CO₂-Bilanz: Nichts gewonnen durch Tempolimit?

Eine neue Studie des Umweltbundesamtes scheint den Nutzen eines Tempolimits für die CO₂-Bilanz zu beweisen. Doch es regt sich Kritik. Zudem: Die Studie zeigt Einsparpotenziale auf, die öffentlich nicht thematisiert werden.
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Das Umweltbundesamt hat in einer neuen Studie die Auswirkungen eines Tempolimits von 120 km/h auf Autobahnen untersucht.Foto: iStock
Von 11. März 2023

Eine Studie des Umweltbundesamtes hat die Diskussion um ein Tempolimit auf Autobahnen neu entfacht. Die Zahlen scheinen ein größeres Einsparvolumen von CO₂ bei Tempo 120 zu belegen als in einer ähnlichen Studie aus dem Jahr 2020. Kritiker werfen dem Amt vor, damit grüne Politik unterstützen zu wollen.

Die Studie erscheint just zu dem Zeitpunkt, in dem die Einstellung der Deutschen laut ADAC mit 52 Prozent leicht pro Tempolimit ausschlägt (44 Prozent sind dagegen). Zwar wurde im Koalitionsvertrag der Ampelparteien ein „generelles Tempolimit“ ausgeschlossen, die Grünen trommeln jedoch weiterhin dafür.

Wie die „Welt“ herausfand, ist in dem sogenannten Vorhabensvorschlag für die Studie, der bereits im Mai 2018 erstellt wurde, zumindest ein Indiz dafür zu finden, welches Ergebnis sich das Umweltbundesamt erhoffte. Dort steht: „Eine Aktualisierung der Datengrundlage könnte die Diskussion versachlichen und der Forderung nach einem allgemeinen Tempolimit neuen Aufwind geben (oder sie endgültig beerdigen aus Klima-/Umweltschutzgründen)“. Die Behörde habe also daran gedacht, „dass das Ergebnis einer solchen Studie neue Argumente für ein Geschwindigkeitslimit liefern würde“.

Die neue Ausarbeitung habe das Umweltbundesamt (UBA) 200.000 Euro gekostet. Der Betrag sei aus dem Haushalt des Umweltministeriums bezahlt worden.

Höheres CO₂-Einsparpotenzial bei 120 km/h?

In dem 360-seitigen „Abschlussbericht Flüssiger Verkehr für Klimaschutz und Luftreinhaltung“ wird das CO₂-Einsparpotenzial bei einer Autobahn-Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h mit 4,7 Mio. Tonnen CO₂ oder 2,9 Prozent der Gesamtemissionen des Straßenverkehrs beziffert. Im Gutachten von 2020 wurde von 2,6 Millionen Tonnen gesprochen.

Wenn Verhaltensänderungen berücksichtigt werden, gehen die Gesamtemissionen demnach sogar um 6,7 Millionen Tonnen CO₂ oder 4,2 Prozent zurück. Der Bericht rechnet ein, dass Autobahnen durch ein Tempolimit unattraktiver werden und die Verkehrsteilnehmer ihr Verhalten ändern – indem sie Landstraße statt Autobahn fahren oder andere Verkehrsmittel nutzen.

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat sich wiederholt gegen ein Tempolimit ausgesprochen. Da der Verkehrsbereich sein „Klimaziel“ 2022 jedoch um elf Millionen Tonnen CO₂ überschritten hat, gerät Wissing zunehmend unter Druck. Das Ziel ist im Klimaschutzgesetz vorgegeben. Der Verkehrssektor soll jedes Jahr weniger emittieren, 2030 dürfen es statt heute 150 nur noch 86 Millionen Tonnen CO₂ sein.

Für den umweltpolitischen Sprecher der Grünen im Bundestag, Stefan Gelbhaar, ist mit diesem Ergebnis jedoch klar: „Ein Tempolimit hat einen noch größeren positiven Effekt auf das Klima als gedacht.“ Das sei mit „noch genaueren Messdaten“ deutlich geworden und ein Tempolimit auf Autobahnen logischer denn je.

Bei Tempolimit: Umstieg auf das Flugzeug?

Kritik an der Studie übt der AfD-Bundestagsabgeordnete Dirk Spaniel. Im Gespräch mit der Epoch Times unterstellt er, dass mit der Studie eine „bestimmte politische Aussage generiert werden soll“. Die Bilanzgrenzen seien „so gewählt, dass eben das rauskommt, was der Autor oder der Interpret der Studie damit erreichen will“.

Beispielsweise würde der Inlandsflugverkehr in der Studie überhaupt nicht berücksichtigt. Deutschland habe von den großen Industrieländern die geringste Inlandsflugquote, was er auf ein gut ausgebautes Autobahnnetz ohne Tempolimit zurückführt. Die Menschen seien in der Lage, große Distanzen in vertretbaren Zeiträumen zu bewältigen. Bei der Einführung eines Tempolimits könnte es ein Umsteigen auf das Flugzeug geben, glaubt er. Die CO₂-Bilanz von Flugzeugen ist schlechter als die von Autos.

Volkswirtschaftliche Kosten

Ein anderer Punkt sei die größere Verkehrsdichte. Bei einem gleichbleibenden Verkehrsaufkommen stauten sich die Fahrzeuge bei einem geringeren Tempo und bräuchten länger, um ihr Ziel zu erreichen. Wenn dadurch zähfließender Verkehr oder Staus entstünden, stiegen die CO₂-Emissionen an, anstatt abzunehmen.

