Einstige Splitterpartei erzielt Erdrutschsieg in Litauen

Der frühere Polizeichef Skvernelis kündigte einen Neustart in der Politik an. "Wir werden für eine transparente und vernünftige Politik sorgen", sagte er in der Wahlnacht. "Wir werden eine rationale Koalitionsregierung bilden, und wir werden Persönlichkeiten aufstellen, die den Wandel wollen."
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In Litauen geht die Parlamentswahl in die zweite Runde.Foto: Valda Kalnina/dpa
Epoch Times25. Oktober 2016

Bei der Parlamentswahl in Litauen hat die Partei der Bauern und Grünen (LGPU) einen überraschenden Erdrutschsieg eingefahren und den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Die vormalige Kleinpartei, die im scheidenden Parlament nur einen einzigen Sitz hatte, ging aus der Wahl am Sonntag mit künftig 54 von 141 Sitzen als Sieger hervor. Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite wertete das Ergebnis als Ausdruck einer Vertrauenskrise.

Nach einem Treffen mit den Vertretern aller fortan im Parlament vertretenen Parteien beauftragte Grybauskaite den LGPU-Spitzenkandidaten Saulius Skvernelis damit, eine „transparente und verantwortungsvolle“ Mehrheit im Parlament zu bilden. Diese müsse „das ruinierte Vertrauen in Parlament und Regierung“ wiederherstellen. Grybauskaite erklärte, das Wahlergebnis zeige den Wunsch der Litauer nach „echter Veränderung.“

Der frühere Polizeichef Skvernelis hatte sich im Wahlkampf offen für Koalitionsgespräche mit Sozialdemokraten und Konservativen gezeigt. Die LGPU sieht sich selbst als Partei der Mitte. Die als Wahlfavoriten gehandelten Konservativen kommen im neuen Parlament nur auf 31 Sitze. Die Sozialdemokraten des scheidenden Regierungschefs Algirdas Butkevicius wurden erwartungsgemäß abgestraft und gewannen nur 17 Sitze.

Skvernelis kündigte einen Neustart in der Politik an. „Wir werden für eine transparente und vernünftige Politik sorgen“, sagte er in der Wahlnacht. „Wir werden eine rationale Koalitionsregierung bilden, und wir werden Persönlichkeiten aufstellen, die den Wandel wollen.“

Skvernelis ist kein Mitglied der Partei, wurde aber als deren Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten aufgestellt. Er ist wegen seines Kampfes gegen Korruption in der Bevölkerung äußerst beliebt. Der 46-Jährige war erst vor zwei Jahren in die Politik gekommen: Als Innenminister tauschte er seine Polizeiuniform gegen Anzug und Krawatte.

Offizieller Chef der Partei der Bauern und Grünen ist der Milliardär Ramunas Karbauskis, ein Grundbesitzer und Industrieller. Er hatte im Wahlkampf versprochen, sich für höhere Gehälter und ein Wirtschaftswachstum einzusetzen, um die Abwanderung junger Litauer zu verhindern.

Im Mittelpunkt des Wahlkampfs standen die Wirtschafts- und Sozialpolitik der ehemaligen Sowjetrepublik. Angesichts anhaltend hoher Armut und sozialer Ungleichheit zieht es viele junge Menschen ins Ausland. Rund 370.000 haben seit Litauens EU-Beitritt im Jahr 2004 ihre Heimat verlassen, etwa die Hälfte davon zog es nach Großbritannien. Alle Spitzenkandidaten traten denn auch mit dem Versprechen an, die Löhne zu erhöhen und mehr Arbeitsplätze zu schaffen.

Der Urnengang in dem 2,9 Millionen Einwohner zählenden Ostseestaat war als Protestwahl gegen die bislang regierende Linkskoalition gewertet worden. Beobachtern zufolge hat vor allem die jüngste Novellierung des Arbeitsrechts, die Entlassungen vereinfacht, Butkevicius und seine Regierung Stimmen gekostet. Die Wahlbeteiligung unter den 2,5 Millionen Stimmberechtigten lag nach Angaben der Wahlkommission bei 38 Prozent.

Die LGPU sei zwar teilweise von anderen populistischen Parteien in Osteuropa inspiriert, richte sich aber nicht gegen das System, sagte Ramunas Vilpisauskas vom Institut für internationale Beziehungen und Politikwissenschaft in Vilnius. „Diese Partei ist eine Ansammlung verschiedener Menschen und Ideen“, sagte Vilpisauskas. „Die Meinungsverschiedenheiten werden sehr schnell zu Tage treten.“ (afp)



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