Kohle machen mit Steinkohle – und Auktionen zur Stilllegung von Kohlekraftwerken

Es wird mehr Steinkohle importiert und gleichzeitig ein vorgezogener Ausstieg aus der Kohle auch in der Lausitz debattiert. Auktionen spielen eine Rolle: Wer am wenigsten Entschädigung pro Emission fordert, gewinnt und bekommt eine Aufforderung zur Stilllegung.
Blick auf das Steinkohlekraftwerk Heyden hinter der Weser.
Blick auf das Steinkohlekraftwerk Heyden hinter der Weser.Foto: Friso Gentsch/dpa
Epoch Times26. Februar 2023

Wegen der Energiekrise hat Deutschland im vergangenen Jahr mehr Steinkohle importiert. Die Menge stieg um 8 Prozent auf 44,4 Millionen Tonnen, wie eine Auswertung des Vereins der Kohlenimporteure (VDKI) ergab, über die zuerst die „Bild“ berichtete. Wichtigster Lieferant war demnach noch Russland mit 13 Millionen Tonnen, was ein Rückgang um 37 Prozent bedeutete. Seit August ist der Import russischer Kohle in die EU wegen des Ukraine-Krieges verboten.

Das zweitwichtigste Lieferland waren dem VDKI zufolge die USA mit 9,4 Millionen Tonnen. Die Menge stieg im Vergleich zum Vorjahr um 32 Prozent. Dahinter folgen Kolumbien und Australien. Die Kohle wurde zur Stromerzeugung eingesetzt, Kraftwerke dafür aus der Reserve geholt. Der Energieträger wird auch in der Stahlherstellung gebraucht.

Auktionen zur Kraftwerksstilllegung

Seit August 2020 lädt die Bundesnetzagentur Betreiber von Steinkohle- und kleinen Braunkohlekraftwerken dazu ein, eine Entschädigung für eine Stilllegung anzugeben. Wer am wenigsten Entschädigung pro Emission fordert, gewinnt die Auktion und bekommt eine Aufforderung zur Stilllegung.

Diese Auktionen zur Stilllegung von Kraftwerken einer Kapazität von insgesamt knapp zehn Gigawatt habe den Staat zwischen 627 und 729 Millionen Euro gekostet, heißt es in der Studie von Silvana Tiedemann von der Hertie School und Finn Müller-Hansen vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change. Den genauen Wert habe die Bundesregierung bisher nicht veröffentlicht, daher lasse sich der Wert nur als Spannweite angeben. Die Summe kam in fünf Auktionsrunden vor der Energiekrise zusammen. Die Autoren beurteilen aber auch Auktionen insgesamt als „Verhandlungen überlegen“ und als „kostengünstige Alternative“ für den Kohleausstieg. 

Mit einer durchschnittlichen Vergütung von 68 Euro pro Kilowatt liegen die Auktionsergebnisse „deutlich unter dem maximal möglichen Gebot“, so die Studie. Auch im Vergleich zu Entschädigungen, die Deutschland über den Verhandlungsweg erzielt hat, schneiden die Auktionen demnach gut ab.

Der Erfolg der Kohleausstiegsauktionen deutet den Forscher zufolge zudem darauf hin, dass Auktionen häufiger zur Steuerung des Energiemixes eines Landes angewendet werden könnten als bisher angenommen – nicht nur zur Förderung von erneuerbaren Energien, sondern eben auch zur Stilllegung nicht mehr benötigter Kohle- oder zukünftig auch Gaskraftwerke. Weil Deutschland Ausstiegsauktionen als erstes Land innerhalb der Europäischen Union erprobte, könnten die Erkenntnisse zudem als Praxisbeispiel für andere Staaten dienen.

In der Energiekrise allerdings produzierte der Mechanismus mehr Emissionen, stellte die Studie fest. Denn in den Auktionen standen auch sehr junge, effiziente Kraftwerke zu Gebot, während ältere am Netz blieben. Dadurch sei die Kohlenstoffintensität des verbleibenden Kraftwerksparks um zwei Prozent gestiegen. Wird nun – wie im letzten Jahr während der Krise geschehen – mehr Strom aus Kohle erzeugt, so steigen die Emissionen überproportional.

Auch bei Kohleausstieg 2030 sei Stromversorgung gesichert

Auch bei einem vollständigen vorgezogenen Kohleausstieg und trotz eines höheren Verbrauchs etwa durch Elektroautos sei die Stromversorgung gesichert. Zu diesem Ergebnis kam jüngst ein Bericht der Bundesnetzagentur. Die Ampelkoalition hatte sich darauf verständigt, den bis zum Jahr 2038 geplanten Kohleausstieg „idealerweise“ auf 2030 vorzuziehen. Bislang ist der vorgezogene Ausstieg nur für das Rheinische Revier beschlossen. In den Revieren in Ostdeutschland ist er umstritten. Umstritten ist auch die Entscheidung der Bundesregierung, dass Mitte April die drei noch verbliebenen Kernkraftwerke vom Netz gehen.

