Zusammenfassung Syrien: Macron, Trump, Europa, Russland und die OPCW

Das Team der OPCW ist in Damaskus eingetroffen, der Zeitplan wird geheimgehalten. Macron erklärte, er habe US-Präsident Trump von der Notwendigkeit eines Verbleibs in Syrien überzeugt; das Weiße Haus verweist darauf, dass Trump am Truppenabzug aus Syrien festhält.
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Ein beschädigtes Gebäude in Douma am Stadtrand von Damaskus.Foto: LOUAI BESHARA/AFP/Getty Images
Epoch Times16. April 2018

Syrien und Russland haben nach Angaben westlicher Diplomaten das Ermittler-Team der Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen bislang nicht nach Duma gelassen. In der Stadt in Syrien soll die Bevölkerung mit Giftgas angegriffen worden sein.

Das Experten-Team der OPCW sei am Samstag in Damaskus eingetroffen, könne aber nicht weiterreisen, teilten die britische und die schwedische Delegation bei der OPCW auf Twitter mit.

Russland weist die Vorwürfe zurück. „Das ist vollkommen ausgeschlossen. Das ist eine weitere Erfindung der Briten“, sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow.

EU fordert Rückkehr zu Verhandlungen

Die EU hat zur Rückkehr an den Verhandlungstisch aufgerufen. Es müsse „die Dynamik der gegenwärtigen Situation genutzt werden, um den Prozess zur politischen Lösung des Syrien-Konflikts wiederzubeleben“, erklärten die EU-Außenminister am Montag.

Die EU gehe davon aus, dass die Luftangriffe „spezifische Maßnahmen waren, die alleine das Ziel hatten, um den weiteren Einsatz von Chemiewaffen oder chemischen Substanzen durch das syrische Regime zur Tötung seiner eigenen Bevölkerung zu verhindern“, erklärten die 28 EU-Außenminister in Luxemburg.

Damit blieben sie hinter der teils klaren Unterstützung durch einzelne Mitgliedstaaten oder die Nato vom Wochenende zurück.

Bei einer begleiteten Tour für die Medien zeigt sich die syrische Polizei siegesgewiss, 16. April 2018 in Douma am Stadtrand von Damaskus. Foto: LOUAI BESHARA/AFP/Getty Images

Die EU-Außenminister schlossen neue Sanktionen gegen Verantwortliche des syrischen Chemiewaffen-Programms nicht aus. Erst im März hatte die EU Einreise- und Vermögenssperren gegen vier syrische Militärangehörige und Wissenschaftler wegen des Chemiewaffen-Einsatzes verhängt.

„Die Europäische Union wiederholt, dass es keine militärische Lösung für den Syrien-Konflikt geben kann“, erklärten die EU-Außenminister weiter. Sie forderten eine Rückkehr zu den Verhandlungen unter UN-Ägide in Genf.

Frankreich will „mit allen sprechen“

Am Sonntagabend hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bereits neue Anstrengungen für eine diplomatische Lösung angekündigt. Frankreich werde „mit allen sprechen“ – insbesondere mit Russland und dem Iran, den Unterstützern des syrischen Machthabers Baschar al-Assad, sagte Macron im französischen Fernsehen.

Nach den jüngsten Ereignissen sei „es jetzt notwendig ist, alles dafür zu tun, dass es zu keiner Eskalation kommt“, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) in Luxemburg. Bei der Suche nach einer Lösung sei aber auch klar, „ohne Russland wird man diesen Konflikt nicht lösen können.“

Zumindest langfristig ist für Maas eine Lösung mit Assad nicht vorstellbar. Die Bundesregierung schloss aber Gespräche mit Assad in einem Prozess nicht aus, der den Übergang zu einer anderen Regierung organisiert.

Maas hatte sich am Wochenende für die Schaffung eines „internationalen Formates einflussreicher Staaten“ ausgesprochen, das dem politischen Prozess „neue Schlagkraft“ geben soll. Die Vorstellungen blieben dazu am Montag aber vage. Diplomaten sahen auch eine geplante Geberkonferenz zu Syrien kommende Woche in Brüssel als mögliches Forum für Gespräche.

