Verteidiger von früherem SS-Wachmann legt Revision gegen Hamburger Urteil ein
Ex-SS-Wachmanns Bruno D. hat Revision gegen die zweijährige Bewährungsstrafe für den 93-Jährigen eingelegt. Auch zwei Rechtsanwälte von drei Nebenklägern fechten das Urteil des Hamburger Landgerichts an.

Der 93-jährige ehemaliger SS-Sicherheitsbeamter aus dem Konzentrationslager Stutthof bei Danzig am 23. Juli 2020 im Gerichtssaal des Landgerichts Hamburg.
Foto: Daniel Bockwoldt - Pool/Getty Images
Der Verteidiger des in Hamburg verurteilten früheren SS-Wachmanns Bruno D. hat Revision gegen die zweijährige Bewährungsstrafe für den 93-Jährigen eingelegt. Auch zwei Rechtsanwälte von drei Nebenklägern fechten das Urteil des Hamburger Landgerichts an, wie das Gericht am Donnerstag weiter mitteilte. Die Staatsanwaltschaft will demnach keine Revision einlegen.
Die Hamburger Kammer hatte D. am Donnerstag vergangener Woche der Beihilfe zum Mord in 5.232 Fällen sowie des Mordversuchs in einem Fall schuldig gesprochen. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der 93-Jährige 1944 und 1945 als Jugendlicher achteinhalb Monate zur Mannschaft des Konzentrationslagers Stutthof gehört hatte.
Vertreter der Nebenklage begrüßten den Schuldspruch als wichtiges „Signal“, äußerten teils aber auch Kritik an der Strafaussetzung zur Bewährung. Das Verfahren gegen D. gilt als einer der letzten Prozesse wegen der Massenverbrechen in den Vernichtungslagern der Nazizeit.
Einrede des Befehls unbedeutend
D. habe der Lagerleitung „jeden Tag“ bei der Umsetzung des Massenmordes Hilfe geleistet und sich noch vor Gericht darauf berufen, nur Befehlen gefolgt und wenig mitbekommen zu haben, sagte die Vorsitzende Richterin Anne Meier-Göring. Das sei widerlegt. „Sie sehen sich weiter nur als Beobachter – dabei waren sie Gehilfe dieser menschengemachten Hölle.“ Ein Befehl „befreite und befreit sie nicht von Schuld“.
Auch habe der Angeklagte nach fester Überzeugung des Gerichts um dem „Massenmord durch lebensfeindliche Bedingungen“ in dem Lager gewusst. Dies gelte ebenso für die in einer Gaskammer und einer Genickschussanlage verübten Morde. Jedem in Stutthof sei all dies bewusst gewesen. „So sehr konnten sie damals gar nicht wegsehen“.
Der Angeklagte sei kein glühender Nationalsozialist gewesen, habe sich jedoch wie Millionen anderer Deutsche damals „in den Sog der Entmenschlichung“ hineinziehen lassen, sagte die Richterin in ihrer teilweise beißenden Urteilsbegründung. Konfrontiert mit dem „entsetzlichen Unrecht“ des Vernichtungslagers Stutthof habe er sich angepasst und nicht versucht, sich dem Dienst zu entziehen.
Die Entscheidung für eine Bewährungsstrafe habe das Gericht nach „langem Ringen“ getroffen, ergänzte die Richterin. So müsse unter anderem berücksichtigt werden, dass der Angeklagte damals erst 17 bis 18 Jahre alt gewesen und im NS-Unrechtsstaat aufgewachsen sei. (afp/sua)
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