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Wichtige Fragen und Antworten

Polen beginnt mit Grenzkontrollen – für Reisen reicht der Personalausweis

Im Schengenraum gibt es keine Schlagbäume und Grenzposten mehr – eigentlich. Seit zwei Jahren kontrolliert Deutschland an den Ostgrenzen. Nun reagiert Polen. Was für Folgen hat das?

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Der Ärger über deutsche Kontrollen an der gemeinsamen Grenze ist in Polen gestiegen. Nun führt das Land selbst Kontrollen ein.

Foto: Bernd Wüstneck/dpa

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Lesedauer: 7 Min.

Wer von Polen nach Deutschland einreist, muss sich schon seit Oktober 2023 auf deutsche Grenzkontrollen einstellen. Die Folge sind oft lange Staus auf polnischer Seite.
Jetzt reagiert Polen. Ab diesem Montag kontrollieren die Behörden auch Reisende, Pendler und Laster in die Gegenrichtung, also auf polnischer Seite. Zunächst dauern die Maßnahmen bis zum 5. August.
Die polnische Regierung hatte vorab angeboten, darauf zu verzichten, wenn auch Deutschland seine Grenzkontrollen einstellt.

Was bedeuten die Grenzkontrollen für Deutschland?

Die Menschen müssen sich auf Wartezeiten vor der polnischen Grenze einstellen. Die Kontrollen sollen stichprobenartig vor allem Busse, Kleinbusse und Pkw mit vielen Insassen betreffen, wie Konrad Szwed vom polnischen Grenzschutz der Nachrichtenagentur PAP sagte.
„Auch Fahrzeuge mit getönten Scheiben werden im Fokus stehen.“ Es werde keine Schlagbäume oder Absperrungen geben. Allerdings würden vor den Kontrollpunkten entweder die Fahrbahnen verengt oder Schilder zur Verlangsamung des Verkehrs aufgestellt.
An den Einreiseregeln selbst ändert sich nichts. Für das Reisen reicht der Personalausweis, einen Pass braucht man nicht.

Was bedeuten sie für Pendler und den kleinen Grenzverkehr?

Vor allem für Pendler seien die deutschen Kontrollen schon länger eine Belastung – und nun kämen auch noch die auf polnischer Seite dazu, sagt Sachsens Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD). „Lange Wartezeiten, Planungsunsicherheit und gestörter Warenverkehr schaden am Ende allen Beteiligten.“
Der Sprecher von Polens Grenzschutz sagte dazu, die Beamten würden sich bemühen, Berufspendler aus den grenznahen Gebieten ohne große Verzögerungen durchzulassen.
Aus Polen pendeln täglich 13.000 Menschen nach Sachsen. In Brandenburg sind es nach Angaben der Industrie- und Handelskammern täglich mehr als 14.000.
Im Grenzgebiet fahren zudem viele Menschen aus Deutschland zum Tanken oder Einkaufen nach Polen, wo günstige Preise locken. Mit beidseitigen Kontrollen befürchtet Brandenburgs Innenminister René Wilke „mögliche Verkehrskollapse“. Hunderttausende seien betroffen.

Was bewirkte die Regelverschärfung im Mai?

Deutschland begann mit den Kontrollen 2023, um Migranten ohne Papiere die Einreise zu verwehren. Die neue Bundesregierung verschärfte Anfang Mai die Regeln: Abgewiesen werden können nun – anders als zuvor – auch Menschen, die ein Asylbegehren äußern.
Die vorläufige Bilanz der Bundespolizei: Seit 8. Mai registrierte sie an allen deutschen Landgrenzen 7.960 unerlaubte Einreisen. 6.193 Menschen wurden unmittelbar zurückgewiesen oder zurückgeschoben (Stand 1. Juli). Darunter waren 285 Menschen, die ein Asylbegehren geäußert hatten.
Allein an der deutsch-polnischen Grenze gab es laut Innenministerium rund 1.300 Zurückweisungen, in jedem zehnten Fall wurde ein Asylgesuch geäußert.

Was sagt die Wirtschaft dazu?