Die Behörde habe „die Entwicklung des Strommarktes mit dem gesetzlich geplanten Ausbau der erneuerbaren Energien, dem Umbau des Kraftwerksparks und dem Netzausbau“ untersucht, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK). Demnach ist das Stromsystem bei Umsetzung der gesetzten Ziele so robust, „dass die Versorgungssicherheit weiterhin gewährleistet wäre, wenn zehn Gigawatt Erzeugungsleistung weniger im Markt sind“.

Ein früherer Kohleausstieg sei ohne Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit möglich. Die Energiemengen aus Kohle müssten aber anderweitig kompensiert werden, um das Versorgungssicherheitsniveau aufrechtzuerhalten. Dies geschehe über den Zubau von emissionsärmeren Stromproduktionskapazitäten wie etwa erdgasbefeuerten wasserstofffähigen Kraftwerken oder von erneuerbaren Energien. Das BMWK verwies außerdem auf „flexible Lasten und Speicher“, um die Stromnachfrage zu regulieren. So soll etwa die Speicherkapazität von Elektroautos helfen, Verbrauchsspitzen auszugleichen.

Der Bericht zum Monitoring der Versorgungssicherheit mit Strom wird alle zwei Jahre von der Bundesregierung veröffentlicht. Das aktuelle Papier untersucht den Zeitraum von 2025 bis 2031. Eine Analyse von Krisenszenarien erfolgte nicht. Bedarfs- und Systemanalysen der Übertragungsnetzbetreiber werden unabhängig davon im April vorgelegt.

FDP: Fahrlässig, sich auf den Bericht zu verlassen

FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler sagte der Deutschen Presse-Agentur, der aktuelle Bericht zeige, dass die Versorgungssicherheit unter optimalen Bedingungen gewährleistet sei. „Es wäre jedoch fahrlässig, sich darauf zu verlassen, dass alle politisch gesetzten Ziele auch tatsächlich erreicht werden.“ Entscheidend für eine sichere und bezahlbare Stromversorgung würden der Zubau von Gaskraftwerken sowie der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft sein. „Dafür brauchen wir dringend entsprechende Investitionsanreize.“

Der Stadtwerkeverband VKU erklärte, die positiven Prognosen der Bundesnetzagentur seien derzeit zu optimistisch. „Die Ausbaugeschwindigkeit bei den erneuerbaren Energien muss im Vergleich zum heutigen Stand verdreifacht werden, um die im Bericht zugrunde gelegte Ziele bei den Erneuerbaren-Kapazitäten zu erreichen“, erklärte Verbandschef Ingbert Liebing. Bei der Umsetzung aber hake es.

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft sieht ebenfalls immense Herausforderungen. Ohne verbesserte Rahmenbedingungen seien die Ziele kaum zu erreichen, sagte Verbandschefin Kerstin Andreae. Deutschland müsse einen Spurt in nie gekannter Geschwindigkeit hinlegen, wenn die Transformation zum klimaneutralen Stromsystem bis 2035 bei gleichzeitigem Kohleausstieg bis 2030 erreicht werden solle. Der erforderliche beträchtliche Zubau wasserstofffähiger Gaskraftwerke und Biomasse-Anlagen sei aktuell nicht realistisch.

Spahn: „politisch motivierter“ Optimismus

Unionsfraktionsvize Jens Spahn kritisierte den Bericht als „politisch motivierten“ Optimismus. Er beruhe auf Annahmen wie einem Zubau bei Gaskraftwerken oder einer Verdreifachung des Ausbaus erneuerbarer Energien. Davon sehe man aber noch wenig, sagte Spahn dem Nachrichtenportal „ZDFheute.de“. „Ich würde mir weniger Gesundbeten wünschen und mehr konkretes Handeln, denn 2030 – das ist schon bald. Und da brauchen wir sicher verlässlich Strom und Energie für Deutschland.“

Der Bundesverband Erneuerbare Energie dagegen kritisierte den Bau neuer Gaskraftwerke als „Sackgasse“. Die schwankende Energieproduktion aus Wind und Sinne könne vollständig erneuerbar gedeckt werden, etwa mittels des bestehenden Bioenergieanlagenparks, grüner Kraft-Wärme-Kopplung oder Wasserkraft, sagte BEE-Präsidentin Simone Peter. Anreize für neue fossile Infrastrukturen stünden einer zukunftsfähigen Kraftwerksstrategie entgegen. (dpa/ks)



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