Atlantis des Orients: Uralte Stadt Zachiku aus dem Tigris aufgetaucht

Der sinkende Wasserspiegel des Mosul-Stausees (Irak) legte in den letzten Jahren unerwartet die Überreste der antiken Stadt Zachiku frei, die von einer der geheimnisvollsten Kulturen des Orients erbaut wurde.
Titelbild
Luftaufnahme der Ausgrabungen von 22 in Kemune.Foto: Universitäten Freiburg und Tübingen, KAO
Von 3. August 2022

Im Norden des Iraks liegt die Region Kurdistan – ein gebirgiges Gebiet mit semiaridem Klima. Durchquert wird dieses Gebiet von dem Fluss Tigris, der zusammen mit dem Euphrat das sogenannte Zweistromland umschließt – jenes bedeutende Gebiet, in dem die ersten Hochkulturen mit Städten und Palästen entstanden. Eine dieser Städte ist Kemune. Wissenschaftler entdeckten sie 2013 im Mosul-Stausee, der vom Tigris mit Wasser gespeist wird. Aufgrund von Trockenheit sank der Wasserspiegel erheblich und die Überreste der uralten imposanten Stadt kamen zum Vorschein.

Aber erst im Jahr 2018 war der Wasserstand des Stausees so niedrig, dass deutsche und kurdische Archäologen die Überreste erstmals ausgruben. Neben einer Palastanlage entdeckten die Forscher dort die Reste von schillernd bunten Wandmalereien und zehn Keilschrifttafeln aus Ton. Ersten Schätzungen zufolge stammten diese Hinterlassenschaften aus dem bronzezeitlichen Mittani-Reich (ca. 1550 bis 1350 vor Christus), einem der am wenigsten erforschten Kulturen des Alten Orients.

Verbreitungskarte des Mittani-Reiches. Foto: Enyavar | CC BY-SA 4.0

Zu Beginn des Jahres 2022 kehrten die Forscher an den Fundort zurück und unternahmen neue Untersuchungen. Inzwischen ist die Anzahl der Keilschrifttafeln auf über 100 Stück angewachsen. Außerdem entdeckten sie neben der ausgedehnten Stadtanlage mit Palast auch mehrere Großbauten. Mit den Entdeckungen in Kemune haben die Wissenschaftler nun neue Informationen über die Stadt erhalten.

Palast in leuchtenden Farben

In den letzten Jahren gelang es den Forschern, den Aufbau der antiken Stadt weitgehend zu rekonstruieren. Der Palast, das Herzstück der Stadt, lag einst auf einer Anhöhe, sodass man von dort aus auf den Tigris und das Flusstal hinabblicken konnte.

Heute ist der Palast mit seinen massiven Mauern stellenweise noch mehrere Meter hoch erhalten. Im Inneren des Palastes konnte das Team mehrere Räume identifizieren und teilweise ausgraben. Diese besaßen Böden aus gebrannten Ziegeln und einige Wände besaßen sogar bunte Verzierungen.

Wir haben Reste von Wandmalereien in leuchtenden Rot- und Blautönen gefunden. Wandmalereien dürften im 2. Jahrtausend vor Christus im Alten Orient ein typisches Ausstattungsmerkmal von Palästen gewesen sein“, erklärt die deutsche Archäologin Ivana Puljiz in einer Pressemitteilung.

Zachiku: Reste der Wandmalerei

Das Fragment einer 2018 entdeckten Wandmalerei. Foto: Universität Tübingen.

Neben dem Palast besaß die Stadt auch eine massive Befestigungsanlage mit Mauer und Türmen, ein Handwerkerviertel sowie ein monumentales, mehrstöckiges Lagergebäude. „Das riesige Magazingebäude ist von besonderer Bedeutung, weil darin enorme Mengen an Gütern gelagert worden sein müssen. Diese wurden wahrscheinlich aus der gesamten Region herbeigeschafft“, erläutert Puljiz. Für ihren Kollegen Hasan Ahmed Qasim ist das Lagergebäude ein Zeichen dafür, dass die antike Stadt „ein wichtiges Zentrum im Mittani-Reich war“.

Gegen 1350 vor Christus fand die Stadt dann ihr Ende, als sie durch ein Erdbeben zerstört wurde und die einstürzenden oberen Teile der Mauern die Gebäude unter sich begrub.

„Briefe“ aus Zachiku

Laut einer der bereits 2018 in den Palasträumen entdeckten mittanischen Keilschrifttafeln scheint es sich bei dem Fundort Kemune um die alte Stadt Zachiku zu handeln. Diese ist bereits aus anderen Schriftquellen bekannt. Wenn es sich bei der entdeckten Stadt tatsächlich um Zachiku handelt, dann bestand die Stadt mindestens 400 Jahre lang. Genauso interessant sind die aktuell über 100 entdeckten Tontafeln.

Blick in eines der Keramikgefäße mit Keilschrifttafeln. Eine der Tafeln steckt noch in ihrer ursprünglichen Tonhülle. Foto: Universitäten Freiburg und Tübingen, KAO

Diese lagen in fünf großen Keramikgefäßen und stammen aus der jüngeren mittelassyrischen Zeit – kurz nach der Erdbebenkatastrophe. Bei einigen Tontafeln handelt es sich vermutlich um Briefe, die sogar noch in ihren Umschlägen aus Ton stecken. Die Forscher erhoffen sich, darin wichtige Erkenntnisse über das Ende der mittanizeitlichen Stadt und den Beginn der assyrischen Herrschaft in dieser Region zu erhalten. Dass die Schrifttafeln und die Anlage über eine so langen Zeitraum erhalten blieben, grenze laut den Ausgräbern „an ein Wunder“.

Das Mittani-Reich ist eines der am wenigsten erforschten altorientalischen Reiche. „Informationen über Paläste der Mittani-Zeit liegen bisher nur aus Tell Brak in Syrien sowie aus den Städten Nuzi und Alalach am Rande des Reiches vor“, erklärt Puljiz. Mithilfe der neuen Entdeckung hoffen die Archäologen bald die Hauptstadt des Mittani-Reiches zu finden.

Inzwischen liegt die Fundstelle wieder vollständig unter Wasser. Zuvor bedeckten sie die Forscher nach Abschluss der Grabung mit einer dicht schließenden Plastikfolie und Kies. So sollen die historisch wertvollen Überreste der Stadt möglichst gut geschützt werden. Sie ruht nun dort so lange, bis das Wasser erneut zurückgeht und sie für weitere Entdeckungen freigibt.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 55, vom 30. Juli 2022.



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