen leider mit dem Szenario umgehen, dass es nach der Wartung ab 21. Juli aus Nord Stream 1 erst mal kein Gas mehr gibt. Das wäre der Supergau.“ Die geplanten Terminals für Flüssiggas (LNG) in Deutschland seien bis zum Winter nicht einsatzfähig. „Das heißt im Klartext: Wir bekommen ein großes Energieproblem“, so Adrian.

„Viele Betriebe müssten ohne Gas-Bezug ihre Produktion einstellen. Wenn dieser Fall eintritt, dann befürchte ich ganz klar eine Rezession. Dann werden wir einen wirtschaftlichen Abschwung erleben, der sich deutlich von dem unterscheidet, was wir in der Finanzkrise hatten.“ In der Finanzkrise 2009 war das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland um 5,7 Prozent gesunken, 2020 coronabedingt um 4,6 Prozent.

Am Montag (11. Juli) sollen jährliche Wartungsarbeiten an der Ostseepipeline Nord Stream 1 beginnen, die in der Regel zehn Tage dauern. Es wird in der Politik und in den Medien anhaltend darüber spekuliert, dass Russland nach der Wartung den Gashahn nicht wieder aufdreht.

Der Kreml bestreitet den Vorwurf. „Wir weisen voll und ganz jedwede Andeutungen oder direkte Mitteilungen zurück, dass die russische Seite Gas oder Öl als Waffe für einen politischen Druck benutzt“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Freitag. Russland erfülle alle Verpflichtungen gemäß der Verträge. „Und Russland ist vor allem in der Lage, die volle Energiesicherheit Europas zu gewährleisten.“

Umstellung auf andere Energien

Um Gas zu sparen, gebe es in einer ganzen Reihe von Betrieben die Möglichkeit, Anlagen nicht mit Gas, sondern mit anderen Energien wie Kohle oder Öl zu betreiben. „Aber bei der Umstellung von Gas auf andere Energieträger stehen die Unternehmen vor rechtlichen Hindernissen: Denn die Behörden verlangen dafür oft eine neue Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz, wenn etwa wieder vorübergehend mit Öl oder Kohle statt mit Gas produziert oder geheizt werden soll“, erklärte Adrian.

Zwar gebe es gesetzliche Nachbesserungen, sagte Adrian. „Aber es bleiben große Unsicherheiten. Die Bundesregierung muss diese Betriebe jetzt in die Lage versetzen, in der aktuellen Notsituation zweifelsfrei auf solche Alternativen zurückgreifen zu können. Denn das hilft nicht nur den betroffenen Unternehmen selbst, ihre Produktion aufrechtzuerhalten.“ Das entlaste auch die Gasmärkte.

„Mit solcher Bürokratie machen wir uns in Deutschland das Leben schwer, in Notzeiten fällt uns das besonders auf die Füße“, so Adrian. Wir müssen jetzt in einem mutigen Rundumschlag allen bürokratischen Ballast über Bord werfen, der uns in dieser akuten Situation und auch bei der laufenden Transformation unserer Wirtschaft behindert.“ (dpa/red)



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