Logo Epoch Times

Analyse

plus-iconPiS bleibt in der Krise

Präsidentschaftswahl in Polen: Tusks Kandidat Trzaskowski in Umfragen klar vor PiS-Kandidat Nawrocki

Am 18. Mai wählt Polen einen neuen Präsidenten. Amtsinhaber Duda darf nicht mehr antreten – Umfragen deuten auf einen deutlichen Sieg von Trzaskowski von der regierenden PO hin. Gesellschaftliche Veränderungen in Polen wirken sich zulasten der konservativen PiS und ihres Kandidaten Nawrocki aus.

top-article-image

Polens Ministerpräsident und Vorsitzender der Bürgerplattform (PO), Donald Tusk (r.) und der Bürgermeister von Warschau, Rafal Trzaskowski (l.), am 9. Juni 2024 in Warschau.

Foto: Omar Marques/Getty Images

author-image
Artikel teilen

Lesedauer: 9 Min.

Am Sonntag, 18. Mai, findet in Polen die erste Runde der Präsidentschaftswahlen statt. Der 2015 und 2020 jeweils mit mehr als 51 Prozent in der Stichwahl gewählte Amtsinhaber Andrzej Duda darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren. Wahlberechtigt sind etwa 29 Millionen Bürger. Sollte – worauf Umfragen hindeuten – eine Stichwahl erforderlich werden, findet diese am 1. Juni statt.

Polen wählt in der Zeit seiner EU-Präsidentschaft

In der Vergangenheit hatten sich Prognosen zu Wahlen in Polen häufig als schwierig erwiesen. Viele von ihnen hatten Faktoren wie die Mobilisierungsfähigkeit der konservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in den kleinstädtischen und ländlichen Regionen unterschätzt. Allerdings deutet vieles darauf hin, dass sich der Kandidat der regierenden Bürgerplattform (PO), Warschaus Oberbürgermeister Rafał Trzaskowski, sowohl im ersten Durchgang als auch in der Stichwahl mit deutlichem Vorsprung durchsetzen wird.
Ein Sieg von Trzaskowski würde dem regierenden Premierminister, dem früheren EU-Ratspräsidenten Donald Tusk, das Regieren deutlich erleichtern. Die Regierungspartei hofft unter anderem auf Rückenwind durch die polnische EU-Präsidentschaft.
Außerdem baut die PO auf das Narrativ, dass seit ihrem Sieg bei den Parlamentswahlen im Oktober 2023 Polen nicht nur zu den wirtschaftlich stärksten Ländern der EU avanciert sei. Das Land habe in Europa auch insgesamt an Ansehen gewonnen.
In der Zeit der PiS-Regierung hatte Brüssel mehrfach Zahlungen an Polen zurückgehalten und EU-Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Grund dafür waren angebliche Verstöße gegen das Rechtsstaatsprinzip aufgrund von Justizreformen. Seit dem Regierungswechsel ist nichts davon mehr ein Thema – obwohl die PiS nun aus der Opposition heraus der PO ihrerseits vorwirft, den Staat in autoritärer Weise umzubauen.

Trzaskowski in Umfragen deutlich vor Nawrocki

Die jüngsten Umfragen sehen Trzaskowski in der ersten Runde bei etwa 32 Prozent. Das wäre ein etwas besseres Ergebnis als 2020, als er im ersten Durchgang auf 30,5 Prozent gekommen war. Allerdings steht er diesmal keinem Amtsinhaber gegenüber. Vor fünf Jahren war Duda, der 43,5 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte, mit einem deutlichen Vorsprung in die Stichwahl gegangen.
Dieses Mal geht der Historiker Karol Nawrocki für die PiS ins Rennen – und dieser konnte seit seiner Nominierung nur in wenigen Umfragen der 30-Prozent-Marke nahekommen. Zuletzt lag er um die 26 Prozent. In der wahrscheinlich nötigen Stichwahl könnte Trzaskowski mit einem deutlichen Sieg rechnen.
Was Nawrocki besonders ungelegen kommt, sind Berichte, wonach er einem älteren Herrn günstig eine Eigentumswohnung abgekauft haben soll. Allerdings fanden polnische Medien heraus, dass der Verkäufer nicht mehr selbst in der Wohnung verblieben ist, sondern in einem Altenheim wohnt. Nawrocki reagierte auf die Enthüllungen, indem er eine Schenkung der Wohnung an eine gemeinnützige Organisation ankündigte. Da in polnischen Städten eine massive Wohnungsnot herrscht, hat die Affäre den PiS-Kandidaten Ansehen gekostet.

Karol Nawrocki, ein Präsidentschaftskandidat, der von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unterstützt wird, begrüßt Anhänger und gibt Autogramme während einer politischen Kundgebung am 5. Mai 2025 in Garwolin, Polen.

