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Geringere Beteiligung als in Vergangenheit

SPD-Mitgliederentscheid: Klingbeil gestärkt – Esken unter Druck

Die SPD-Basis hat mit klarer Mehrheit dem Eintritt in die Bundesregierung zugestimmt – erstmals vollständig digital. Generalsekretär Miersch sprach von einer „großen Rückendeckung“. Doch hinter den Kulissen tobt der Machtkampf um Saskia Esken – und Lars Klingbeil soll allein das SPD-Regierungsteam zusammenstellen.

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SPD-Generalsekretär Matthias Miersch bei der Präsentation des Abstimmungsergebnisses zum Koalitionsvertrag am 30. April 2025.

Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

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Lesedauer: 7 Min.

In einer kurzen Pressekonferenz hat SPD-Generalsekretär Matthias Miersch am Mittwoch, 30. April, das Ergebnis der Mitgliederabstimmung über den Koalitionsvertrag bekannt gegeben. Dabei würdigte er den reibungslosen Verlauf der ersten vollständig digital durchgeführten Abstimmung dieser Art.
Wie Miersch mitteilte, haben sich 200.637 von 358.322 stimmberechtigten Mitgliedern an dieser beteiligt. Damit war das Quorum von 20 Prozent, das für eine verbindliche Entscheidung erforderlich war, erfüllt. Die Mitglieder haben dem Eintritt der Sozialdemokraten in die Regierung mit einer Mehrheit von 169.725 Ja- gegenüber 30.912 Nein-Stimmen zugestimmt. Dies entsprach einer Mehrheit von 84,6 Prozent. Eine nähere Analyse des Ergebnisses etwa nach Regionen oder Altersgruppen sei leider nicht möglich, äußerte der Generalsekretär.

Generalsekretär lobt SPD für erfolgreiche Organisation der Abstimmung

Miersch lobte die Organisation der Abstimmung. Die Beteiligung und das Engagement vor Ort hätten zu der erfreulichen Beteiligung von 56 Prozent beigetragen. Er sei „mächtig stolz“ über dieses Ergebnis, das trotz der Osterferien zustande gekommen sei. Bei Veranstaltungen vor Ort habe es auch Hilfe für Mitglieder gegeben, die angesichts der rein digitalen Abstimmungsweise Verunsicherung gezeigt hätten.
Der Generalsekretär wies darauf hin, dass die Beteiligung an der Abstimmung höher gewesen war als beim Votum über den Parteivorsitz im Jahr 2019. Damals stimmten 53 Prozent der Mitglieder im ersten und 54 Prozent im zweiten Wahlgang für ein Führungsduo aus Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken. Die Befragung war nötig geworden, nachdem die damalige Parteivorsitzende Andrea Nahles nach Wahlniederlagen in Ostdeutschland ihren Rücktritt erklärt hatte. Sie wurde teils analog und teils digital durchgeführt.
Allerdings war die Beteiligung an der Mitgliederabstimmung auch die bis dato geringste von allen Basisvoten über Koalitionsbeteiligungen. Im Dezember 2013 nahmen rund 78 Prozent der SPD-Mitglieder an der analogen Befragung zum Koalitionsvertrag für das Kabinett Merkel III teil. Damals stimmten 75,96 Prozent der teilnehmenden Mitglieder für den Regierungseintritt.

„Durch sehr gute Regierungspolitik 2029 wieder stärkste Kraft werden“

Deutlich kritischer war die Haltung der SPD-Mitglieder zum erneuten Eintritt in eine Große Koalition im Jahr 2018. Damals stimmten nur noch 66,02 Prozent der neuerlichen Vereinbarung mit Angela Merkel zu. Mit einer Beteiligung von ebenfalls etwa 78 Prozent war jedoch auch hier die Beteiligung deutlich höher. Nach der Bundestagswahl 2021 stimmten bei einer Beteiligung von 70 Prozent 98,8 Prozent der Mitglieder für Olaf Scholz und seine Ampelkoalition.
Trotz der deutlich geringeren Teilnahme sprach Miersch von einer „großen Rückendeckung“ für eine Übernahme von Verantwortung durch eine SPD in der Bundesregierung. Die Sozialdemokraten hätten damit gezeigt, dass sie eine Mitgliederpartei seien. Man wolle, so Miersch, durch eine „sehr gute Regierungspolitik“ die Weichen dafür setzen, 2029 wieder stärkste Kraft im Land zu werden.
Am 5. Mai soll Lars Klingbeil, der infolge der Abstimmung nun Vizekanzler und Bundesfinanzminister werden solle, die neue Regierungsmannschaft der SPD vorstellen. Diese solle „Erfahrung und Kompetenz vereinen“, aber auch neue Gesichter beinhalten.

