Drogen-Hotspot Görlitzer Park – GdP: „Weder Innensenator noch Berliner Polizei kann das Problem lösen“ (Teil 2)

Der Berliner Innensenat kündigte bereits 2019 an, massiver gegen die Drogenkriminalität an Berlins Brennpunkten wie dem Görlitzer Park vorzugehen. Doch die Erfolge sind mager.
Titelbild
Ein Fahrradfahrer in einem Berliner Park.Foto: THEO HEIMANN/DDP/AFP via Getty Images
Von 18. März 2020

Der Görlitzer Park in Berlin ist über die Grenzen der Hauptstadt hinaus als „beliebter“ Drogenhandelsplatz bekannt. Der Berliner Innensenat unter Andreas Geisel (SPD) kündigte bereits im letzten Jahr an, massiver gegen die Drogenkriminalität an Berlins Brennpunkten vorzugehen – zahlreiche Anwohner hatten sich über die aggressive Verhaltensweisen der Dealer beklagt. Danach wurde die polizeiliche Präsenz im Park erhöht. Wie ein Videobeitrag von „RT-Deutsch“ im Januar zeigte, hat die Polizeipräsenz zu mehr Unruhe unter den Drogendealern geführt.

Wir wollten nun genauer wissen, was sich Senat und Polizei vorgenommen haben, um das Problem zu bekämpfen. Mit welcher Strategie und taktischen Mitteln wollen sie konkret eine Verbesserung im Görlitzer Park und dem Wrangelkiez herbeiführen? Hier nun Teil 2 der zweiteiligen Artikelserie zum Berliner Brennpunkt.

Senat: Drogenkriminalität gesamtgesellschaftliches Problem – Repressive Maßnahmen der CDU-Regierung waren zu einseitig

Die Drogenkriminalität im betroffenen Kiez wird durch die Senatsinnenverwaltung als ein „gesamtgesellschaftliches Problem“ gesehen, daher will man es mit allen „verfügbaren gesellschaftlichen Mitteln“ angehen und nicht nur mit „repressiven Mitteln“. Dazu gehört die Intensivierung von Maßnahmen der Rauschgiftsuchtprävention. Konkreter wurde man hier allerdings nicht. Der Senat betonte aber, dass diese im Verantwortungsbereich der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung liegen.

In einem Berliner Park.                                                                                                               Foto: iStock

Null-Gramm-Eigenbedarfsgrenze wurde 2017 abgeschafft

Unter CDU-Innensenator Frank Henkel und CDU-Justizsenator Thomas Heilmann wurde im April 2015 eine Null-Gramm-Eigenbedarfsgrenze auch bei „weichen“ Drogen für den Görlitzer Park eingeführt. Die Regelung wurde unter der darauffolgenden und aktuellen rot-rot-grünen Landesregierung mit dem amtierenden SPD-Innensenator Andreas Geisel und Grünen-Justizsenator Dirk Behrendt am 16. Oktober 2017 wieder abgeschafft.

Hier macht die Senatsinnenverwaltung deutlich: „Ohnehin macht es für die polizeiliche Arbeit vor Ort keinen Unterschied, ob der Betroffene 2 oder 20 Gramm dabei hat. Die Größenordnung ist für das weitere Verfahren der Staatsanwaltschaft relevant.“

Damals hätte man nur auf Repression gesetzt. Doch der Problemkreis aus Betäubungsmittelhandel, Betäubungsmittelkonsum und deren Begleitkriminalität könne nicht allein durch eine schärfere Gesetzeslage bewältigt werden.

Aktuell liegt die durch die Berliner Justiz festgelegte Eigenbedarfsgrenzen für den Umgang mit Cannabisharz oder Marihuana bei 15 Gramm – das ist bundesweit der höchste Wert. Das bedeutet, der Drogenbesitz an sich ist generell strafbar, wird durch die Polizei aufgenommen und an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Doch dort wird die Straftat in Berlin nur weiterverfolgt, wenn die Drogenmenge über 15 Gramm liegt.

Dass dies auch nicht immer der Fall ist, berichtete der Berliner Polizeigewerkschafts-Sprecher Benjamin Jendro (GdP) gegenüber der Epoch Times. Er sagte, dass sich Polizeikollegen erst kürzlich an die GdP gewandt hätten und erklärten, dass selbst in Fällen, wo sie direkt 40 Gramm an Cannabis bei Tatverdächtigen vorfanden, die Staatsanwaltschaft keinen Haftbefehl erteilte.

Bereits im Koalitionsvertrag von 2016 hatten sich die Landesparteien der neuen Berliner Regierungskoalition SPD, Linke und Grüne auf die Abschaffung der Null-Toleranz-Strategie geeinigt. Geplant war gleichzeitig ein wissenschaftlich begleitetes Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene.

