„24-Stunden-Pflege“ mit 30 Arbeitsstunden pro Woche: Bulgarin klagt gegen schlechte Bezahlung

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Eine Altenpflegerin unterstützt in einem Pflegeheim eine Frau beim Essen. In den Einrichtungen mangelt es an Fachpersonal.Foto: Matthias Benirschke/dpa
Epoch Times22. Juni 2021

Ausländische Pflegekräfte, meist aus Osteuropa, sind oft die Rettung, wenn es um die Pflege naher Angehöriger in der eigenen Wohnung geht. Dass sich die Kosten dabei in Grenzen halten, liegt oft an den Arbeitsbedingungen der Pflege- und Betreuungskräfte. Über einen solchen Fall verhandelt am Donnerstag das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt. (Az: 5 AZR 505/20)

Die klagende Betreuerin aus Bulgarien hatte einen Arbeitsvertrag über 30 Wochenstunden und erhielt monatlich rund 1560 Euro. Die deutsche Vermittlungsagentur warb mit einer „24-Stunden-Pflege zu Hause“, und auch der Aufgabenbereich war entsprechend umfassend. Er sah Körperpflege, Hilfe beim Essen und die Führung des Haushalts vor, also Einkaufen, Kochen, Waschen und Putzen. Zudem sollte die Betreuerin noch Zeit finden, um den Pflegebedürftigen Gesellschaft zu leisten.

2015 betreute die Bulgarin eine über 90-jährige Frau in Berlin. Mit ihrer Klage macht sie geltend, sie habe faktisch rund um die Uhr gearbeitet oder nachts Bereitschaft geleistet.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg in Berlin gab ihr weitgehend recht. Eine „24-Stunden-Pflege“ sei mit 30 Wochenstunden nicht zu machen. Der Bulgarin seien umfassende und verantwortungsvolle Tätigkeiten übertragen worden. Der Arbeitgeber handele treuwidrig, wenn er gleichzeitig verlange, dass sie selbst für die Einhaltung der 30-stündigen Wochenarbeitszeit sorge. Diese Zeitvorgabe sei „für das zugesagte Leistungsspektrum unrealistisch“.

Konkret berechneten die Berliner Richter eine „vergütungspflichtige Arbeitszeit von kalendertäglich 21 Stunden“, das sind 147 Stunden pro Woche. Hierfür stehe der Frau der deutsche Mindestlohn zu, für die sieben Streitmonate insgesamt 38.377,50 Euro brutto. Tatsächlich bekommen hatte sie für diese Zeit 6.680,00 Euro.

Gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts legten beide Seiten Revision ein. Die vom DGB Rechtsschutz vertretene Bulgarin will volle 24 Stunden pro Tag für Arbeit oder nächtliche Bereitschaft vergütet bekommen – insgesamt 42.636,00 Euro. Die Vermittlungsagentur bestreitet eine über 30 Wochenstunden hinausgehende Tätigkeit. Jedenfalls habe sie davon nichts gewusst und sie auch nicht bewilligt. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts hierzu wird noch am Donnerstag erwartet.

Der von Dienstleistern und Vermittlern getragene Verband für häusliche Betreuung und Pflege in Berlin schätzt, dass in 300.000 deutschen Haushalten Pflege- und Betreuungskräfte aus Osteuropa arbeiten. Jedes Jahr seien dies insgesamt 700.000 Osteuropäerinnen, von denen „schätzungsweise 90 Prozent illegal arbeiten“. (afp)



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