Berlin und Ankara auf Konfrontationskurs – Allen voran Merkel und Maas

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte, dass die Türkei so weit gehe, einen deutschen Staatsbürger in Untersuchungshaft zu stecken "wegen einem Vergehen, das wir nicht nachvollziehen können, hat schon eine neue Qualität".
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Bundeskanzlerin Merkel und Bundesjustizminister Heiko Maas am 22.12.2016 in Berlin.Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP/Getty Images
Epoch Times3. März 2017

Im Streit um die Absagen von Wahlkampfauftritten türkischer Politiker in Deutschland und die anhaltende Haft für den „Welt“-Journalisten Deniz Yücel wird der Ton zwischen Berlin und Ankara immer schärfer. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) warnte im Fall Yücel vor einem „Abbau der Rechtsstaatlichkeit“ in der Türkei. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wehrte sich gegen Vorwürfe aus Ankara, die Meinungsfreiheit zu missachten – und verwies bei den abgesagten Kundgebungen auf die Zuständigkeit der Kommunen.

Die Absage von zwei Veranstaltungen mit dem türkischen Justizminister Bekir Bozdag und Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci im baden-württembergischen Gaggenau und in Köln hatte in der Türkei für Empörung gesorgt. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu warf der Bundesregierung vor, mit zweierlei Maß zu messen und sich gegen „die Demokratie, die freie Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit“ zu stellen. Bozdag sprach gar von einer „faschistischen Maßnahme“.

Merkel sagte am Freitag am Rande eines Tunesien-Besuchs, dass in Deutschland grundsätzlich die Meinungsfreiheit gelte. „Was das konkrete Abhalten einer Versammlung anbelangt, liegt die Genehmigungspraxis auf der kommunalen Ebene“, fügte sie hinzu. „Da geht es um die Sicherheit einer Veranstaltung und vieles andere mehr.“ Zuvor hatte bereits das Innenministerium in Berlin betont, dass der Bund bei diesen versammlungsrechtlichen Fragen „keinerlei Zuständigkeit“ habe.

Köln und Gaggenau hatten organisatorische Gründe und Sicherheitsbedenken für die Absage der Auftritte angeführt, bei denen Bozdag und Zeybekci vor türkischen Bürgern für die Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei werben wollten. Mitte April findet ein Referendum über die Pläne von Staatschef Recep Tayyip Erdogan statt, auch 1,4 Millionen in Deutschland lebende Türken sind stimmberechtigt.

Das türkische Außenministerium hatte am Donnerstag den deutschen Botschafter in Ankara, Martin Erdmann, einbestellt, um sich über die Absagen zu beschweren. Das Gespräch sei „ernst, aber freundlich“ verlaufen, sagte Außenamts-Sprecher Martin Schäfer in Berlin. Erdmann habe der türkischen Seite erklärt, dass die Bundesregierung keinen Einfluss auf die Entscheidung der kommunalen Behörden genommen habe und auch keinen Einfluss hätte nehmen können.

Schäfer warnte außerdem davor, die Frage von Wahlkampfauftritten türkischer Politiker in Deutschland mit dem Fall Yücel zu verknüpfen. „Das eine gegen das andere auszuspielen ist nicht ein optimaler Ausdruck von rechtsstaatlichem Denken“, sagte Schäfer. Dem deutsch-türkischen Journalisten werden wegen seiner Artikel zum Kurdenkonflikt sowie zu dem Putschversuch laut „Welt“ Aufwiegelung der Bevölkerung und Terrorpropaganda vorgeworfen.

Maas kritisierte die Inhaftierung Yücels in einem Schreiben an seinen türkischen Kollegen Bozdag als „unverhältnismäßig“ und forderte die sofortige Freilassung. In einem am Freitag veröffentlichten Interview mit der deutsch-türkischen Onlinezeitschrift „Özgürüz“ sagte der SPD-Politiker, dass „die Zeit der leisen Töne vorbei“ sei. Dass die Türkei so weit gehe, einen deutschen Staatsbürger in Untersuchungshaft zu stecken „wegen einem Vergehen, das wir nicht nachvollziehen können, hat schon eine neue Qualität“.

Auch Bundespräsident Joachim Gauck kritisierte den Umgang mit Yücel als „inakzeptabel“. Der Vorgang lasse einen fragen, „ob die Türkei überhaupt noch den Anspruch hat, eine Demokratie und ein Rechtsstaat zu sein“, sagte der Bundespräsident dem „Spiegel“. Die Entwicklung in der Türkei mache ihn „tief traurig“.

gw/cha



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