
AfD-Verbot nicht in Sicht: Innenminister setzen auf juristische Klärung
Ein Verbot der AfD steht derzeit nicht auf der Agenda der Innenminister. Stattdessen will die Innenministerkonferenz (IMK) den Ausgang eines laufenden Gerichtsverfahrens abwarten. Die politische Debatte bleibt hitzig – doch juristisch überwiegt die Vorsicht. Unterdessen wagt Maximilian Krah (MdB) die Flucht nach vorn.

MdB Maximilian Krah fordert eine strategische Neuausrichtung der AfD.
Foto: Britta Pedersen/dpa
Ein mögliches Verbotsverfahren gegen die AfD scheint bis auf Weiteres nicht auf der innenpolitischen Tagesordnung zu stehen. Medienberichten zufolge hat sich die Innenministerkonferenz (IMK) am Freitag, 13. Juni, auf eine gemeinsame Linie geeinigt. So wollen die Minister den Ausgang des von der Partei angestrengten Gerichtsverfahrens gegen die Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz abwarten.
Erst wenn das Gericht diese Einstufung als zulässig beurteilen sollte, wollten die Minister eine Arbeitsgruppe bilden. Diese solle dann über den weiteren Umgang mit der Partei beraten. Dies betreffe Fragen wie Dienstrecht, Waffenbesitz oder Sicherheitsüberprüfungen. Die Planung eines Verbotsverfahrens stehe jedoch explizit nicht zur Debatte. Der „Focus“ verwies in seiner Berichterstattung auf ein internes Papier, das am Freitag die Runde gemacht habe.
AfD-Verbot kein Punkt der Tagesordnung – und doch Gesprächsthema
Offiziell sei die AfD kein Thema auf der Konferenz in Bremerhaven gewesen. Die versammelten Minister hätten jedoch am Rande der Zusammenkunft das Thema intensiv diskutiert. Im Vorfeld hatte der Innenminister von Thüringen, Georg Maier, vor einem „weiteren Zuwarten“ bezüglich eines Verbotsverfahrens gewarnt.
Unter den übrigen Innenministern überwog jedoch Skepsis bezüglich der Erfolgsaussichten eines solchen Schrittes. Anfang Mai hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD auf Bundesebene als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Dabei stützte sich das Amt auf ein Gutachten, das ursprünglich nicht zur Veröffentlichung bestimmt war. Allerdings hatte eine Quelle es an „Cicero“ geleakt, mittlerweile ist es frei im Netz verfügbar.
Die AfD hat vor dem Verwaltungsgericht Köln eine Klage gegen die Einstufung eingereicht. Als Konsequenz daraus hat das Bundesamt eine Stillhaltezusage gegenüber der Partei abgegeben. So werde die Behörde die Partei weiterhin lediglich als Verdachtsfall führen, bis eine Entscheidung des Gerichts in der Sache selbst vorliege.
Mäurer: Analyse des Verfassungsschutzes reicht nicht als Grundlage
Der Gastgeber der Innenministerkonferenz, Bremens Innensenator Ulrich Mäurer, hält das Gutachten für keine ausreichende Grundlage, um ein Verbotsverfahren gegen die AfD in Angriff zu nehmen. Dies entspreche auch der Einschätzung vieler seiner Kollegen innerhalb der IMK. Auch Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hatte bereits im Mai Zweifel daran geäußert, dass die Einschätzung als Basis für ein Verbotsverfahren tauge.
Wie Dobrindt weist auch Mäurer darauf hin, dass das Gutachten zwar in umfangreicher Weise darlege, warum die Politik der AfD das Verfassungsprinzip der Menschenwürde infrage stelle. Allerdings treffe es keine ausreichend klaren Einschätzungen bezüglich einer Gefährdung der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit.
Dadurch sei die Analyse „viel zu riskant und zu dünn, [um] ausschließlich mit einer solchen Argumentation zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe zu gehen“. Der Minister mahnt zu einem „sehr, sehr sorgfältigen“ Vorgehen. Viele Innenminister teilten die Sorge, dass „wir in ein Verfahren hineinlaufen, was am Ende mit einem Debakel endet“. Dies drohe jedoch, wenn man sich ausschließlich auf das Gutachten stütze.
Zwei Gruppenanträge für AfD-Verbot schafften es nur in die Ausschüsse
Im Bundestag brachten Abgeordnete im Januar 2025 zwei Gruppenanträge ein, die darauf abzielten, die Verfassungswidrigkeit der AfD durch das Bundesverfassungsgericht feststellen zu lassen. Diese Anträge wurden zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen. Mittlerweile ist der Bundestag neu konstituiert, die Anträge müssten neu eingebracht werden.
Innerhalb der Regierungskoalition gibt es im Bund keinen Konsens bezüglich eines möglichen Anlaufs für ein Verbotsverfahren. Tatsächlich blieben selbst bei einer Bestätigung der Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextrem“ hohe Hürden für ein Parteiverbot. Die Einstufung ermächtigt vorerst lediglich den Verfassungsschutz, die Partei mit weitreichenderen nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten.