Drogendealer haben sich auf die Eigenbedarfsgrenze eingestellt

Der Drogenhandel ist generell und unabhängig von der Eigenbedarfsgrenze strafbar, doch ist er schwerer zu ermitteln. Die Drogendealer haben sich auf die Berliner Eigenbedarfsgrenze eingestellt und reagieren nach Aussage der Innenverwaltung mit „konspirativem Verhalten, Aussageunwilligkeit und nicht selten mit bandenmäßig organisiertem Vorgehen“ gegenüber den Polizeikräften. Grund dafür seien die hohe Gewinnerwartung der Dealer und andererseits die empfindlichen Strafen, die ihnen drohen, erklärt die Senatsinnenverwaltung.

Ein Drogenkonsument kauft Drogen bei einem Dealer.                                                      Foto: iStock

Die Innenverwaltung führt in Bezug auf die aus ihrer Sicht fehlende Wirksamkeit der Null-Toleranz-Politik der Vorgängerregierung auf, dass es im Görlitzer Park 2016 über 200 Körperverletzungsdelikte, 54 Raubtaten und mehr als 200 Taschendiebstähle gegeben habe. Dazu erklärt die Berliner CDU-Fraktionsvorsitzende Burkard Dregger der Epoch Times gegenüber, dass eine höhere Kontrolldichte durch mehr Polizeipräsenz und schärfere Gesetzeslage auch eine höhere Feststellung von Straftaten nach sich ziehe.

2.753 Ermittlungsverfahren in 18 Monaten

Ihrerseits verweist die Berliner CDU darauf, dass während der Null-Toleranz-Politik im Zeitraum vom 31. März 2015 bis zum 30. September 2016 im Bereich Görlitzer Park gegen insgesamt 2.735 Personen ein Ermittlungsverfahren bei der Berliner Staatsanwaltschaft eingeleitet wurde. Im selben Zeitraum kam es zu 511 Verurteilungen für Straftaten bezogen auf diesen Ort.

Nach sinkenden Fallzahlen in den Vorjahren war im Verlauf des Jahres 2019 ein Anstieg im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität zu verzeichnen. „Aber auch bei den Diebstahls-, Rohheits- und Raubdelikten stiegen die Fallzahlen“, berichtet die Polizei. Der zunehmende Einsatz von gefährlichen Gegenständen und Waffen bei körperlichen Auseinandersetzungen und Raubtaten zwischen Händlergruppierungen verschärfte die Situation ebenfalls.

Anzahl der Verurteilungen durch die Berliner Staatsanwaltschaft für Ermittlungsverfahren zum Görlitzer Park vom 31. März 2015 bis zum 30. September 2016. Quelle: Senatsverwaltung für Inneres und Sport, Drucksache 18/10077

Drogenhändler stammen überwiegend aus Westafrika

Zu den aktuellen Zahlen bei den Straftaten am Görlitzer Park erklärt die Berliner Polizei, dass durch eine Intensivierung der polizeilichen Kontrollmaßnahmen in der Folge auch mehr Verstöße im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität festgestellt wurden. Damit stiegen die Fallzahlen in diesem Deliktbereich. Zudem gibt es eine regelmäßig saisonal beeinflusste Schwankung bei den Fallzahlen, das heißt in der warmen Jahreszeit gibt es mehr Fälle.

Was die Herkunft bei den Tatverdächtigen betrifft, so zählt man bei den verschiedenen Delikten unterschiedliche Nationalitäten. Die tatverdächtigen Drogenhändler hingegen stammen überwiegend aus Westafrika.

„Gehandelt wird im Görlitzer Park mit Betäubungsmitteln jeglicher Art“, erklärt die Berliner Polizei. Den überwiegenden Anteil der sichergestellten oder beschlagnahmten Betäubungsmittel in dem Bereich stellen jedoch Cannabisprodukte dar. Die Drogen werden überwiegend über illegale Vertriebswege aus unterschiedlichen Ländern nach Deutschland eingeführt. Aus ermittlungstaktischen Gründen wolle man hier nicht konkreter werden.

GdP-Sprecher: Drogenhandel hat sich im kompletten Wrangelkiez ausgebreitet

Der Berliner Polizeigewerkschaftsprecher (GdP) Benjamin Jendro sprach sich 2017 gegen eine Erhöhung der Eigenbedarfsgrenze aus. Allerdings sah er auch keine große Veränderung durch die „Null-Toleranz-Politik“. Für ihn lag das damals aber nicht am Konzept, sondern am Personalmangel.

Ein Berliner Polizist.                                                                               Foto: Sean Gallup/Getty Images

„Das war ein Kampf gegen Windmühlen, bei dem die Kollegen verheizt wurden, weil die volle Rückendeckung gefehlt hat“, sagt Jendro. Er berichtete von Dealern, die mit geringen Drogenmengen erwischt und schnell wieder frei gelassen wurden. „Die haben große versteckte Drogendepots, die man im Zweifel niemandem zuordnen kann“, so Jendro damals gegenüber dem „Tagesspiegel“.

