Bundesfinanzhof prüft Bundesmodell
Heute die erste Grundsteuer-Urteile: 2.000 Klagen und wachsender Druck auf den Gesetzgeber
In München verkündet heute der Bundesfinanzhof seine ersten Urteile zur neuen Grundsteuer. Damit steht eine Entscheidung an, die Millionen Immobilienbesitzer in Deutschland betreffen könnte – und womöglich erneut das Bundesverfassungsgericht beschäftigt.

Der Bundesfinanzhof in München verhandelt drei Klagen gegen die Grundsteuerreform. (Symbolbild)
Foto: Federico Gambarini/dpa/dpa-tmn
In Kürze:
- Der Bundesfinanzhof verhandelt drei Klagen gegen das Bundesmodell der Grundsteuer.
- Das Urteil soll heute fallen – möglicher Gang vor das Bundesverfassungsgericht
- Eigentümerverbände warnen vor Ungleichbehandlung und steigender Belastung.
- Mehr als 2.000 Verfahren bundesweit – erste Zweifel an Verfassungsmäßigkeit
Der Bundesfinanzhof (BFH) in München verkündet heute ab 9:00 Uhr seine ersten Urteile zu der seit Januar erhobenen neuen Grundsteuer. Auf dem Prüfstand steht das sogenannte Bundesmodell, das in elf der 16 Bundesländer genutzt wird (Az. II R 25/24, II R 31/24 und II R 3/25).
Am Mittwoch, 12. November, hat der Bundesfinanzhof (BFH) eine Anhörung zu drei Klagen gegen die Reform der Grundsteuer abgehalten. Das letzte Wort in dieser Angelegenheit könnte heute noch nicht gesprochen sein, weil Verfahrensbeteiligte möglicherweise das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe anrufen.
Dieses hatte die Neuregelung selbst erst erzwungen. Im Jahr 2018 hatten die Richter in Karlsruhe es beanstandet, dass die Berechnung der Grundsteuer nicht mehr auf realitätsnahen Grundlagen erfolge. Damals war der Einheitswert ihr Ausgangspunkt. Dieser wiederum beruhte auf Referenzgrößen aus dem Jahr 1964 (West) oder 1935 (Ost). Dies führte zu erheblichen Unterschieden in der Grundsteuerbelastung eigentlich ähnlich beschaffener Grundstücke.
Einheitswert von Bundesverfassungsgericht als Grundlage beanstandet
Die damalige Ampelregierung veranlasste eine Reform, die seit Anfang des Jahres offiziell in Kraft ist. Im Vorfeld waren die Eigentümer von 36 Millionen Immobilien in Deutschland dazu aufgerufen, von den Finanzämtern versandte Datenblätter zu Grundstücken und Gebäuden auszufüllen. Die Umsetzung der Reform sollte jedoch primär den Ländern obliegen.
An die Stelle des Einheitswertes sollte der Bodenrichtwert als Referenzgröße treten. Wie dieser zu bestimmen ist, beschreibt Paragraf 196 des Baugesetzbuches. Neben einer Vielzahl an Einflussgrößen soll der Umstand, dass dieser Wert mindestens alle zwei Jahre durch Gutachterausschüsse neu bestimmt wird, die Grundlagen der Besteuerung realistischer erhalten.
Im Regelfall ist der Bodenrichtwert deutlich höher als der Einheitswert. Neben dem Bodenrichtwert ist der Hebesatz eine weitere Einflussgröße für die Steuerlast. Dieser wird von den Kommunen bestimmt. Dabei haben manche ihren Hebesatz nach unten angepasst, um Grundstückseigentümer zu entlasten. Andere wiederum haben ihn sogar angehoben.
Scholz kündigte „aufkommensneutrale“ Neuregelung der Grundsteuer an
Die dritte Bestimmungsgröße ist die Steuermesszahl. Diese beschreibt einen Anteil des Grundsteuerwerts und variiert nach Art des Grundstücks. So liegt die Steuermesszahl bei Grundstücken, auf denen sich Einfamilienhäuser befinden, im Regelfall bei 0,31. Bei solchen mit land- und forstwirtschaftlicher Nutzung liegt sie üblicherweise bei 0,55.
Die Länder können jeweils abweichende Regelungen treffen. Die Grundsteuerpflicht trifft seit der Reform auch nicht üblicherweise für Wohnzwecke genutzte Areale wie Kleingartenanlagen. Das Bundesverfassungsgericht hatte sein Urteil aus dem Jahr 2018 vor allem damit begründet, dass Immobilien im Regelfall seit der Zeit der Bestimmung der alten Einheitswerte einen erheblichen Wertzuwachs erfahren hätten.
