Strompreisbremse: Habeck will Zufallsgewinne abschöpfen – Stadtwerke skeptisch

Um die geplante Strompreisbremse zu finanzieren, will Bundesminister Habeck sogenannte Zufallsgewinne abschöpfen. Diese zu ermitteln, ist jedoch komplex.
Strompreisbremse
Überlandleitung für Strom bei Bernburg, Sachsen-Anhalt: Ab 1. Januar 2023 soll nach dem Willen der Bundesregierung die Strompreisbremse in Kraft treten.
Von 24. Oktober 2022

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Neben den Entlastungsmaßnahmen für Gaskunden sieht der geplante „Abwehrschirm“ der Bundesregierung auch eine Strompreisbremse vor. Das Bundeskabinett will diese am 18. November beschließen. Die Maßnahme soll Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zufolge sogar früher zu greifen beginnen. Gegenüber dem „Handelsblatt“ erklärte der Minister:

Die Entlastung beim Strompreis muss in jedem Fall spätestens im Januar einsetzen.“

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte jüngst eine mögliche Vorverlegung auch der Gaspreisbremse ins Spiel gebracht. Der „Tagesschau“ zufolge befindet er sich dazu in Gesprächen mit den Energieversorgern. Die Gaspreisbremse soll am 1. März 2023 in Kraft treten. Um die Verbraucher bis zu diesem Zeitpunkt zu entlasten, will der Bund die Abschlagszahlung für den Monat Dezember übernehmen.

Ministerium legt Konzeptpapier für Strompreisbremse vor

Die Strompreisbremse soll vom Konzept her dem System ähneln, das die dafür eingesetzte Kommission der Bundesregierung für die Gaspreisbremse vorgeschlagen hat. Ein Grundkontingent soll subventioniert werden – im Fall von Gas sind es 80 Prozent. Für den darüber hinausgehenden Verbrauch gelten die Marktpreise.

Um die Strompreisbremse zu finanzieren, will die Regierung 90 Prozent der sogenannten Zufallsgewinne abschöpfen, die Energiekonzerne aus der Krise erlangt hatten. Dies geht aus einem 18-seitigen Papier des Bundeswirtschaftsministeriums hervor, über welches das „Handelsblatt“ berichtet hatte.

„Die Abschöpfung der Zufallsgewinne ist eine extrem komplexe Aufgabe“, erklärte Habeck dazu. Normalerweise würde man sich dafür zwei oder drei Jahre Zeit nehmen, jetzt habe man aber nur zwei Monate. „Wir setzen damit einen politischen Auftrag um, aber es ist gefahrgeneigt.“ Rechtliche Probleme hinsichtlich einer rückwirkenden Gewinnabschöpfung sieht der Minister nicht:

Grundsätzlich geht es um Gewinne, von denen die Energieproduzenten niemals zu träumen gewagt hätten.“

Es sei „schon eine Frage der Solidarität“, dass davon ein Teil dem Gemeinwohl diene. Habeck kündigte jedoch auch an, kritische Stimmen ernst zu nehmen.

Bundesregierung will Merit-Order nicht antasten

Diese kritischen Stimmen gibt es jedoch jetzt schon zuhauf. Die Bundesregierung definiert die Zufallsgewinne als solche, die vor allem Stromkonzerne mit niedrigen Produktionskosten machen. Betroffen sein sollen alle Formen der Energieerzeugung – auch jene der Erneuerbaren Energien, die besonders vom Merit-Order-Preisbildungssystem profitieren.

In diesem System wird der gesamte Strom für eine bestimmte Handelsstunde zu dem Preis abgerechnet, den der letzte teuerste Stromerzeuger erzielt hat. In Deutschland sind das die Gaskraftwerke. Die Bundesregierung will an diesem Mechanismus festhalten, um sicherzustellen, dass diese weiterhin produzieren, wenn alle günstigeren Varianten vollständig im Einsatz sind.

