Länderchefs wollen Impfpflicht – Merz hält das für verfassungsrechtlich bedenklich

Kann eine allgemeine Impfpflicht wie in Österreich auch in Deutschland kommen? Immer mehr Länderchefs sind dafür.
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Aufgezogene Spritzen mit dem Wirkstoff von Biontech.Foto: THOMAS KIENZLE/AFP via Getty Images
Epoch Times23. November 2021

Die Befürworter einer allgemeinen Impfpflicht gegen das Coronavirus bekommen nun auch Rückendeckung von Rechtswissenschaftlern.

Renommierte Juristen halten sie mit dem Grundgesetz für vereinbar. In Österreich soll die Impfpflicht im Februar kommen. Mehrere deutsche Ministerpräsidenten sprechen sich ebenfalls dafür aus.

Die Regierungschefs von Baden-Württemberg und Bayern, Winfried Kretschmann (Grüne) und Markus Söder (CSU) schrieben in einem gemeinsamen Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“: „Eine Impfpflicht ist kein Verstoß gegen die Freiheitsrechte. Vielmehr ist sie die Voraussetzung dafür, dass wir unsere Freiheit zurückgewinnen.“ Im ZDF-„heute journal“ machte Kretschmann deutlich, dass er dies für verfassungskonform hält. Vor einigen Jahrzehnten habe es bereits eine Impfpflicht in Deutschland gegeben – und aktuell in abgeschwächter Form auch bei Masern.

Debatte um allgemeine Impfpflicht

Zustimmung kam auch von den CDU-Regierungschefs Volker Bouffier aus Hessen, Daniel Günther aus Schleswig-Holstein und Reiner Haseloff aus Sachsen-Anhalt. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (ebenfalls CDU) mahnte eine gründliche Prüfung an.

Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) sagte, eine Impfpflicht käme zu spät, um die vierte Corona-Welle zu stoppen, könne aber „für die Zukunft mit Blick auf die bundesweite Situation sicherlich“ nicht ausgeschlossen werden. Dagegen stellten sich Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans, der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) oder FDP-Fraktionsvize Michael Theurer.

Juristen geteilter Meinung

Eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus wäre nach Ansicht des Staatsrechtlers Ulrich Battis vom Grundgesetz gedeckt. „Eine solche allgemeine Impfpflicht ist durchaus vertretbar – und zwar, um das Leben anderer Menschen zu schützen“, sagte der Rechtswissenschaftler von der Berliner Humboldt-Universität der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Battis verwies auf Artikel 2 des Grundgesetzes, der den Schutz des Lebens anderer Menschen festlegt. „Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, das ebenfalls der Artikel 2 festschreibt, hat dahinter zurückzutreten.“

Der Saarbrücker Pharmazie-Professor Thorsten Lehr sagte „RTL direkt“, im nächsten Frühjahr führe kein Weg an einer Impfpflicht vorbei. Sie könne die Lage „schlagartig“ ändern. „Das Ende der Pandemie liegt mit der Impfpflicht in unseren Händen.“ Der Verwaltungsrechtler Hinnerk Wißmann von der Universität Münster sagte der „Welt“, eine Impflicht sei das mildere Mittel, „wenn die Alternative ist, den freien Staat in Lockdown-Endlosschleifen abzuschaffen“. Uwe Volkmann, Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht an der Goethe-Universität Frankfurt, sagte, die „Eingriffstiefe“ sei geringer als „die andernfalls erforderlichen gravierenden Freiheitseinschränkungen“.

Eine Impfpflicht wäre ein „schwerwiegender Eingriff“, sagt hingegen Ex-Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier. Grundsätzlich könne zwar in das Grundrecht auf Schutz der körperlichen Unversehrtheit auf gesetzlicher Basis eingegriffen werden. Doch dies bedürfe einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung.