Emmanuel Macron (C) vor einem Interview mit dem französischen RMC-BFM-Journalisten Jean-Jacques Bourdin (R) und dem französischen Journalisten Edwy Plenel (L) im Theatre national de Chaillot in Paris am 15. April 2018, nachdem die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich beschlossen hatten, einen Luftangriff in Syrien als Reaktion auf einen vermuteten Chemiewaffenangriff durchzuführen. Foto: / AFP PHOTO / AFP PHOTO AND POOL / FRANCOIS GUILLOT

Ex-Außenminister Gabriel mahnt gemeinsame Strategie an

Der ehemalige Außenminister Sigmar Gabriel hat eine gemeinsame europäische Syrien-Strategie angemahnt. „Es ist eine wahre Herkulesaufgabe, die Europa da zu bewältigen hat“, sagte der SPD-Politiker in einer Vorlesung an der Universität Bonn.

Er kritisierte, dass Europa zuletzt wieder ohne gemeinsame Linie agiert habe: Frankreich und Großbritannien hätten sich mit den USA an den Militärschlägen beteiligt, Deutschland und andere europäische Länder hätten sich zurückgehalten.

Macron überzeugte Trump von der Notwendigkeit, in Syrien zu bleiben

Frankreich und die USA stimmen laut Präsident Emmanuel Macron über den Zeitpunkt für das Ende ihres Militäreinsatzes in Syrien überein. Die Mission „endet an dem Tag, an dem der Krieg gegen den IS abgeschlossen wird“, erklärte Macron am Montag in Paris.

Der Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) sei Frankreichs einziges militärisches Ziel. Er habe nichts anderes behauptet, erklärte der französische Präsident.

Macron hatte sich am Sonntag im französischen Fernsehen zugute gehalten, er habe US-Präsident Donald Trump von der Notwendigkeit eines Verbleibs in Syrien überzeugt.

Das Weiße Haus hatte daraufhin allerdings erklärt, Trump halte an seinem geplanten Truppenabzug aus Syrien fest. Die USA seien entschlossen, die Dschihadistenmiliz IS „komplett zu zerstören“ und die Bedingungen zu schaffen, die eine Rückkehr der Miliz verhinderten, sagte Trumps Sprecherin Sarah Sanders.

US-Präsident Donald Trump wies unterdessen Angaben Macrons zurück, er wolle US-Soldaten „auf Dauer“ in Syrien belassen. Der Präsident wolle weiter, dass die US-Truppen „so schnell wie möglich nach Hause zurückkehren“, sagte Trumps Sprecherin Sarah Sanders.

Syrer auf einer beschädigte Straße in Douma am Stadtrand von Damaskus während einer organisierten Medientour am 16. April 2018. Foto: LOUAI BESHARA/AFP/Getty Images

OPCW traf sich mit Behörden in Damaskus

Die Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) ist in Den Haag zu einer Dringlichkeitssitzung zu dem mutmaßlichen Giftgasangriff auf die syrische Stadt Duma zusammengetreten. Der Organisation müssten nun die Mittel an die Hand gegeben werden, um die Zerstörung des syrischen Chemiewaffenprogramms zu vollenden, sagte der französische Botschafter Philippe Lalliot am Montag während der Sitzung.

Nach den jüngsten Giftgasangriffen „wissen wir alle, dass Syrien seit 2013 ein geheimes Chemiewaffenprogramm“ betrieben habe, sagte der Botschafter. 2013 war Syrien Mitglied der OPCW geworden und hatte den Besitz von Chemiewaffen eingeräumt.

Die russische Botschaft in Den Haag sagte zu, sie werde sich nicht in die Arbeit der OPCW-Experten einmischen, die den Vorfall vor Ort untersuchen sollen. Russland sei verpflichtet, „die Sicherheit der Mission zu gewährleisten“, erklärte sie im Kurzbotschaftendienst Twitter. Zugleich warf die Botschaft den USA vor, die Glaubwürdigkeit der Expertenmission in Duma durch die Raketenangriffe vom Wochenende zu „untergraben“.

Die Experten der OPCW sollten am Sonntag mit ihren Untersuchungen in Duma beginnen, trafen sich stattdessen jedoch mit Behördenvertretern in ihrem Hotel in Damaskus. Über ihren Zeitplan wurde eine strikte Nachrichtensperre verhängt.