Der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz hatte mit Blick auf das Reformvorhaben schon 2019 angekündigt, dass dieses „nicht zu einem höheren Steueraufkommen“ führen werde. Dem Statistischen Bundesamt zufolge haben die Kommunen jedoch bereits 2023 über die Grundsteuer etwa 15,5 Milliarden Euro eingenommen. Im vergangenen Jahr seien es sogar mehr als 16 Milliarden Euro gewesen, was einen neuen Rekord bedeute.
Einige Kommunen weiten ihre Hebesätze deutlich aus
Verbände wie Haus & Grund oder der Bund der Steuerzahler hatten bereits im Vorfeld des Inkrafttretens der Reform vor erheblichen Mehrbelastungen und neuen Ungleichbehandlungen gewarnt. Das fange bereits bei der Umsetzung an. Zwar richten sich die meisten Bundesländer an dem vom Bund beschlossenen Modell zur Bestimmung der Grundsteuer aus, allerdings haben Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen eigene Gesetze zur Grundsteuer eingeführt. In Bayern und Hessen richtet sich die Besteuerung primär nach der Größe der Grundstücksflächen. Auch die Kommunen gehen bei der Bestimmung der Hebesätze uneinheitlich vor.
Eine gemeinsame Auswertung des Rechercheportals „Correctiv“ und von „Finanztip“ ergab, dass allein in Hessen vier von fünf Kommunen ihre Hebesätze über die Empfehlung des Landes hinaus erhöht hatten. Auch in Sachsen haben etwa 20 Prozent der Kommunen die Aufkommensneutralität durch eine massive Erhöhung des Hebesatzes durchbrochen.
Derzeit mehr als 2.000 Klagen anhängig
Über diese Fälle wird der Bundesfinanzhof 2026 verhandeln. Am Mittwoch geht es vorerst um drei Klagen, die das Ziel verfolgen, das Bundesmodell zu Fall zu bringen. Eine ficht ein Urteil des Finanzgerichts Köln an, die anderen betreffen Fälle aus Sachsen und dem Gerichtsbezirk Berlin-Brandenburg.
Alle richten sich gegen die Neuberechnung des Grundsteuerwerts – in allen Fällen hatten die Gerichte die Neuregelung als verfassungskonform bewertet. Die Kläger werden jeweils vom Eigentümerverband Haus & Grund unterstützt. Bisher ist die Rede von mehr als 2.000 Klagen gegen die neue Grundsteuer. In allen Fällen sehen Eigentümer ihre Grundstücke als zu hoch bewertet.
Der bisherigen Spruchpraxis des Bundesfinanzhofs zufolge muss ein Widerspruch gegen die neu festgesetzten Grundstückswerte möglich sein. Allerdings räumten die Länderfinanzgerichte dem Gesetzgeber in der Sache selbst bis dato weite Freiräume bei der Festsetzung der Bodenrichtwerte ein.
Fällt die Grundsteuer neu, würden nicht angefochtene Bescheide bestehen bleiben
So lautet der Tenor der Urteile auch in den am Mittwoch erörterten Fällen, dass die neue Grundsteuer verfassungskonform sei und Vereinfachungen in einem so groß angelegten Massenverfahren hinnehmbar seien. Hingegen hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz in zwei Urteilen „ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit“ geäußert. (4 V 1429/23 und 1295/23)
In einem der Fälle geht es unter anderem um die Auswirkung der Heranziehung von Kaufpreissammlungen auf die Wertfestsetzung. So könnten Bodenrichtwerte in beliebten Wohnlagen geringer ausfallen als in weniger beliebten, weil die wahren Werte aufgrund zu weniger Transaktionen unterschätzt würden. Auch die fiktiven Mieten, die bei der Wertermittlung herangezogen werden, sind Gegenstand anhängiger Klagen. Häufig seien auch diese in der Praxis nicht zu erzielen.
Am Donnerstag will der Bundesfinanzhof ein Datum für die Verkündung der Urteile nennen. Während Gerichte in einigen Fällen Klagen gegen die Reform der Grundsteuer bereits abgewiesen haben, setzten andere ihre Verfahren bis zur Klärung der Verfassungsmäßigkeit durch den BFH aus. Sollte das oberste Finanzgericht das Bundesmodell für nicht rechtmäßig halten, können allerdings lediglich Eigentümer, deren Bescheid über den Grundsteuerwert noch offen ist, auf eine Anpassung hoffen.
Reinhard Werner schreibt für Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.
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