Habeck befürchtet ab 11. Juli „Blockade von Nord Stream 1“ – Planmäßige Wartung bis 21. Juli

Russland liefert weniger Gas nach Deutschland – das bringt den Energieversorger Uniper in Schwierigkeiten. Gleichzeitig wächst die Sorge um eine komplette Blockade der wichtigen Pipeline Nord Stream 1. Aus Schleswig-Holstein kommt gar der Vorschlag, im Ernstfall der Industrie die Energie abzudrehen.
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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen).Foto: ERIC PIERMONT/AFP via Getty Images)
Epoch Times30. Juni 2022

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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck befürchtet ein vollständiges Ausbleiben russischer Gaslieferungen durch die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream. Es drohe ab dem 11. Juli „eine Blockade von Nord Stream 1 insgesamt“, sagte der Grünen-Politiker am Donnerstag bei einem „Nachhaltigkeitsgipfel“ der „Süddeutschen Zeitung“. Deswegen könne es im Winter wirklich problematisch werden. Die Gasversorgung über den Sommer sei gewährleistet.

Planmäßige Wartungsarbeiten

Wegen planungsmäßiger Wartungsarbeiten wird durch die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 1 im Juli allerdings sowieso über mehrere Tage kein russisches Gas nach Deutschland fließen. Beide Leitungen des Doppelstrangs sollen vom 11. bis 21. Juli abgeschaltet werden, heißt es auf der Internetseite des Betreibers. Entsprechende vorübergehende Stilllegungen gab es schon in den Vorjahren.

Mitte Juni hatte Russland unter Verweis auf technische Probleme die Lieferungen durch Nord Stream bereits stark gedrosselt. Als Reaktion darauf hatte die Bundesregierung die Alarmstufe im Notfallplan Gas ausgerufen. „Gas ist von nun an ein knappes Gut in Deutschland“, hatte Habeck gesagt. Er hatte ein Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, damit der Gasverbrauch in der Industrie sinkt und Gas stattdessen eingespeichert werden kann.

Appelle mit Wirkung

Die Appelle und Maßnahmen zur Verringerung des Gasverbrauchs zeigen nun offenbar Wirkung: Bundesweit lag der Gasverbrauch zwischen Januar und Mai bei rund 460 Milliarden Kilowattstunden, wie der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) am Donnerstag mitteilte. Das waren demnach 14,3 Prozent weniger als in den ersten fünf Monaten des Vorjahres.

Neben der milden Witterung im Frühjahr seien auch die hohen Gaspreise ein wesentlicher Grund dafür, hieß es. Denn auch bereinigt um Temperatureffekte lag der Rückgang im Vorjahresvergleich laut Verband noch bei knapp 6,5 Prozent. Besonders deutlich sei der Rückgang im Mai gewesen, erklärte der BDEW und verwies auf „persönlich motivierte Einspareffekte“.

Am 11. Juli beginnen nun jährliche Wartungsarbeiten an Nord Stream 1. Die Pipeline werde in der Regel für zehn Tage heruntergefahren, sagte Habeck bei dem „Nachhaltigkeitsgipfel“. Aber nach dem Muster, das man gesehen habe, wäre es nicht „superüberraschend“, wenn irgendein kleines Teil gefunden werde. „Und dann sagt man: Ja, das können wir halt nicht wieder anmachen, jetzt haben wir bei der Wartung irgendwas gefunden und das war’s dann. Also insofern ist die Situation durchaus angespannt.“

Speicher bei 61 Prozent

Die Speicher müssten zum Winter hin voll sein, so Habeck weiter, zwei schwimmende Terminals zum Import von Flüssigerdgas (LNG) in Deutschland müssten angeschlossen sein. Die aktuellen Füllstände der Speicher in Deutschland liegen laut Bundesnetzagentur bei rund 61 Prozent. Nach der russischen Drosselung werde pro Tag 0,3 bis 0,5 Prozent Gas eingespeichert, sagte Habeck. Das sei ungefähr die Hälfte dessen, was vor dem „Cut“ von Nord Stream 1 passiert sei. Es seien aber noch erhebliche Mengen.