Große Drogendepots findet man heute eher seltener, die Dealer haben reagiert. Man stattet heute die Dealer mit kleinen Rationen aus und versorgt heute als Fahrradkurier oder mit der U-Bahn die Drogenkonsumenten. Auch hätte sich in den letzten Monaten der Drogenhandel in den kompletten Wrangelkiez ausgebreitet.

GdP: „Die ‚Null-Toleranz-Politik‘ hätte man konsequent weiterführen sollen“

Rückblickend sagt Jendro, hätte man die „Null-Toleranz-Politik“ konsequent weiter führen sollen, allerdings damals schon mit mehr Verurteilungen seitens der Justiz. Schon damals war nicht allein die Polizei personell unterbesetzt, sondern auch die Justiz. Die Situation hat sich nun noch verschärft. Auch wären die Haftanstalten voll und es fehlen weitere Haftplätze.

Ein verkaufsübliches Tütchen mit ca. 2 Gramm Anteilen der getrockneten Knospe einer Hanfpflanze (Cannabis).                                                                                                             Foto: iStock

Die „Welt“ berichtete 2017, dass die Aufhebung der Eigenbedarfsmenge im Rahmen der „Null Toleranz-Strategie“ der rot-schwarzen Regierung dazu geführt hätte, dass viele von Strafe bedrohte Konsumenten ihre Dealer verrieten. Denn jedem festgenommen Konsumenten oder auch Dealer wird der §31 des Betäubungsmittelgesetzes vorgelegt.

Anwohner wurden von Drogendealern bedroht

Der Paragraph besagt, dass durch eine Aussage zu anderen Straftaten, die mit der eigenen Straftat in Verbindung stehen, von einer Bestrafung – desjenigen der aussagt – abgesehen oder die Strafe für ihn abgemildert werden kann.

Konkret heißt dies: Das Gericht kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 des Strafgesetzbuches mildern oder, wenn der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat, von Strafe absehen, wenn der Täter dazu beigetragen hat, dass eine Straftat aufgedeckt wird beziehungsweise eine Tat die im Zusammenhang mit der eigenen Straftat steht, noch verhindert werden kann.

Das führte dazu, dass man den Dealern damals überhaupt einen Handel mit Drogen nachweisen und sie schließlich verurteilen konnte.

Laut Jendro ist das verstärkte Vorgehen gegen die Drogenkriminalität im Görlitzer Park auf Beschwerden von Anwohnern zurückzuführen. Drogendealer hätten sie bedroht.

CDU-Politiker: „Ohne Heruntersetzung der Eigenbedarfsgrenze, arbeitet die Polizei für den Papierkorb“

Was sagt die Opposition zu der aktuellen Drogenkriminalitäts-Offensive von Innensenator Andreas Geisel (SPD)?

Für Burkhard Dregger, Fraktionsvorsitzender der Berliner CDU im Berliner Abgeordnetenhaus, sind die Bemühungen von Innensenator Geisel rein wahlkampftaktisch motiviert.

Der Innensenator mutet der Polizei eine hohe Zahl an Überstunden zu, ohne ihr die Mittel an die Hand zu geben, um die Straftäter auch zur Verurteilung zu bringen. Solange die Eigenbedarfsgrenze nicht erheblich heruntergesetzt wird, arbeitet die Polizei für den Papierkorb“, so Dregger.

Laut Marcel Luthe, FDP-Innenpolitiker im Berliner Abgeordnetenhaus, setze eine „Offensive“ voraus, dass es vorwärts geht – und nicht wie hier der Rückzug teilweise zurückgenommen würde.

Für ihn heißt es:

Entweder macht man Innenpolitik nach PR-Aspekten, um Berichte über Kriminalität zu verhindern oder man entscheidet nach polizeilichen Aspekten und verhindert die Kriminalität.“

Man hätte in Berlin die rechtliche Möglichkeit, jeden verdächtigen Dealer vorläufig in Gewahrsam zu nehmen, die Beweismittel – Drogen, Handy, Bargeld – zu beschlagnahmen und wegen Wiederholungsgefahr Haftbefehl zu beantragen. Jetzt muss nur noch ein Senator diese Weisungen erteilen. Wenn Rot-Rot-Grün das nicht kann: „Wir können das,“ so Dregger (CDU).

GdP-Sprecher: „Weder Innensenator noch Berliner Polizei kann das Problem lösen“

Für den GdP-Sprecher Jendro sei es wichtig und richtig, dass der Innensenator als Verantwortlicher für die Innere Sicherheit den Kampf gegen Drogenkriminalität forcieren wolle.

Klar würde jedoch sein, „dass weder er noch die Berliner Polizei diese Problematik bewältigen können, es bedarf einer behördenübergreifenden und letztlich gesamtgesellschaftlichen Anstrengung“, so der Gewerkschaftssprecher.

Hier der 1. Teil: „Berlin: Wie Senat und Polizei den Görlitzer Park ‚zurückerobern‘ wollen (Teil 1)“



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