„Fürchte dich, die Türken kommen“: Graue Wölfe spammen Twitter-Account von Sebastian Kurz voll

Das Inkrafttreten der Novelle zum Symbolgesetz in Österreich, das fortan das öffentliche Zeigen von Symbolen ausländischer Extremistengruppen untersagt, hat in der Türkei Empörung ausgelöst. Betroffen ist nämlich auch der „Wolfsgruß“, der vielen als bloße Referenz an nationale Mythen gilt.
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„Menschen und Organisationen, die unsere demokratischen Grundwerte nicht akzeptieren oder gezielt bekämpfen, haben in unserem Land keinen Platz“, erklärt Österreichs Bundeskanzler Sebastian KurzFoto: FREDERICK FLORIN/AFP/Getty Images
Von 4. März 2019

Mit der Ankündigung, sich nicht einschüchtern zu lassen und geltenden Gesetzen zur Durchsetzung zu verhelfen, hat Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz auf eine offenbar organisierte Kampagne von Anhängern der nationalistischen türkischen „Grauen Wölfe“ geantwortet, die auf seine Social-Media-Accounts zielt.

„Menschen und Organisationen, die unsere demokratischen Grundwerte nicht akzeptieren oder gezielt bekämpfen, haben in unserem Land keinen Platz“, erklärt Kurz gegenüber der „Krone“. „Das gilt für rechten und linken Radikalismus genauso wie für den politischen Islam. Deshalb lasse ich mich auch nach der Kampagne der Grauen Wölfe nicht davon abbringen. Wer sich nicht an unsere Regeln und Gesetze hält, wird angezeigt! Unsere freie und liberale Demokratie ist ein hohes Gut, das es zu schützen gilt.“

Organisierte Spam-Orgie auf Twitter

Zuvor hatten über mehrere Tage hinweg offenbar türkische und türkischstämmige Nutzer auf Twitter gezielt Diskussionsstränge unterhalb der Beiträge des Kanzlers gestört, indem sie hunderte Tweets absetzten, die auf das seit 1. März geltende Verbot des sogenannten Wolfsgrußes in Österreich Bezug nahmen.

Einige Nutzer posteten dabei Bilder von sich selbst beim Entbieten dieses Grußes, bei dem zwei Finger einer Hand als Ohren abgespreizt und die anderen drei zur Schnauze geformt werden. Andere kritisierten die Maßnahme oder richteten in mehreren Sprachen Beschimpfungen und Drohungen gegen Kurz und seine Regierung. „Fürchte dich, die Türken kommen“, lautete übersetzt ein englischsprachiger Eintrag.

Hintergrund der Spam-Attacke ist eine Novelle des Symbole-Gesetzes, das die österreichische Bundesregierung im Dezember durch das Parlament brachte und das neben IS und Al-Kaida nunmehr auch für das Zeigen von Symbolen anderer extremistischer und terroristischer Organisationen in der Öffentlichkeit Sanktionen vorsieht. Die Verwendung und Verbreitung von derartigen Symbolen bzw. Gesten wird mit bis zu 4000 Euro oder einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Monat bestraft. Im Wiederholungsfall drohen Geldstrafen bis zu 10 000 Euro beziehungsweise sechs Wochen Haft.

Nun ist auch das Zeigen von Symbolen von Organisationen wie der PKK, der Hamas, der Hisbollah, der Muslimbruderschaft oder auch der „Grauen Wölfe“ in Österreich nach diesem Gesetz untersagt. Ziel der Novelle ist es, den Import ausländischer Konflikte in Einwanderercommunitys zu unterbinden.

Hitler-Bewunderer als Gründervater

Die sogenannte Idealistenbewegung in der Türkei vertritt die radikal nationalistische und irredentistische Idee des Panturanismus, deren Ziel es ist, alle Turkvölker unter einer Flagge und Führung zu vereinen. Neben den Türken im heutigen Verständnis zählen dazu etwa 40 Ethnien, die auf dem Gebiet osteuropäischer, west- oder zentralasiatischer Staaten bis bin zu Sibirien, der Volksrepublik China oder der Mongolei leben.

Der frühere Armeeoberst Alparslan Türkeş hat mit der „Partei der Nationalistischen Bewegung“ (MHP) und der paramilitärischen Formation der „Grauen Wölfe“ der Idealistenbewegung im Wesentlichen ihre bis heute bestehende organisatorische Form gegeben. Im Jahr 1993 spaltete sich unter dem 2009 bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommenen Muhsin Yazıcıoğlu mit der „Partei der Großen Einheit“ (BBP) eine stärker religiös geprägte und der These von der „türkisch-islamischen Synthese“ verschriebene politische Kraft ab, die sich als authentische Erbin der Idealistenbewegung betrachtete, politisch aber im Schatten der MHP blieb.