Bereits die Drosselung der russischen Gaslieferungen bringt derweil den Energieversorger Uniper in Bedrängnis. Die Bundesregierung befindet sich nach Darstellung des Wirtschaftsministeriums mit dem Unternehmen in Gesprächen über Stabilisierungsmaßnahmen.

Uniper hatte seine Ergebnisprognosen für das laufende Jahr wegen der eingeschränkten Gaslieferungen aus Russland kassiert. Bereits im ersten Quartal waren wegen des Russland-Engagements Milliardenverluste bei den Düsseldorfern aufgelaufen. Für Stabilisierungsmaßnahmen kommt nach Angaben von Uniper eine Reihe von Instrumenten infrage, zum Beispiel Garantie- und Sicherheitsleistungen, Erhöhung der aktuellen Kreditfazilität bis hin zu Beteiligungen in Form von Eigenkapital.

Seit Mitte Juni erhält Uniper nach eigenen Angaben nur noch 40 Prozent der vertraglich zugesicherten Gasmengen von Gazprom und muss teuer Ersatzmengen beschaffen. Das Unternehmen geht davon aus, dass im Falle der Feststellung und Bekanntgabe der Gasmangellage durch die Bundesnetzagentur die derzeitigen Belastungen teilweise an die Kunden weitergegeben werden können.

Fortum sieht auch Deutschland in der Pflicht. Nötig sei eine „nationale und industrieweite Anstrengung“, teilten die Finnen am Donnerstag mit. Wie hoch und wie eine mögliche Unterstützung ausfallen müsste, wollte Fortum nicht kommentieren. Uniper habe einen von Fortum gewährten Kreditrahmen von acht Milliarden Euro teilweise ausgenutzt, hieß es weiter. Uniper sollte in der Lage sein, seine Verpflichtungen zu erfüllen, auch wenn die Gaskürzungen in Deutschland durch Russland anhielten oder sich sogar ausweiteten.

Die im MDax notierte Aktie des Unternehmens, das mehrheitlich dem finnischen Versorger Fortum gehört, brach am Donnerstag ein. Im frühen Handel verlor das Papier zwischenzeitlich knapp 23 Prozent, konnte die Verluste anschließend aber reduzieren. Mit rund 14 Euro kostet die Aktie so wenig wie seit 2017 nicht mehr. Seit Jahresbeginn summieren sich die Verluste auf nunmehr fast 70 Prozent.

Schleswig-Holstein will Industrie notfalls Energie abdrehen

Schleswig-Holsteins neuer Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (parteilos) will der drohenden Energie-Krise notfalls mit drastischen Mitteln entgegentreten. Für den Fall einer Gas-Mangellage sollten Industriebetriebe identifiziert werden, denen die Energie abgedreht werden könne, sagte Madsen der „Welt“ (Freitagsausgabe). „In Dänemark ist es zum Beispiel so, dass es eine Liste mit 47 Unternehmen gibt, denen im Notfall das Gas abgedreht wird, um den Gasverbrauch um 40 Prozent zu reduzieren. Das ist Aufgabe der Bundesnetzagentur, aber eine solche Maßnahme müsste natürlich eng mit den Ländern und den Kommunen abgestimmt werden“, so Madsen.

„Wir würden dazu sicher schnell einen Krisenstab bilden, um dieser besonderen Lage mit offenen Augen zu begegnen – und nicht abwarten, bis es kalt wird.“ In seiner Berufung zum Landesminister sieht der dänische Staatsbürger eine Gelegenheit, die deutsch-dänischen Beziehungen deutlich auszubauen. „Dänemark ist ein sehr grünes, nachhaltiges Land, auch sehr weit bei der Digitalisierung. Wenn wir bereit sind, neugierig zu sein und voneinander zu lernen, dann könnte das sicher beiden Seiten helfen. Dazu würde ich gerne meinen Teil beitragen“, so der bisherige Rostocker Oberbürgermeister.

Die Frage, ob er nach seiner Berufung in das Kabinett von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) auch dessen Partei beitreten wolle, beantwortete Madsen zurückhaltend. „Das habe ich noch nicht entschieden. Dazu müssen sich die schleswig-holsteinische CDU und Claus Madsen erst einmal kennenlernen.“ (dpa/dts/mf)



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