Foto: Omar Marques/Getty Images

Stärkere Konkurrenz auf der Rechten

Ein weiterer Faktor, der zuungunsten des PiS-Kandidaten ausschlägt, ist die stärkere Konkurrenz auf der Rechten. Im Jahr 2020 war der Kandidat der Konföderation, Krzysztof Bosak, im ersten Durchgang auf 6,8 Prozent gekommen. Drei weitere rechte Kandidaten blieben im Null-Komma-Bereich.
Dieses Mal kann der Kandidat der Konföderation, Slawomir Mentzen, auf ein Ergebnis im zweistelligen Bereich hoffen. Einzelne Umfragen hatten den Unternehmer sogar bei bis zu 20 Prozent gesehen und ihm Chancen eingeräumt, Nawrocki den Platz in der Stichwahl streitig zu machen. Zuletzt sanken jedoch die Zustimmungswerte wieder – ähnlich wie bei den Parlamentswahlen, wo die Konföderation am Ende hinter vorangegangenen Umfragen zurückblieb. Sie standen zuletzt bei um die 12 Prozent.
Das Zielpublikum von PiS und Konföderation ist nicht deckungsgleich, und trotz einiger Gleichklänge in gesellschaftspolitischen Fragen stellen beide auch keine zwingenden strategischen Partner dar. Die PiS haben einen – stark religiös untermauerten – gesellschaftspolitischen Konservatismus mit wohlfahrtsstaatlichen Elementen gepaart. Auf diese Weise gelang es ihr, neben einem älteren und stark ländlichen Publikum auch Teile der Arbeiterschaft zu binden.

Tusk nimmt Polens langjähriger Regierungspartei die Themen weg

Die Konföderation setzt hingegen besonders auf jüngere, männliche Wähler und paart stark nationalistische Positionen mit wirtschaftsliberalen Forderungen. Anders als die PiS ist die Konföderation weniger stark religiös geprägt. Auch außenpolitisch gibt es deutliche Unterschiede. Die EU-Kritik ist bei der Konföderation deutlich fundamentaler ausgeprägt. Demgegenüber ist die PiS Russland gegenüber eher feindselig eingestellt – was auf die Konföderation nicht zutrifft.
Die PiS schafft es zudem auch deutlich weniger, sich durch den Appell an historische Ressentiments und eine restriktive Migrationspolitik in Szene zu setzen. Premier Tusk nimmt ihr durch seinen eigenen Themenmix den Wind aus den Segeln. Er betreibt selbst eine von Menschenrechtsorganisationen als überhart kritisierte Grenzschutzpolitik. Diese begründet er damit, einem angeblichen „hybriden Krieg“ Russlands und Belarus gegensteuern zu müssen, der Migration als Waffe einsetzt.
Von der EU erhält Tusk – anders als die PiS – für diese besonders restriktive Migrationspolitik Rückendeckung. Mit der Kritik der polnischen Regierung an Deutschlands Grenzkontrollen kommen der Premier und Trzaskowski ebenfalls der PiS zuvor. Selbst der abnehmenden Solidarität gegenüber der Ukraine trägt die PO Rechnung. Tusk ist treibende Kraft hinter höheren Einfuhrzöllen für ukrainische Agrarimporte. Trzaskowski fordert ein Ende des Kindergeldes für nicht berufstätige ukrainische Mütter in Polen.

Deutlich höherer Stimmenanteil für Kandidaten kleinerer Parteien als 2020

Sogar die Kulturkampfthemen lagert die PO aus. Sie überlässt das allzu prononcierte Eintreten für eine Lockerung des Abtreibungsverbots und für LGBTQ*-Rechte den Linkskandidaten. Magdalena Biejat und Adrian Zandberg können mit jeweils 5 Prozent im ersten Wahlgang rechnen.
Das wären etwas weniger als die 6 Prozent, die Umfragen dem Zentristen Szymon Hołownia vorhersagen. Allerdings blieben sie vor dem für antisemitische Ausfälle bekannten EU-Abgeordneten Grzegorz Braun, dem 3 Prozent zugetraut werden. Alle anderen Kandidaten werden bei deutlich unter 2 Prozent gehandelt.
Die polnische Rechte steht nicht erst seit der Abwahl der PiS-Regierung im Jahr 2023 vor einem Umbruch. Bereits zuvor hatte sich abgezeichnet, dass sich mehrere gesellschaftliche Entwicklungen zuungunsten der PiS auswirken, ohne dass deren Verluste durch Zugewinne der Konföderation ausgeglichen werden könnten.

Abnehmende Kirchenbindung und Überalterung als struktureller Nachteil für PiS

Ein Faktor, der sich zuungunsten der PiS auswirkt, ist die Überalterung ihrer Wählerschaft. Das Wegsterben von Traditionswählern konnte die Partei zuletzt nicht mehr durch jüngere Wähler ausgleichen. Zwar ist auch die PO in der Jugend nicht beliebt und der Anteil der Polen, die das Land in eine falsche Richtung gehen sieht, ist seit dem Regierungswechsel um 13 Prozentpunkte auf 50 Prozent gestiegen. Dennoch ist die Zahl der Wähler, die fest entschlossen sind, zur Wahl zu gehen, aufseiten der PO mittlerweile höher als bei der PiS.
Zudem ist die kulturprägende Kraft der Katholischen Kirche in Polen deutlich geringer geworden. Die Erosion machte sich vor allem unter jüngeren Menschen und in städtischen Milieus bemerkbar. Diese Entwicklung schadet auf parteipolitischer Ebene vor allem der PiS. Inwieweit der neue Papst Leo XIV. eine Veränderung bringen kann, ist bislang nicht abzusehen.
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

Aktuelle Artikel des Autors

Kommentare

Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.