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Kubicki empfiehlt abgewogenes Vorgehen

Keine Chance für AfD-Vorsitzende in Bundestagsausschüssen – Union und SPD lehnen Bestätigung ab

Der Bundestag hat die ständigen Ausschüsse für die laufende Legislaturperiode festgelegt. In den kommenden Tagen sollen diese besetzt werden. Obwohl die AfD als zweitstärkste Kraft das Vorschlagsrecht für sechs Vorsitzposten erhält, gelten ihre Kandidaten aufgrund parteiübergreifender Ablehnung weiterhin als nicht durchsetzbar.

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SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese kann sich ständige Ausschüsse im Bundestag unter AfD-Leitung nicht vorstellen.

Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

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Am Donnerstag, 15. Mai, hat der Bundestag die Zahl seiner ständigen Ausschüsse für die laufende Legislaturperiode bestimmt. Demnach werden in der 21. Wahlperiode 24 ständige Ausschüsse eingesetzt – einer weniger als noch von 2021 bis 2025. Die Zusammensetzung der Ausschüsse richtet sich nach der Zahl der Abgeordneten. Ähnlich ist es beim Vorschlagsrecht für den Posten des jeweiligen Vorsitzenden.
Als größte Fraktion darf die Union den Vorsitz in acht Ausschüssen erhalten. Sie wählte unter anderem jene für Außenpolitik und Verteidigung. In fünf Ausschüssen darf die SPD den Vorsitz übernehmen. Sie entschied sich unter anderem für Bildung/Familie und Gesundheit. Den Grünen stehen drei Ausschussvorsitzende zu, der Linksfraktion zwei. Als zweitstärkste Partei erhält die AfD eigentlich das Vorschlagsrecht für sechs Ausschussvorsitzende. Allerdings stehen die Chancen schlecht, dass diese tatsächlich von AfD-Abgeordneten geleitet werden.

Ausschüsse nach Stärkeverhältnis der Parteien besetzt

Die Vorsitzenden werden üblicherweise während der konstituierenden Sitzungen im Konsens bestimmt. Allerdings können einzelne Fraktion auf eine Wahl des Vorsitzenden bestehen. Dann benötigt der von der Fraktion mit dem Vorschlagsrecht benannte Kandidat eine Mehrheit unter den Ausschussmitgliedern, um bestätigt zu werden.
In den Ausschüssen, in denen der AfD das Vorschlagsrecht zusteht, ist mit diesem Vorgehen zu rechnen. Konkret würde es um den Haushaltsausschuss sowie jene für Finanzen, Inneres, Recht, Arbeit/Soziales und den Petitionsausschuss gehen. Um mit der erforderlichen Mehrheit bestätigt zu werden, müssten Ausschussmitglieder von Union und SPD entweder für den AfD-Vorschlag stimmen oder sich enthalten.
Dazu wird es jedoch voraussichtlich nicht kommen. Wie der neue Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Steffen Bilger, erklärte, gibt es eine Empfehlung an die Ausschussmitglieder, mit Nein zu stimmen. Bilger sagte:
„Wir gehen davon aus, dass keiner der AfD-Kandidaten Vorsitzender wird.“

SPD beharrt auf gemeinsamem Abstimmungsverhalten

Zuvor hatte es unterschiedliche Positionen in dieser Frage gegeben. Unionsfraktionschef Jens Spahn hatte sich vor einigen Wochen dafür ausgesprochen, mit der AfD im täglichen Parlamentsbetrieb so umzugehen wie mit allen anderen Oppositionsfraktionen auch.
Allerdings hatte auch Spahn eine Abstimmung mit dem Regierungspartner SPD bezüglich des Wahlverhaltens als wünschenswert bezeichnet. Diese hat bereits im Vorfeld die Wahl von AfD-Kandidaten zu Ausschussvorsitzenden als unwahrscheinlich bezeichnet. Fraktionsvize Dirk Wiese beharrte schon im Zuge der von Spahn initiierten Debatte auf einer gemeinsamen Position der Koalitionsparteien.
Auch im Gespräch mit dem SPD-Parteiblatt „vorwärts“ erklärte Wiese am Montag, 19. Mai, es sei das demokratische Recht der AfD, Ausschussvorsitzende zu benennen. Dies bedeute jedoch „nicht automatisch, dass die vorgeschlagenen Abgeordneten auch gewählt werden“. Er sehe nicht, dass es der AfD-Fraktion gelingen werde, eine Mehrheit in den Ausschüssen hinter sich zu vereinen.

Nach „Fall Brandner“ wurde kein Ausschuss im Bundestag von der AfD geleitet

Wiese begründete seine Position mit Erfahrungen aus der 19. Wahlperiode von 2017 bis 2021. Damals wurden drei Abgeordnete der erstmals im Bundestag vertretenen AfD zu Ausschussvorsitzenden gewählt. Während die Ausschussvorsitze von Peter Boehringer (Haushalt) und Sebastian Münzenmaier (Tourismus) unauffällig verliefen, kam es im Rechtsausschuss zum Eklat.
Infolge einiger Äußerungen Brandners auf Twitter, heute X, hatten die übrigen Fraktionen diesen im November 2019 zur Zurücklegung des Vorsitzes im Rechtsausschuss aufgefordert. Als dieser dem Ansinnen nicht nachkam, wählte ihn eine Mehrheit der Ausschussmitglieder ab. Dies war das erste Mal, dass ein Vorsitzender eines Ausschusses im Bundestag abgewählt wurde.
Seit dieser Zeit wurde kein von der AfD nominierter Ausschussvorsitzender für den Bundestag mehr bestätigt. Dirk Wiese zieht im Interview mit „vorwärts“ den Fall Brandner als mahnendes Beispiel heran, warum man auch künftig keine AfD-Abgeordneten mehr mit dem Vorsitz in ständigen Ausschüssen des Bundestages betrauen sollte.

Kubicki: Auch „einige wenige Vernünftige“ dort vertreten

CDU-Chef Friedrich Merz hatte im Vorfeld seiner Kanzlerwahl ebenfalls die Wahl von AfD-Kandidaten zu Ausschussvorsitzenden als „unvorstellbar“ bezeichnet. Begründet hatte er dies mit der am 2. Mai verkündeten Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz.
Auch wenn dieser sich mittlerweile bereit erklärt hat, bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln über einen Eilantrag der Partei diese Einstufung zurückzustellen, dürften in den Ausschüssen keine Mehrheiten mehr für AfD-Kandidaten zu finden sein. Es wird erwartet, dass an deren Stelle deren Stellvertreter oder das Ausschussmitglied, das dem Ausschuss am längsten angehört, die Leitung übernimmt.
Der frühere Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki hat sich unterdessen in der „Welt“ dafür ausgesprochen, zumindest einen oder zwei AfD-Abgeordnete zu stellvertretenden Vorsitzenden zu wählen. Es gebe „einige AfD-Mitglieder, die haben sich in der Vergangenheit exponiert und taugen dafür einfach gar nicht, weil sie nicht in der Lage sind, etwas gemeinschaftlich zu organisieren“. Es gebe aber auch „wenige Vernünftige in der AfD“.
Die derzeitige Praxis der Ausgrenzung trage dazu bei, dass „sich die Reihen dort zusammenzufügen, statt dafür Sorge zu tragen, dass dort auch ein Klärungsprozess stattfinde“, so Kubicki.
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

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