Ein Syrer mit Brot. Am 16. April 2018 in Douma am Stadtrand von Damaskus während einer organisierten Medienreise. Foto: LOUAI BESHARA/AFP/Getty Images

Russische Söldner und der Tod eines Journalisten

Der Tod eines investigativen Journalisten in Russland hat die Rolle russischer Söldner im syrischen Bürgerkrieg zurück ins Licht der Öffentlichkeit geholt. Maxim Borodin erlag am Sonntag in einem Krankenhaus seinen Verletzungen, die er sich bei einem Sturz vom Balkon seiner Wohnung in der Stadt Jekatarinburg am Freitag zugezogen hatte. Der Journalist hatte jüngst über den Tod mehrerer Russen in Syrien geschrieben.

Die Männer, bei denen es sich nicht um Soldaten gehandelt hatte, waren nach Angaben Moskaus im Februar bei Luftangriffen der US-geführten Koalition im Osten Syriens getötet worden. Es war die erste offizielle Bestätigung nicht-militärischer, in Kampfhandlungen verwickelter Kriegsopfer.

In der Vergangenheit hatte es bereits vereinzelt Berichte über Russen gegeben, die für private Firmen in Syrien kämpften – möglicherweise, um für Präsident Baschar al-Assad Ölfelder zu sichern.

Bereits 2014 wurden zwei Männer in Russland zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie mehr als 200 ehemalige Militärangehörige für eine Söldnertruppe mit dem Namen Slawisches Corps rekrutiert hatten. Zweck der Rekrutierung war ein Einsatz in der syrischen Provinz Deir Essor, in der im Februar fünf Russen bei Kampfhandlungen getötet wurden.

Der Kreml hat nur begrenzten Einfluss: Utkin und die Gruppe Wagner

Nach Angaben der Internetseite Fontanka, welche die Rolle privater Sicherheitsfirmen im Syrienkonflikt dokumentiert, wurde das Slawische Corps nach der Verurteilung seiner Chefs das Kernstück einer neuen Söldnertruppe unter der Leitung des ehemaligen Mitglieds Dmitri Utkin, Spitzname Wagner.

Utkin und die sogenannte Gruppe Wagner tauchen auf einer schwarzen Liste des US-Finanzministeriums auf, weil sie Soldaten in die Ost-Ukraine geschickt haben sollen, um an der Seite der pro-russischen Separatisten zu kämpfen. Laut Fontanka ist die Gruppe Wagner seit Ende 2015 in Syrien aktiv.

Eine als Konfliktinformations-Team (CIT) bekannte Bloggergruppe nennt das private Sicherheits- Militärunternehmen Wagner „Russlands Schattenarmee in Syrien“. Das Unternehmen hat laut CIT etwa eine wichtige Rolle bei der Rückeroberung der syrischen Oasenstadt Palmyra gespielt. Wie viele seiner Kämpfer in Syrien im Einsatz sind, ist unklar. Der unabhängige russische Militärexperte Pawel Felgenhauer schätzte ihre Zahl im vergangenen Jahr auf 2000 bis 3000 Söldner.

Im Gegensatz zu seinen Vorgängern und trotz eines entsprechenden Gesetzes wurde Utkin bisher in Russland nicht rechtlich für sein Engagement belangt. Stattdessen wurde er im Dezember 2016 in Moskau ausgezeichnet – laut Kreml als Veteran.

Wagner wird Medienberichten zufolge vom Unternehmer und Putin-Verbündeten Jewgeni Prigoschin aus St. Petersburg finanziert. Prigoschin hat mit zahlreichen Aufträgen aus dem russischen Verteidigungsministerium ein Vermögen gemacht und steht wegen mutmaßlicher Einflussnahme auf die US-Wahlen 2016 mithilfe sogenannter Internet-Trolle ebenfalls auf der schwarzen Liste des US-Finanzministeriums.

Prigoschin gründete nach Angaben eines ehemaligen Wagner-Söldners die Firma Ewro Polis, die im Auftrag der syrischen Regierung Öl- und Gaseinrichtungen sichert und dafür mit 25 Prozent an der künftigen Produktion beteiligt ist. Demnach zahle Ewro Polis jedem Wagner-Söldner zwischen 3500 und 5000 Dollar (2800 bis 4000 Euro) im Monat.

Die Wagner-Rekruten bestünden zu 40 Prozent aus ehemaligen Häftlingen, sagte das ehemalige Mitglied der Gruppe dem Magazin „Sowerschenno Sekretno“. Wegen der „schlechten Qualität“ der Rekruten sei es zum Bruch mit Moskau gekommen. Der Kreml übe nur begrenzte Kontrolle über die russischen Söldner in Syrien aus.

(afp/dpa/ks)

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