Chinas Exporteure drängen auf den Binnenmarkt – und verschärfen den Preiskampf
Der Zollstreit zwischen den USA und China hat große Auswirkungen auf die chinesische Wirtschaft. Die Exportware drängt auf den hart umkämpften Binnenmarkt. Das bringt Probleme mit sich, die auch mit der Qualität der Produkte zu tun haben könnten.
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Die Skyline in Shenzhen, China.
Foto: Jade Gao/AFP via Getty Images & Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa/dpa
Am 6. März erklärte der chinesische Handelsminister Wang Wentao angesichts des Zollstreits zwischen den USA und China, dass das kommunistische Regime „bis zum Ende kämpfen“ werde. Das war rund ein Monat vor US-Präsident Donald Trumps großer Zolloffensive vom 2. April, die insbesondere China hart traf.
Der republikanische Senator Ted Cruz erklärte damals gegenüber der US-Ausgabe der Epoch Times, dass es Amerikas wirtschaftlicher und nationaler Sicherheit diene, wenn man die US-Wirtschaft von China abkopple. Der designierte neue US-Botschafter in China, David Perdue, der einmal CEO eines Fortune-500-Unternehmens war, sagte, dass Chinas Wirtschaft zusammenbrechen werde, wenn die Amerikaner sich nicht mehr von den billigen Preisen Chinas verführen ließen.
Sollte sich am Ende die Aussage von Chinas Handelsminister Wang schneller bewahrheiten, als es sich der KPCh-Funktionär gedacht hatte? Ein Blick auf Chinas Containerhäfen lässt erahnen, wohin die Reise gehen mag.
Zölle auf 245 Prozent erhöht
Am 9. April erhöhten die USA die neuen reziproken Zölle auf 125 Prozent für chinesische Waren. Das bedeutet, für manche Produkte summierten sich die US-Zölle auf bis zu 245 Prozent. Viele chinesische Exporteure fragten sich nun, wohin mit all ihren Waren. Die chinesische Finanzzeitschrift „Caixin“ berichtete, dass in den Häfen von Shanghai am 10. April fast keine Containerschiffe mit Ziel USA mehr lagen. Jene, die es vor Ablauf der Frist nicht schafften, blieben gestrandet.
Zunächst versuchten die Exporteure, ihre Waren auf dem inländischen Markt loszuwerden. Ma Linhai, Inhaber des chinesischen Damenmodelabels Geling, veröffentlichte vom 11. bis zum 22. April auf der chinesischen Version von TikTok, Douyin, kleine Werbevideos aus einem Containerlager in Shenzhen. Angesichts von zehn vollen Containern mit Kleidung und hohen Lagergebühren warb Ma mit Rabatten von 80 Prozent.
Auch auf anderen sozialen Medien haben Exporteure, die ihre Waren aufgrund der hohen US-Zölle nicht mehr in die USA verkaufen können, kurze Videos veröffentlicht.
Versandcontainer globaler Logistikunternehmen wie Maersk, Hapag-Lloyd und YangMing stapeln sich auf einem Containerhof des Yantian International Container Terminal am 12. April 2025 in Shenzhen, China. Die wachsenden Handelsspannungen haben den chinesischen Exportsektor weiter belastet und wichtige Branchen wie Logistik, Fertigung und grenzüberschreitenden E-Commerce in Mitleidenschaft gezogen.
Foto: Cheng Xin/Getty Images
Deutlich weniger chinesischer Frachtverkehr
Von „besonders hohen“ Stornierungen auf den Routen von Asien an die Westküste Nordamerikas und den Transatlantikrouten berichtete Anfang April das Beratungsunternehmen Drewry in einem Briefing.
Am 18. April analysierte Drewry in seinen wöchentlichen Cancelled Sailings Tracker die Lage: „Die Stornierungen von Buchungen nehmen weiter zu, und einige Schiffe könnten China im April und Mai mit erheblichen freien Kapazitäten verlassen.“ Zudem würden Exporteure aufgrund der vorherrschenden Zollunsicherheit die steigenden Kosten durch Lieferstornierungen […] ausgleichen.
Am 20. April gab der chinesische Finanzdienstleister Huatai Futures in seinem wöchentlichen Schifffahrtsbericht bekannt, dass er acht Schiffe beobachtet habe, die von US-Routen nach Europa umgeleitet worden seien. Huatai empfahl Anlegern, zu beobachten, ob weitere Schiffe ihre Route wechseln.