Dass die Erzeuger zehn Prozent der „Zufallsgewinne“ behalten dürfen, soll sie dazu motivieren, zweckdienlich zu produzieren. Wartungsarbeiten würden demnach für nachfragearme Perioden eingeplant, hingegen würden die Anbieter in gewinnträchtigen Zeiten die Produktion ausweiten.

Stadtwerke-Dachverband zeigt sich skeptisch

Habecks 18-seitiges Papier nennt jedoch selbst mögliche Fallstricke für das Vorhaben. So findet – insbesondere aufgrund der volatilen Verhältnisse auf dem Spotmarkt – nicht jede Stromvermarktung an der Strombörse statt. Häufig werden längerfristige Bindungen vonseiten der Unternehmen über den Terminmarkt bevorzugt. Die Vertragskonditionen aus diesen Vereinbarungen seien oft nur den Beteiligten selbst bekannt.

Der Hauptgeschäftsführer des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU), Ingbert Liebing, sieht deshalb auch die Gefahr, dass „mehr als nur krisenbedingte Zufallsgewinne abgeschöpft werden“. Eine kurzfristige Realisierung dieser Sondersteuer sei nicht möglich, weshalb andere steuerliche Maßnahmen sinnvoller wären. In dem Verband sind unter anderem die Stadtwerke organisiert, deren Preise für Bestandskunden der längerfristigen Vereinbarungen wegen bislang stabiler waren.

Das Ministerium selbst räumt mit Blick auf Termingeschäfte ein, es sei „unmöglich, alle Terminverträge zu sichten und Hedging von Spekulation zu unterscheiden“.

Abschöpfung der Zufallsgewinne soll Strompreisbremse nicht direkt finanzieren

Als mögliche Auswege spricht das Konzeptpapier eine Testierung durch Wirtschaftsprüfer oder Plausibilitätsprüfungen anhand öffentlich verfügbarer Daten an. Zudem sei eine persönliche Haftung des CEO eines Unternehmens für die Richtigkeit von Angaben angedacht.

Hinsichtlich der Gewinnabschöpfung bei Termingeschäften sehe man Ungenauigkeiten als „nicht vermeidbar, aber begrenzbar“ an. Benchmarks sollen demnach eine taugliche Grundlage bieten. Für unbillige Einzelfallgestaltungen solle es Härtefallregelungen geben.

Auch eine stufenweise Einführung der Gewinnabschöpfung sei denkbar. Eine rückwirkende Regelung für die Zeit vom 1. März bis 30. November 2022 solle demnach nur für den Spotmarkt gelten. Bezüglich der Termingeschäfte könnte der 1. Dezember als Starttermin fixiert werden.

Die abgeschöpften Gewinne will die Bundesregierung allerdings nicht direkt zur Finanzierung der Strompreisbremse nutzen. Stattdessen soll darüber eine Stabilisierung der Übertragungsnetzentgelte erfolgen. Diese bezahlen alle Stromverbraucher, und für 2023 will die Bundesregierung sie mit einem Zuschuss von 13 Milliarden Euro dämpfen.

Juristin: Netzbetreiber gar nicht in der Lage, Übergewinne zu ermitteln

Der auf Energierecht spezialisierten Juristin Jana Michaelis zufolge ist jeder Ansatz, rückwirkend bis März 2022 die „Zufallsgewinne“ zu besteuern, „juristisch sehr fragwürdig“. Dies äußerte sie gegenüber dem „Handelsblatt“.

Darüber hinaus verkenne das Bundesministerium, dass neben Energieversorgern auch noch andere Akteure in die Vermarktung von Strom involviert seien. Viele von ihnen seien auch branchenfremd, wie beispielsweise die Banken. Netzbetreiber seien im Übrigen mit der Ermittlung der sogenannten Übergewinne überfordert, betont Michaelis:

Ihnen fehlen die Mittel, einen Übergewinn festzustellen.“

(Mit Material von dts)



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