Afghanistan jetzt als „Herkunftsland mit guter Bleibeperspektive“

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Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).Foto: Sean Gallup/Getty Images
Epoch Times6. Januar 2022

Afghanistan gilt nach einer neuen Einschätzung durch Bundesinnenministerin Nancy Faeser jetzt als „Herkunftsland mit guter Bleibeperspektive“.

Asylbewerbern aus dem inzwischen wieder von den Taliban regierten Land ermöglicht das, bereits vor einer Entscheidung über ihren Antrag in Deutschland an staatlich finanzierten Integrationskursen teilzunehmen. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr, entschied sich die SPD-Politikerin für diese Einstufung von Afghanistan, obgleich das dafür in den vergangenen Jahren geltende Kriterium einer „Gesamtschutzquote“ von mehr als 50 Prozent nicht erreicht ist. Vom Bundesinnenministerium wird das neue Votum in einer internen Vorlage damit begründet, dass schließlich davon auszugehen sei, dass die Schutzquote für Afghanistan „perspektivisch steigen wird“.

Damit hat sich das Innenministerium jetzt der Sichtweise von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) angeschlossen. Er hatte Asylbewerbern, die nach dem 1. August 2019 eingereist sind, bereits Mitte November 2021 Zugang zu den von seinem Ressort verantworteten Berufssprachkursen gewährt. Faesers Amtsvorgänger Horst Seehofer (CSU) hatte eine veränderte Einstufung Afghanistans damals abgelehnt.

Die sogenannte Gesamtschutzquote gibt den Anteil positiver Asylentscheidungen für Menschen aus einem bestimmten Land an, dazu zählen etwa auch der eingeschränkte Flüchtlingsschutz sowie Abschiebungsverbote. Als Herkunftsländer mit guter Bleibeperspektive gelten aktuell Syrien, Eritrea und Somalia.

Skepsis in der Migrationsabteilung

„Menschen, die zu uns kommen und absehbar in Deutschland bleiben, müssen wir frühzeitig integrieren“, erklärte Faeser ihre Entscheidung. Wer aus Afghanistan geflohen sei, werde erst einmal nicht dorthin zurückkehren können.

Vielmehr erfordere es die derzeitige Lage, „dass wir Woche für Woche Menschen aus Afghanistan evakuieren“. Die Öffnung der Integrationskurse, auch vor abschließender Entscheidung im Asylverfahren, sei da „ein längst überfälliger Schritt“.

In der Migrationsabteilung des Bundesinnenministeriums herrscht jedoch nach dpa-Informationen Skepsis. Begründet wird diese in einem „Sondervotum“ damit, dass unklar sei, „anhand welcher objektiven Kriterien“ diese Prognose vorgenommen werde. Außerdem schaffe das einen Präzedenzfall für andere Herkunftsländer.

Für Afghanistan lag die sogenannte Gesamtschutzquote in den ersten sieben Monaten des vergangenen Jahres bei rund 39 Prozent. Danach waren Asylentscheidungen zurückgestellt worden, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) auf eine neue Einschätzung der Lage in Afghanistan durch die Bundesregierung wartete. Seit dem 1. Dezember werden auf Basis neuer Leitsätze wieder Entscheidungen zu Anträgen von Afghanen getroffen.

Kritik an „lockererer Asylpolitik“

Die Bundeswehr war Ende Juni 2021 nach einem 20-jährigen Einsatz aus Afghanistan abgezogen. In der Folge des Abzugs aller auswärtigen Streitkräfte gewannen die militant-islamistischen Taliban die Oberhand in dem Land, Mitte August auch in der Hauptstadt Kabul.

Ehemalige Ortskräfte der Bundeswehr und anderer deutscher Institutionen sowie Menschenrechtler und weitere Asylsuchende Menschen aus Afghanistan, deren Aufnahme die Bundesregierung zugesagt hat, müssen keinen Asylantrag stellen. Sie haben grundsätzlich Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis, dürfen arbeiten und an Integrationskursen teilnehmen.

Faesers Entscheidung sei „als klares Signal der neuen Bundesregierung für eine lockerere Asylpolitik zu werten“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm. Bedenklich sei insbesondere, „dass Sie hierdurch mit dem bisherigen Verfahren bricht, dass an objektiven Kriterien ausgerichtet war“.

Dies werde zu einer Zunahme von Asylanträgen aus Afghanistan und aus anderen Ländern führen. Der CDU-Politiker betonte: „Davon losgelöst stehen wir natürlich zu unseren Verpflichtungen gegenüber den ehemaligen Ortskräfte und besonders gefährdeten Personen aus Afghanistan.“

SPD, Grüne und FDP hatten in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten: „Für eine möglichst rasche Integration wollen wir für alle Menschen, die nach Deutschland kommen, von Anfang an Integrationskurse anbieten.“ Ausländern wird in den Kursen neben der deutschen Sprache auch Wissen über die Rechtsordnung, Gepflogenheiten und die deutsche Geschichte vermittelt.

FDP-Chef wirbt für neue Einwanderungspolitik

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat im Zuge dessen erneut für eine neue Einwanderungspolitik in Deutschland geworben. „Viel zu lange hat sich Deutschland der Realität einer Einwanderungsgesellschaft nicht gestellt“, sagte der FDP-Chef am Donnerstag beim traditionellen Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart. „Das, was von früheren Regierungen jetzt der Ampel als politisches Erbe übertragen wird, das ist ein Rudiment der Gestaltung von Einwanderung nach Deutschland.“

Auf der einen Seite schiebe man bisweilen „die Falschen“ ab, auf der anderen Seite könne man Straftäter und Gefährder nicht nach Hause senden. „Wir können bereichert werden durch Menschen, die zu uns kommen, bei denen wir nicht danach fragen, wo ihre Herkunft ist, sondern welchen Platz im Leben sie einnehmen wollen und ob sie unsere Werte teilen“, so Lindner.

Als wichtigen Baustein einer neuen Einwanderungspolitik bezeichnete der FDP-Vorsitzende den Abschluss von Migrationsabkommen. Dafür solle zeitnah ein Sonderbeauftragter ernannt werden, sagte Lindner vor leeren Rängen im Stuttgarter Opernhaus. Das Dreikönigstreffen findet aufgrund der Corona-Pandemie wie schon im Vorjahr nur digital statt. (dpa/dts/dl)



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