Wirtschaftsexperte sieht Warnsignal für Chinas Wirtschaft
Davy Wong, ein in den USA ansässiger Ökonom, sprach gegenüber der Epoch Times von einem Warnsignal für Chinas exportorientierte Wirtschaft: „Wenn der Hafenumschlag zurückgeht, deutet das darauf hin, dass der Kapital- und Frachtfluss unterbrochen ist“, so der Wirtschaftsexperte, der zudem erklärte, dass es sich „nicht einfach nur um eine Anpassung der Logistik“ handle.
Laut Wong befinde sich Chinas Export in einer „äußerst prekären Lage“ angesichts der unvorhersehbaren Kosten für Exporteure und Käufer. „Mittelständische und kleine Unternehmen können keine Bestellungen annehmen oder ihre Produkte versenden“, so Wong.
Produktionsstopp und Umleitung des Exports in den Binnenmarkt
Doch wie sieht es eigentlich in den chinesischen Fabriken aus? Mittlerweile beschweren sich chinesische Arbeitnehmer in den sozialen Medien über Kurzarbeit und Kündigungen.
Ein Vorarbeiter einer chinesischen Textilfabrik erklärte am 17. April einem Mitarbeiter der chinesischsprachigen Epoch Times, der sich als Käufer ausgab, dass die Fabrik die Hälfte ihrer Aufträge verloren habe und die Löhne halbiert worden seien. Die Tagesproduktion sank demnach von 80 auf rund 30 Tonnen. Die Fabrik exportierte meist über Vietnam in die USA.
In einem Social-Media-Beitrag wurde der Brief an die Mitarbeiter einer Bekleidungsfabrik vom 31. März veröffentlicht: Zwangsurlaub für zwei Wochen bei Mindestlohn wurde angekündigt – und die Wiederaufnahme der Produktion an die Entwicklung der Auftragslage geknüpft.
Eine Mitarbeiterin sortiert am 16. April 2025 in einer Bekleidungsfabrik in Guangzhou, Provinz Guangdong, China, Kleidungsstücke für die chinesische E-Commerce-Plattform Temu. Einige chinesische Arbeiter haben in den sozialen Medien Beschwerden über ihre Beurlaubung veröffentlicht.
Foto: Jade Gao/AFP via Getty Images
In einem weiteren Brief vom 10. Februar teilte ein Elektronikhersteller mit, dass alle bis zum 10. Mai beurlaubt seien – aufgrund fehlender Aufträge.
Edward Huang, ein taiwanischer Ökonom, erwartet bei einer weiteren Eskalation des Handelskrieges eine Verlagerung von noch mehr Lieferketten aus China. Huang glaubt nicht, dass die chinesische Binnennachfrage kurzfristig solche Szenarien kompensieren könne. Zudem habe die steigende Arbeitslosigkeit Auswirkungen auf die Binnennachfrage.
Experte: Zu hohe Qualität, nicht billig genug – weiterer Abwärtstrend folgt
Mehr als ein Dutzend chinesische Einzelhandelsriesen versuchen nun, den Druck auf die Exporteure zu verringern.
JD.com, eines der größten E-Commerce-Unternehmen Chinas und direkter Alibaba-Konkurrent, hat angekündigt, von Exporteuren im kommenden Jahr Waren im Wert von mindestens 27,4 Milliarden US-Dollar abzukaufen.
Auch die Alibaba-Tochter Freshippo will Exporteure unterstützen und ihnen den Verkauf über ihre Plattform auf dem inländischen Markt erleichtern.
Doch die Exportware hat noch weitere Probleme auf dem chinesischen Binnenmarkt. Yang Xianghong, CEO einer Unternehmensberatung in Guangzhou, machte am 14. April auf Chinas Social-Media-Plattform Weibo darauf aufmerksam: „Die hohe Qualität der Exportprodukte ist nicht gut mit dem heimischen Markt vereinbar. Die meisten inländischen Verbraucher achten vor allem auf den Preis.“
Yang glaubt, dass die Exporteure nicht in der Lage sein werden, mit der Konkurrenz Schritt zu halten, die sich auf dem heimischen Markt ohnehin in einem Preiskampf befinde. Der Zustrom neuer Wettbewerber werde den Abwärtstrend nur noch verschärfen, befürchtet der Unternehmensberater.
Steffen Munter – Journalist und Autor. Er schreibt mit gesundem Menschenverstand über deutsche und internationale Politik, China und gesellschaftliche Entwicklungen.