Spaniel: „Wenn ich langsamer fahre, dann brauche ich länger zum Ziel und wenn ich langsamer fahre und länger zum Ziel brauche, dann bin ich länger auf der Straße. Wenn ich länger auf der Straße bin, dann ist der Verkehr in dem Zeitraum, den ich länger auf der Straße bin, dichter als nötig. Warum ist das so? Das ist ganz einfach logisch. Das hat was mit dem Verkehrsdurchsatz pro Streckenlänge zu tun und der ist natürlich proportional zur Geschwindigkeit.“

Unterhalb einer mit Autos gesättigten Situation habe man unter Berücksichtigung des Sicherheitsabstandes bei 140 km/h, der heutigen mittleren Geschwindigkeit auf Autobahnen, einen Durchsatz von 930 Autos pro Stunde. Bei 120 km/h sind es 800 Autos. „Diese Differenz von über 130 Autos, die ich nicht durchschieben kann, die staut sich über einen längeren Zeitraum auf“, so Spaniel.

„Wenn die Fahrleistung sinkt, habe ich mehr Verkehr, also mehr Verkehrsdichte. Und das ist meine Kernkritik an dieser Studie, die ist logisch falsch aufgebaut. Wenn die Verkehrsdichteerhöhung kommt, ist der CO₂-Effekt weg.“

Durch das Tempolimit entstünden auch volkswirtschaftliche Kosten, sagt Spaniel. Wenn das Tempo von 140 km/h auf 120 km/h absinke, dann erhöhe sich die Fahrzeit um ungefähr 17 Prozent. Eine Zeit, in der man unproduktiv auf der Straße unterwegs ist. „Bezogen auf die volkswirtschaftliche Leistung ein gigantischer Faktor“, findet der Politiker, der aber in keine Rechnung einbezogen werde.

CO₂-Einsparung durch Parkleitsystem

Ansteigende CO₂-Emissionen gebe es auch durch den Parkplatzsuchverkehr. Dieser sei aufgrund der Verknappung von Parkplätzen im innerstädtischen Raum stark gewachsen. An dieser Stelle könne durch ein Parkleitsystem im städtischen Raum eine nennenswerte Menge CO₂ in Höhe von bis zu 2,9 Prozent eingespart werden – also ungefähr so viel wie durch ein Tempolimit. Dies sei ein Wert, der aus der Studie hervorgeht, aber nicht thematisiert werde.

Mit einem Tempolimit von 120 km/h auf den Autobahnen sei es aber nicht getan. Laut Studie muss parallel ein Tempolimit von 80 km/h auf Landstraßen kommen. Warum? „Um den Verlagerungseffekt auf die Landstraße zu verhindern […]. Ansonsten würden zu viele Nutzer auf die Landstraße ausweichen“, so Spaniel. 

In der Studie wird auch angenommen, dass es aufgrund der steigenden Unattraktivität des Autos Umsteigeeffekte gibt. Also, dass der ÖPNV genutzt wird. Laut Spaniel wird damit unterstellt, dass die Verkehrsträgerwahl eine freie Entscheidung ist, die sich nur an der Zeit ausrichtet. Eine Fehlannahme, wie er findet, „weil die allermeisten Personen andere Gründe haben, nämlich zum Beispiel Komfort oder Verfügbarkeit“.

Das Umweltbundesamt hat bis Redaktionsschluss nicht auf eine Bitte zur Kommentierung der von Dirk Spaniel geäußerten Kritik reagiert.

Weitere Unzulänglichkeiten

Die Zeitung „Welt“ hat auf weitere Unzulänglichkeiten der Studie hingewiesen, die die Autoren der Studie selbst nannten und die bei der Interpretation durch das Umweltbundesamt weggelassen wurden.

Zum einen das Alter der Daten. Diese stammen aus dem Jahr 2018 und sind vom Navigationsdienstleister TomTom. Innerhalb der vergangenen fünf Jahre kann sich das Fahrverhalten verändert haben. „Die Aussagen der Studie gelten deshalb für das Jahr 2018“, steht auf Seite sieben der Erläuterungen zur Studie. Ein zweiter Punkt betrifft die Geschwindigkeitsverteilung der Autofahrer.

Die TomTom-Daten ergeben, dass mehr als 37 Prozent der Autofahrer schneller als 130 km/h und rund zehn Prozent schneller als 160 km/h gefahren sind. Diese Werte stehen im Widerspruch zu einer Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Das IW kam zu dem Ergebnis, „dass nur 23 Prozent aller Fahrzeuge auf unbeschränkten Autobahnabschnitten mehr als 130 km/h schnell fuhren, weniger als zwei Prozent fuhren demnach über 160 km/h.“

Der signifikante Unterschied könnte dadurch zustande gekommen sein, dass die Navigationsgeräte tendenziell in höherpreisigen Fahrzeugen zum Einsatz kommen, die auf Autobahnen schneller unterwegs sind. Ein weiteres Problem mit den TomTom-Daten liegt darin, dass man nicht weiß, ob sie repräsentativ sind. Sie decken 15 Prozent des Autobahnverkehrs ab.

Darüber hinaus gebe es eine ungewöhnliche Häufung der Daten im Bereich von 80 bis 90 km/h, die laut TomTom mehr als zehn Prozent aller Fahrzeuge ausmachten. Ein Erklärungsansatz wären Baustellen, ein anderer, dass die Daten aus Lkw stammen, die allerdings aus der Studie ausgeklammert werden sollten. Es ist nicht auszuschließen, dass Lkw erfasst worden sind, denn der Navigationsdienstleister lege „die Methodik zur Differenzierung zwischen Pkw und Lkw nicht offen“.



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