Bundesparteitag für Ende Juni in Berlin geplant

Für Verwunderung und Nachfragen bei Pressevertretern sorgte der Umstand, dass Klingbeil allein die Verantwortung für die Zusammenstellung der SPD-Regierungsmannschaft tragen soll. Immerhin ist neben ihm auch noch Saskia Esken Bundessprecherin der Partei, dennoch scheint sie in die Entscheidungsfindung nicht involviert zu sein.
Miersch betonte auf Nachfrage, dass Klingbeil zwar allein mit der Aufgabe betraut sei. Dabei werde er sich jedoch mit ihm selbst, Esken, den Ministerpräsidenten und den Präsidiumsmitgliedern abstimmen. Die Frage, ob am kommenden Montag eine komplette Personalliste vorgelegt werde, die Fraktions- und Parteivorsitz umfasse, ließ der Generalsekretär unbeantwortet.
Der Generalsekretär kündigte an, eine Kommission aus Vorstandsmitgliedern und Wissenschaftlern solle einen Prozess zur „programmatischen und organisatorischen“ Erneuerung der SPD einleiten. Anfang Juni soll es dazu einen Vorschlag an den Parteivorstand geben, der bis zum Bundesparteitag diskutiert werden solle. Auch die Mitglieder und Interessengruppen wie NGOs oder Gewerkschafter wolle man dabei einbinden. Der Parteitag selbst soll vom 27. bis 29. Juni 2025 in Berlin stattfinden.

SPD Baden-Württemberg fällt ihrer Bundessprecherin in den Rücken

Vor allem mit Blick auf Saskia Esken wird seit Wochen eine intensive Personaldebatte geführt. Bereits im Herbst des Vorjahres hatte es während der wichtigen Wahlkämpfe in drei ostdeutschen Bundesländern Kritik aus der eigenen Partei gegeben. So hatte Brandenburgs damalige Finanzministerin Katrin Lange ein „Talkshow-Verbot“ für die Bundessprecherin gefordert.
Aus ihrem eigenen Landesverband Baden-Württemberg und vonseiten der Bundestagsvizepräsidentin Josefine Ortleb kamen Zweifel an der Eignung Eskens für ein Ministeramt. Zuletzt hat ihr Landesverband Esken nicht für den Bundesvorstand nominiert, was als kaum verhohlener Affront galt.
Mehrere prominente SPD-Politiker, darunter Ministerpräsidentin Manuela Schwesig aus Mecklenburg-Vorpommern und ihr rheinland-pfälzischer Kollege Alexander Schweitzer, hatten sich jüngst für einen Verbleib von Lars Klingbeil an der Parteispitze ausgesprochen. Zu einem inhaltsgleichen Bekenntnis zu Esken konnten sie sich unterdessen nicht durchringen. Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung attestierte ihr in „Bild am Sonntag“, dass sie „keinen hilfreichen Beitrag leisten kann zu einem Wiederaufstieg der SPD“.

Rückendeckung für Esken vom linken Parteiflügel und aus einzelnen Landesverbänden

Vieles spricht dafür, dass einige in der Partei Esken als Sündenbock für die jüngsten Wahlniederlagen betrachten. Dass sich Klingbeil angesichts der weitverbreiteten Kritik nicht vor seine Sprecherkollegin stellt, handelt auch ihm Vorwürfe ein. Esken wiederum hatte jüngst ihre Ambitionen unterstrichen, ein Ministeramt zu übernehmen. Im Gespräch war etwa jenes für Entwicklungshilfe.
Allerdings hat Esken auch entschlossene Befürworter. Zu diesen gehören einige Juso-Funktionäre wie Benedict Lang aus Bayern, die Frauen-Chefin Maria Noichl oder Sachsen-Anhalts Landeschefin Juliane Kleemann. Es wird erwartet, dass Klingbeil eine Lösung sucht, die auf der einen Seite Esken aus der Schusslinie nimmt, ihm andererseits aber auch nicht den Ruf einträgt, sich an ihrer Demontage beteiligt zu haben.
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

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