Die Industrie- und Handelskammern in Brandenburg sprechen von einer Eskalation und schlagen Alarm. Polen sei Brandenburgs wichtigster Außenhandelspartner: 2024 seien Exporte für 4,1 Milliarden Euro aus dem Bundesland zu den östlichen Nachbarn gegangen und Waren für 4,5 Milliarden Euro in die Gegenrichtung.
Brandenburg, Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern sind Durchgangsstation für den Warenverkehr mit Osteuropa. Nach Angaben des Logistikverbands BGL verzeichnet die Mautstatistik 2024 gut 9,7 Millionen Ein- und Ausfahrten mautpflichtiger Lkw an den deutsch-polnischen Grenzübergängen.
Mit Staus drohten Einbußen, warnt die Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg. Hemmnisse in Europa und Verzögerungen beim Grenzübertritt wirkten sich auf den gesamten EU-Wirtschaftsraum aus, ergänzen die Industrie- und Handelskammern.
Auch polnische Transportunternehmer sind in Sorge. Die Unternehmen würden in großem Maße Produktionslinien in Fabriken in Westeuropa mit in Polen herstellten Komponenten bedienen, sagte Jan Buczek, Vorsitzender des polnischen Verbandes der internationalen Transportunternehmen, der Zeitung „Dziennik Gazeta Prawna“.
Er befürchte, dass die polnische Seite hundertprozentige Kontrollen durchführen wird, was auf dem Rückweg zu einer Blockade von mehreren Stunden oder sogar mehreren Tagen führen könne.

Wer steckt hinter den polnischen Bürgerwehren an der Grenze?

Seit einiger Zeit organisieren polnische Rechtsextreme Patrouillen, die an den Grenzübergängen eigenmächtig Fahrzeuge anhalten, Passanten nach Dokumenten fragen und nach Migranten fahnden.
Hinter der „Bewegung zur Verteidigung der Grenzen“ steht der in Polen bekannte rechte Robert Bakiewicz, der jährlich Aufmärsche zum polnischen Unabhängigkeitstag in Warschau organisiert. Der Regierung in Warschau sind diese Gruppierungen ein Dorn im Auge.
Polnische Rechtsradikale haben Bürgerwehren formiert, die an der Grenze nach Migranten suchen. (Archivbild)

Polnische Rechtsradikale haben Bürgerwehren formiert, die an der Grenze nach Migranten suchen. (Archivbild)

Foto: Patrick Pleul/dpa

Innenminister Tomasz Siemoniak hat angekündigt, dass Fälle von Amtsanmaßung und Beamtenbeleidigung konsequent bestraft werden.

Werden jetzt Asylbewerber hin und her geschickt?

Das befürchtet die Gewerkschaft der Polizei. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) dagegen ist überzeugt, ein solches „Pingpong-Spiel“ werde es nicht geben. Er betont die gute Zusammenarbeit zwischen der Bundespolizei und den polnischen Grenzschützern.
Unstimmigkeiten sind – so hört man aus der Praxis – tatsächlich selten. Kurz nach dem Beginn der verschärften Grenzkontrollen im Mai verweigerte Polen die Einreise von zwei afghanischen Männern, die bei Guben unerlaubt nach Brandenburg eingereist waren und sagten, sie wollten Asyl beantragen. Sie wurden daraufhin zur Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt gebracht.

Ist die grenzenlose Reisefreiheit in Europa am Ende?

Kontrolliert wird inzwischen wieder vielerorts im Schengen-Raum – obwohl dies eigentlich eine befristete Ausnahme sein sollte. Die frühere Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) führte im Oktober 2023 die Kontrollen an den Ostgrenzen ein und ab September 2024 dann an allen deutschen Landgrenzen.
Österreich kontrolliert an den Grenzen zu Ungarn und Slowenien. Auch Frankreich, die Niederlande und Slowenien machen von der Möglichkeit Gebrauch. Meist wird dies mit zu viel irregulärer Migration begründet.
Zum Teil spielen aber auch Sicherheitsfragen eine Rolle, wie etwa in Frankreich, das auch terroristische Bedrohungen zur Begründung anführt.

Wie lange wird das andauern?

Die polnischen Kontrollen sind zunächst befristet bis 5. August. Wann sich die Lage insgesamt normalisiert, ist nicht abzusehen. Es hängt unter anderem davon ab, wie sich die Regeln des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) in der Praxis bewähren. Sie sollen ab Mitte Juni 2026 gelten.
Die Reform sieht vor, dass Schutzsuchende künftig an den EU-Außengrenzen registriert werden, inklusive Identitätsfeststellung und biometrischer Daten. Für Menschen aus Staaten mit niedriger Anerkennungsquote soll es beschleunigte Asylverfahren an den Außengrenzen geben. (dpa/red)

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