Mehrere politische Parteien, die von Verfassungsschutzbehörden als „gesichert extremistisch“ eingestuft werden, bestehen bereits seit mehreren Jahrzehnten, ohne dass es ein Verbotsverfahren gegeben hätte. Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) wurde beispielsweise 1968 gegründet, die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) 1982.
Als extremistisch eingestufte Parteien konnten sich bislang nicht etablieren
Die Deutsche Volksunion (DVU) wurde seit ihrer Gründung als Partei 1987 im Verfassungsschutzbericht geführt. Ein Verbotsverfahren gab es bis zu ihrem Aufgehen in der NPD im Jahr 2011 nicht. Diese mittlerweile in „HEIMAT“ umbenannte Formation stellt die älteste bestehende extremistische Partei in Deutschland dar. In den Jahren 2001 und 2013 wurden gegen diese Verbotsverfahren eingeleitet. Diese scheiterten jedoch in beiden Fällen.
Im ersten Fall lehnte das Bundesverfassungsgericht eine Fortführung des Verfahrens ab. Die Verfassungsrichter bemängelten, dass in den Führungsetagen der Partei offenbar noch zum Zeitpunkt des Antrags Vertrauensleute von Verfassungsschutzbehörden tätig waren.
Diese seien in Positionen gewesen, die es ihnen ermöglicht hätte, Einfluss auf die Ausrichtung der Partei zu nehmen. Dies mache es unmöglich, auseinanderzuhalten, welche Äußerungen der Partei dieser selbst und welche dem Staat zuzurechnen seien. Im zweiten Verbotsverfahren bejahte das Bundesverfassungsgericht zwar eine verfassungswidrige Zielsetzung der NPD. Allerdings lehnte sie ein Verbot ab, da die Partei aufgrund ihrer Bedeutungslosigkeit nicht in der Lage sei, die Verfassung zu gefährden. Bis dato konnten sich seit den Verboten von KPD und SRP in den 1950er Jahren als extremistisch eingestufte Parteien – abgesehen von vereinzelten Parlamentseinzügen – nicht dauerhaft etablieren.
Krah fordert Neuausrichtung: Aus für „Remigration“ und Islamfeindlichkeit
Innerhalb der AfD selbst versucht derzeit der Bundestagsabgeordnete Maximilian Krah, eine Flucht nach vorn anzustoßen. Auf X und über weitere Kanäle äußerte Krah zwar, das Gutachten des Verfassungsschutzes zur Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ solle man nicht überbewertet. Allerdings machte er deutlich, demgegenüber das Urteil des Oberverwaltungsgerichts NRW vom Mai 2022 umso ernster zu nehmen.
Krah fordert deshalb eine strategische und inhaltliche Neuausrichtung der Partei. Zwar hält er an der Forderung nach einem weitgehenden Einwanderungsstopp mit Blick auf die Zukunft fest. Gleichzeitig plädiert er jedoch für eine Anerkennung der Multiethnizität des deutschen Staatsvolks. Die Debatte um „Remigration“ habe der AfD geschadet.
Sollten wesentliche Teile der Partei hier entgegen der gefestigten Spruchpraxis der Gerichte an Maximalforderungen festhalten, sei deren Zukunft in Gefahr.
Außerdem fordert Krah eine Akzeptanz religiöser Rechte auch für muslimische Communitys. Der Abgeordnete des neuen Bundestags war bereits zuvor einer Betrachtung des Islam entgegengetreten, die diesen ausschließlich auf eine dschihadistische Ausrichtung reduziert.
Das Oberverwaltungsgericht hatte der AfD attestiert, dort würden „in großem Umfang herabwürdigende Begriffe gegenüber Flüchtlingen und Muslimen verwendet“. Zum Teil stünden diese „in Verbindung mit konkreten, gegen die gleichberechtigte Religionsausübung von Muslimen gerichteten Forderungen“.
Gericht bestätigte „Missachtung der Menschenwürde von Ausländern und Muslimen“
Dies begründe hinreichende Anhaltspunkte für den Verdacht, dass „die AfD Bestrebungen verfolgt, die mit einer Missachtung der Menschenwürde von Ausländern und Muslimen verbunden sind“. Erst jüngst war die kirchenpolitische Sprecherin der Partei, Nicole Höchst, durch herabwürdigende Äußerungen gegen Muslime in Erscheinung getreten. Erst auf persönliches Drängen der Parteispitze soll sie bereit gewesen sein, einen entsprechenden Social-Media-Beitrag zu löschen.
Inwieweit Krah mit seinen Reformvorschlägen Aussicht auf Erfolg hat, ist nicht abzuschätzen. Der dem religiös-konservativen Spektrum zuzurechnende Ex-EU-Abgeordnete hatte bis dato eher auf dem rechten Parteiflügel Rückhalt genossen. Gerade dort droht er mit seinem Konzept eines „Binnen-Ethnopluralismus unter dem Dach des Verfassungsstaates“ jedoch nun in Ungnade zu fallen.
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.
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