Onlineregister zur Organspende geht an den Start – was ist der Zweck?

Im Ringen um mehr Organspenden startet mit Verspätung nun ein neues Instrument: eine zentrale Datenbank zur Organspende. Wie soll das funktionieren? Das Wichtigste im Überblick.
Organspenden
Im Organspendeausweis kann man aus fünf verschiedenen Optionen wählen.Foto: Rolf Vennenbernd/dpa
Von 18. März 2024

Die Bundesregierung schickt ab Montag, 18. März, mit einiger Verspätung ein zentrales Register für Organspenden an den Start. Es soll auch eine digitale Möglichkeit anbieten.

Das neue Register solle schrittweise den bisherigen Spenderausweis in Papierform ablösen und die Zahl der dringend benötigten Spenden erhöhen, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Montagvormittag. Angesichts des anhaltenden Mangels an Spenderorganen forderte Lauterbach zugleich aber weitergehende gesetzliche Maßnahmen.

Er gehe davon aus, „dass wir langfristig die Zahl der Organspenden nur erhöhen können, indem wir die Widerspruchslösung einführen“, sagte der SPD-Politiker. Eine solche Lösung sähe vor, dass grundsätzlich jeder Mensch in Deutschland gesetzlich zum Organspender erklärt wird. Wer nicht damit einverstanden ist, muss aktiv seinen Widerspruch dagegen einlegen.

Für eine solche Lösung hatte es allerdings bei der Abstimmung im Bundestag 2020 keine Mehrheit gegeben. Verabschiedet wurde damals das Modell zur sogenannten Entscheidungslösung. Das bedeutet, jeder Mensch soll von sich aus dokumentieren, ob er Organe spenden will oder nicht. Seit Montag kann dies an zentraler Stelle über das neue Onlineregister erfolgen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will mit der Reform die Kliniklandschaft verändern.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hofft mit dem neuen Register auf mehr Organspender. Foto: Felix Müschen/dpa

Wer ab 16 Jahren einen Personalausweis beantragt, ihn nach zehn Jahren verlängert oder sich einen Pass besorgt, soll im Amt Infomaterial bekommen. Zudem sollen Hausärzte ihre Patienten bei Bedarf alle zwei Jahre ergebnisoffen über Organspenden informieren.

Wie funktioniert das Register?

Eingerichtet ist das Register unter www.organspende-register.de beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. In Betrieb gehen soll es schrittweise: Vom 18. März an soll man sich dort eintragen können, indem man einen Ausweis mit Online-Funktion (eID) verwendet.

Im zweiten Schritt zum 1. Juli sollen Kliniken, die Organe entnehmen, im Register Erklärungen suchen und abrufen können. Bis spätestens 30. September soll es dann möglich werden, dass man sich über entsprechende Apps der Krankenkassen eintragen kann. Ursprünglich sollte das Register zum 1. März 2022 starten. Verzögerungen gab es unter anderem wegen der Corona-Krise.

Was soll die Online-Erklärung bezwecken?

Eine Entscheidung dokumentieren kann man weiterhin auch auf einem Blatt Papier, in einer Patientenverfügung oder auf Organspendeausweisen, die es in Ämtern, Praxen, Apotheken und zum Herunterladen aus dem Internet gibt. Doch Papiere und Ausweise können verloren gehen oder im Ernstfall nicht zu finden sein.

Ein Eintrag im Register sorge da für Klarheit und Sicherheit, argumentiert Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Das erleichtere es Ärzten, eine mögliche Spendenbereitschaft schnell und verlässlich zu klären.

„Vor allem aber entlastet es Angehörige im Ernstfall von einer schweren Entscheidung.“ Gibt es keine Erklärung von Verstorbenen, werden nämlich etwa Ehepartner, volljährige Kinder oder Geschwister dazu angesprochen.

Was genau kann man im Register angeben?

Freiwillig eintragen kann man sich ab dem Alter von 16 Jahren. Wählbar sind fünf Optionen:

  • „Ja, ich gestatte, dass nach der ärztlichen Feststellung meines Todes meinem Körper Organe und Gewebe entnommen werden.“
  • „Ja, ich gestatte dies, mit Ausnahme folgender Organe/Gewebe.“
  • „Ja, ich gestatte dies, ich möchte jedoch nur bestimmte Organe/Gewebe zur Spende freigeben.“
  • „Über ja oder nein soll dann folgende Person entscheiden.“
  • „Nein, ich widerspreche der Entnahme von Organen oder Geweben.“

Einträge kann man ändern oder löschen. Generell gilt für Erklärungen, ob auf Papier oder digital: Es gilt immer die jüngste.

Wie funktioniert das Register technisch?

So einfach wie beim Online-Einkauf läuft es mit dem amtlichen Register nicht. Um Einträge machen zu können, benötigt man in der ersten Phase einen Personalausweis im Scheckkartenformat mit aktivierter Online-Funktion – laut Bundesinnenministerium waren davon Ende 2022 geschätzt 51,4 Millionen im Umlauf.