Da Türkeş in seinen Schriften mehrfach auch Adolf Hitler zitiert hatte und zumindest zeitweise als dessen Bewunderer galt, vergleichen Kritiker den Wolfsgruß mit dem von den deutschen Nationalsozialisten zum „Hitlergruß“ umfunktionierten römischen Gruß. Der Nationalismus der Idealistenbewegung ist jedoch kein rassenbiologisch begründeter, sondern ein kultureller.

Türkeş erklärte über den „Wolfsgruß“:

„Der kleine Finger symbolisiert den Türken, der Zeigefinger den Islam. Der beim Wolfsgruß entstehende Ring symbolisiert die Welt. Der Punkt, an dem sich die restlichen drei Finger verbinden, ist ein Stempel. Das bedeutet: Wir werden der Welt den türkisch-islamischen Stempel aufdrücken.“

Wolf ein bloßes Nationalsymbol, MHP die türkische CSU?

Für viele Türken stellt der „Graue Wolf“ und der diesen beschreibende Gruß lediglich wertfrei ein Nationalsymbol dar, ähnlich dem Bundesadler in Österreich. Der Wolf ist Teil der Gründungsmythen des türkischen Volkes, die um die Asena-Sage und das Ergenekon-Tal als einem mythischen Fluchtpunkt kreisen, aus dem ein grauer Wolf die Türken einst herausgeführt hätte. Facebook-Nutzer Metin Yilmaz vergleicht im Kommentarbereich zu einem Beitrag von Sebastian Kurz die Rolle des Wolfes in der türkischen Mythologie mit jener in der Gründungssage Roms, wonach eine Wölfin Romulus und Remus gesäugt hätte.

Dass Anhänger der türkischen Grauen Wölfe jedoch ausschließlich die Pflege der eigenen Geschichte und der türkischen Mythologie im Sinne haben und, wie manche Türken in sozialen Medien beschwören, die MHP „so etwas wie die CSU“ wäre, bezweifelt man in der österreichischen Regierungsetage – und auch der deutsche Verfassungsschutz hat diesbezüglich andere Erkenntnisse.

Die Idealistenbewegung habe demnach seit den 1960er Jahren in der Türkei an Putschen mitgewirkt, systematisch politische Gegner ermordet oder eingeschüchtert, gegen gewählte Regierungen konspiriert und sich mithilfe mafiaähnlicher Strukturen in Bereichen wie Prostitution, Menschenhandel, Auftragsmord, Erpressung oder Waffenhandel etabliert. Die auf diese Weise gebildeten Strukturen hätten sich unter türkischen Einwanderern in Europa weiterverbreitet. Noch heute gingen von den Grauen Wölfen ein erhebliches Gewaltpotenzial, Übergriffe auf politische Gegner und ein militanter Antisemitismus aus.

Bis weit in die Regierungszeit der AKP hinein galt der heutige Präsident Recep Tayyip Erdoğan mit seiner panislamisch geprägten Anhängerschaft als Feindbild der ursprünglich stramm atatürkistischen und säkularistischen Idealisten – allenfalls mit Ausnahme der BBP.

Merkel auf dem NATO-Gipfel ohne Berührungsängste

Die größere Rolle des Antisemitismus in Erdoğans Politik, vor allem aber sein hartes Vorgehen gegen die kurdisch-kommunistische PKK nach dem Scheitern des Verhandlungsprozesses im Jahr 2015 hat jedoch eine Wende innerhalb der MHP eingeleitet, sodass diese mittlerweile mit der AKP ein Bündnis geschlossen hat, das diesem die Mehrheiten sichert. Kritiker wie die frühere Innenministerin Meral Akşener wurden aus der Partei gedrängt und fanden sich in der zentristischen IYI-Partei wieder.

Die neue Nähe zwischen Idealisten und Erdoğan dürfte dazu beigetragen haben, dass auch das türkische Außenministerium in Ankara gegen das Verbot des Wolfsgrußes und anderer Insignien der „Grauen Wölfe“ protestiert hat. „Die Tatsache, dass trotz unserer Warnungen das Symbol einer legalen politischen Partei in unserem Land auf derselben Liste steht wie die PKK, eine blutige terroristische Organisation, ist absolut skandalös“, zitiert der „Standard“ eine Aussendung des türkischen Außenamtes.

Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel scheint gegenüber den türkischen Idealisten ein entspannteres Verhältnis zu haben. Beim NATO-Gipfel Mitte Juli 2018 erregte sie mit einer herzlichen Begrüßung des türkischen MHP-Abgeordneten und Chefs des Dachverbandes der „Türkischen Konföderation in Europa“ (ATK), Cemal Çetin, Aufsehen, dem auch die „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland“ (ADÜTDF) als Gründungsmitglied angehört.

 



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