Dafür wäre laut Papier beispielsweise zu klären, wie viele Menschen überhaupt in den Bereichen bisher nicht geimpft sind, für die eine Impfpflicht diskutiert wird. Und es wäre zu prüfen, ob mit der Impfung des Personals überhaupt die Ansteckungsgefahr minimiert oder gar ausgeschlossen würde.

„Es geht ja darum, einen beachtlichen Schutz anderer zu erreichen, insbesondere der Pflegebedürftigen oder der Kinder“, so Papier, „wenn das nicht oder nicht hinreichend gesichert ist, trotz Impfung, dann hätte ich starke Bedenken.“

Impfpflicht – kein Impfzwang

Der Bielefelder Rechtsprofessor Franz C. Mayer sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Die Freiheit der Einzelnen endet da, wo Freiheit und Gesundheit anderer in Gefahr sind – das ist hier der Fall, wenn die Impfkampagne nicht gelingt.“ Mayer machte klar, dass es um eine Impfpflicht und keinen Impfzwang ginge. Für Impfverweigerer seien ein Bußgeld oder gesetzliche Regelungen zum Verlust des Krankenversicherungsschutzes denkbar. Auch Ministerpräsident Kretschmann hält Bußgeld für möglich. Niemand werde im Gefängnis landen oder von der Polizei zum Impfen abgeholt.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, sieht eine Impfpflicht als letztes Mittel an. Den Funke-Zeitungen sagte er mit Blick auf aktuelle Corona-Maßnahmen: „Wenn das alles nichts hilft und die allgemeine Impfquote nicht deutlich steigt, werden wir nach meiner persönlichen Überzeugung um eine allgemeine Impfpflicht nicht herumkommen, um endlich aus diesem Teufelskreis von Lockerungen und Lockdowns auszubrechen.“

CDU-Vorsitzkandidat Merz hält Impfpflicht für nicht durchsetzbar

CDU-Vorsitzkandidat Friedrich Merz hält eine Impfpflicht indes in Deutschland für nicht durchsetzbar. „Die allgemeine Impfpflicht würde jetzt Wochen oder Monate dauern, bis sie wirkt“, sagte Merz am Dienstag im ARD-Morgenmagazin. Er sei zudem skeptisch, ob eine Impfpflicht verfassungsrechtlich unbedenklich sei. Auch die Durchsetzung bei Menschen, die sich „konsequent weigern“, halte er für schwierig, sagte Merz weiter.

Stattdessen schlug Merz eine konsequente Anwendung der 2G-Regel in ganz Deutschland vor. Dies sei ein „viel einfacherer und schnellerer Weg“ im Kampf gegen die Pandemie, sagte er. „Dann würde auch kein Fußballspieler mehr den Rasen betreten und kein Abgeordneter mehr den Deutschen Bundestag, der nicht geimpft ist“. Diese Maßnahme würde schnell greifen und „Scheindebatten“ über die Impfpflicht verhindern, sagte Merz weiter.

Kritisch äußerte sich der CDU-Vorsitzkandidat außerdem gegenüber dem SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz. Dieser habe in der letzten Zeit zu wenig Präsenz gezeigt, kritisierte Merz. „Ich hätte gerne mal gewusst, was er für eine Meinung hat zu dem Thema, das wir gerade diskutieren, die Impfpflicht“, sagte er.

Länder beraten über schärfere Corona-Regeln

An diesem Dienstag wollen mehrere Landeskabinette über schärfere Regeln beraten. In Bayern, Berlin und Brandenburg wollen die Landesregierungen entscheiden, auch in Niedersachsen soll eine neue Corona-Verordnung vorgestellt werden. Baden-Württemberg will voraussichtlich am Mittwoch bei allen Veranstaltungen in Kultur, Freizeit und Sport die Regel 2G plus einführen. Dann müssten auch Geimpfte und Genesene einen negativen Test vorweisen. Wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr, erweiterte die Regierung aus Grünen und CDU ihren Katalog für schärfere Maßnahmen. (dpa/oz)



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