Haben muss man auch ein NFC-fähiges Mobiltelefon oder Tablet zum drahtlosen Datenaustausch oder ein Kartenlesegerät für Computer. Die Daten liegen auf einem Server in Deutschland, wie es beim Bundesinstitut heißt. Authentifizierungsverfahren sicherten, dass nur die erklärende Person und berechtigtes Klinikpersonal auf Einträge zugreifen können.

Wie ist überhaupt die Lage bei Organspenden?

„Wir haben weiterhin eine sehr schwierige Situation“, sagte Lauterbach. „Die Zahl der Organspender, die registriert sind oder den Ausweis haben, bleibt weit hinter dem zurück, was wir benötigen“, betonte er. Derzeit seien 8.400 Menschen auf der Warteliste für eine Organspende verzeichnet. Pro Jahr würden jedoch nur rund 900 Organe verpflanzt.

Im vergangenen Jahr haben 965 Menschen nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe gespendet. Das waren 96 mehr als 2022, wie die koordinierende Deutsche Stiftung Organtransplantation bilanzierte.

Die Anzahl der entnommenen Organe stieg um 8,1 Prozent auf 2.877, nämlich 1.488 Nieren, 766 Lebern, 303 Herzen, 266 Lungen, 52 Bauchspeicheldrüsen und zwei Därme. Damit Organspenden überhaupt infrage kommen, müssen zwei Fachärzte unabhängig voneinander den vollständigen und unumkehrbaren Ausfall des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms bestätigen, also den Hirntod.

Warum sind Organspenden umstritten?

In den meisten Ländern gilt der Hirntod als die rechtsgültige Definition des menschlichen Todes – so auch in Deutschland. Allerdings gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse, die den Hirntod als unumkehrbar infrage stellen. In seltenen Fällen sind auch als hirntot erklärte Patienten wieder aufgewacht.

„Unter anthropologischen Gesichtspunkten ist es nicht offenkundig, dass der Hirntod mit dem Tod gleichzusetzen ist“, stellte Prof. Dieter Birnbacher, ehemaliger Vorsitzender der Zentralen Ethikkommission der Bundesärztekammer, bereits vor einigen Jahren fest.

Das Argument von Kritikern ist, dass Organe von einem wirklich toten Menschen nicht mehr verwendet werden könnten. Somit würden bei einer Organentnahme „Organe von Lebenden, wenngleich unausweichlich Sterbenden“ entnommen, wie es auch Birnbacher in der „Ärztezeitung“ schilderte.

Wie geht es weiter?

Inwiefern das Register bekannt und genutzt wird, muss sich zeigen. Generell trifft es laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov auf breite Zustimmung. Demnach befürworten 71 Prozent ein solches Portal. Eine getroffene Entscheidung auf jeden Fall ins Register eintragen wollen 25 Prozent, zumindest eher Ja sagten 31 Prozent. Eher Nein dazu sagten 13 Prozent, auf keinen Fall 10 Prozent.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz bezeichnete das neue Register als unzureichend, wie der „Deutschlandfunk“ berichtete. Diejenigen mit wenig Interneterfahrung seien vom digitalen Angebot ausgeschlossen, so Vorstand Eugen Brysch.

Die Stiftung monierte auch, dass eine eigentlich im Gesetz festgelegte bürgernahe Eintragungsoption fehle: direkt in den Ausweisstellen. In keinem Passamt stünden datenschutzsichere Computerterminals dafür, sagte Brysch.

Einen Durchbruch durch das Onlineregister erwartet auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft nicht. Denn weiterhin müssten sich die Menschen aktiv mit der Frage beschäftigen, ob sie überhaupt zu einer Organspende bereit sind. Der Vorsitzende Gerald Gaß begrüßte die Widerspruchslösung.

Was ist mit den generellen Regeln für Organspenden?

Eine ganz grundsätzliche Diskussion schwelt weiter. Denn mit dem im Jahr 2020 beschlossenen Registergesetz bleiben Organspenden nur mit ausdrücklicher Zustimmung erlaubt. Die moderatere Reform setzte sich bei der Abstimmung im Bundestag gegen eine weitergehende Initiative durch. Demnach sollten alle Menschen zunächst automatisch als Organspender gelten, außer man widerspricht.

Lauterbach hatte sich damals als Abgeordneter dafür eingesetzt – und sprach sich 2023 angesichts der gesunkenen Spendenzahlen des vorherigen Jahres für einen neuen Anlauf im Parlament aus. Patientenschützer Brysch warnt, die Widerspruchslösung dürfe nun nicht wegen verschleppter Umsetzung des Registers durch die Hintertür erzwungen werden.

(Mit Material der Nachrichtenagenturen)



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