„Steckerfahrzeuge“ bereiten Kopfzerbrechen

Die Regierung will einen raschen Ausbau der E-Mobilität und entsprechende Ladepunkte – mitten in einer Energiekrise. 15 Millionen vollelektrische Pkw bis zum Jahr 2030 auf die Straße zu bringen, wird kaum gelingen.
Ausbau der E-Mobilität - Wie viele Ladepunkte verträgt unser Stromnetz?
Eine Ladesäule mit einem Elektroauto.Foto: Axel Heimken/dpa
Von 1. Dezember 2022

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Deutschland bemüht sich, Elektromobilität und die Anzahl der dafür nötigen Ladepunkte auszubauen. Die Bundesregierung gab dazu Ende 2021 ein gewagtes Ziel vor: „Mindestens 15 Millionen vollelektrische Pkw bis 2030“. So steht es auf Seite 22 des Koalitionsvertrages.

Das Frankfurter Marktforschungsunternehmen Dataforce nahm nach dieser Ankündigung eine genauere Analyse vor und sagt: Das wird nichts.

Die Bundesnetzagentur erwägt wegen möglicher Überlastungen des Stromnetzes bereits eine mögliche Regulierung des Lademanagements, die zum 1. Januar 2023 in Kraft treten soll. Dabei sei rechtlich auch eine verpflichtende Lösung möglich, wie das „Handelsblatt“ berichtete. Das könnte bedeuten, dass E-Autos nur zu bestimmten Uhrzeiten aufgeladen werden dürfen.

Rechnung geht nicht auf: 11 Millionen „Steckerfahrzeuge“ erwartet

Die Anzahl der zugelassenen Elektroautos betrug am 1. Oktober 2022 rund 840.600 (Pkw mit ausschließlich elektrischer Energiequelle; BEV). Je nach Definition werden auch Plugin-Hybrid-Pkw als Elektroautos gezählt. Deren Bestand belief sich am 1. Oktober 2022 auf etwa 745.000.

Der Marktanteil der E-Autos lag nach einem Bericht des ADAC im Oktober 2022 bei 17,1 Prozent. Das ist der gleiche Wert wie vor einem Jahr. Allerdings wurden damals in absoluten Zahlen noch merklich weniger derartige Autos verkauft.

In einer Bestandsprognose rechneten die Marktexperten von Dataforce Anfang 2022 auch Plug-in-Hybride zu den elektrifizierten Fahrzeugen, den „Steckerfahrzeugen“. Die Analysten erwarten im Jahr 2030 einen realistischen Bestand von rund 11 Millionen „Elektrifizierten“. Das entspreche einem Anteil von 23 Prozent im gesamtdeutschen Pkw-Bestand, sofern dieser bei den 48,54 Millionen Pkw (Stand März) bliebe.

Ladepunkte werden zum größten Verbraucher im Haus

Elektroautos benötigen Ladepunkte. Wie sieht es damit aus? Mit dem stetigen Ausbau der Elektromobilität muss auch die Anzahl der Ladepunkte immer weiter erhöht werden.

Über einen Fördertopf des Bundes haben mehr als 800.000 Haushalte einen Zuschuss für eine private Ladestation beantragt, berichtet „t-online“. Vor dem Zeitalter der Elektroautos seien die größten Verbraucher im Haushalt Saunen oder Elektroherde gewesen. Ein privater Ladepunkt – auch Wallbox genannt – habe mit bis zu 22 Kilowatt jedoch eine doppelt so hohe Leistung.

Aus Sicht der Bundesnetzagentur stehen die Verteilnetze durch den Hochlauf von E-Fahrzeugen vor großen Herausforderungen. Als Grund nennt die Behörde „teils beträchtlich höhere Bezugsleistungen“ und eine deutlich höhere Gleichzeitigkeit bei der Nutzung.

Erfurter Stromanbieter sieht Raum nach oben

Der Stromanbieter SWE Netz (Erfurt) teilte der Epoch Times auf Anfrage die aktuelle Lage der E-Mobilität in seinem Einzugsbereich mit. Bei dem Versorger seien 355 „E-Mob-Netzanschlüsse“ registriert und am Netz (Stand 1.8.). Dies betreffe alle E-Mob-Entnahmepunkte und nicht nur jene Ladesäulen, welche direkt am Netz der SWE Netz angeschlossen sind oder sich direkt über den Installateur oder per Netzportal angemeldet haben und in Betrieb sind. „Ende 2021 waren dies 198 Stück. Die Nachfrage ist groß und steigt stetig“, so die Auskunft von SWE Netz.

Das Stromnetz sei noch nicht an seiner Grenze. Probleme würden in Tiefgaragen auftreten, wenn Eigentümer oder Nutzer Ihre E-Autos laden wollen, das Gesamtobjekt aber von einer zentralen Stelle aus versorgt wird und die Kapazität des Netzanschlusses bereits ausgereizt ist.

SWE Netz schätzt grob, dass das Erfurter Stromnetz derzeit etwa 30 bis 50 Prozent mehr E-Autos in der aktuellen Infrastruktur verkraften kann. „Dann wird es in lokalen Bereich sicher etwas knapp“, vermutet der Stromanbieter. „Wir schätzen ein, dass diese Prozentzahlen aber erst in mehreren Jahren erreicht werden.“

SWE Netz rechnet, dass bis dahin weitere Entwicklungen im Netz und in der digitalen Infrastruktur stattfänden. Mittels intelligenten Steuerungen und Lastregelungen sollten damit noch sehr viel mehr Autos elektrisch auf den Straßen rollen können, teilt SWE Netz zuversichtlich mit.

Karlsruhe: Schnellladung ist ein Problem

Die baden-württembergischen Stadtwerke Karlsruhe antworteten der Epoch Times ebenfalls auf Anfrage. Bei der Netzservice Gesellschaft der Stadtwerke als zuständigem Netzbetreiber seien aktuell 2.661 Wallboxen gemeldet.

Ein E-Auto, das 20.000 Kilometer oder mehr pro Jahr zurücklegt, würde laut den Stadtwerken den Strombedarf eines 3-Personen-Haushalts in etwa verdoppeln. Das bedeutet 2.500 kWh zusätzlich. Bei 2.661 Haushalten ergibt das einen zusätzlichen Jahresverbrauch von rund 6,6 GWh in der 313.000 großen Stadt – der Jahresertrag einer Windkraftanlage.

Kritisch sehen die Stadtwerke Karlsruhe die Eignung der derzeitigen Stromnetze. „Möchte jeder, dass sein Auto möglichst schnell geladen wird, ist das ein Problem.“ Die Frage der gleichzeitigen Ladeleistung würden die Netzbetreiber generell kritisch betrachten. Denn das normale Niederspannungsverteilnetz in einer Straße sei noch nicht ausgelegt für zehn gleichzeitige Power-Schnellladungen mit 50 kW, die von der Leistungsanforderung vergleichbar mit 200 zusätzlichen Haushalten sind.

Bei einem langsamen, akkuschonenden Laden im Privatbereich hingen die Autos meist zehn Stunden jede Nacht am Stecker. Hier würden 11 kW Ladeleistung ausreichen, erklären die Stadtwerke. In der Regel würde nicht jede Batterie jeden Tag leer gefahren werden und auch die meisten Fahrzeugmodelle gut von 0 auf 100 Prozent über Nacht aufgeladen werden können. Bei den Haushalten reiche eine langsam ladende Infrastruktur. Die vorhandenen Netze seien demnach für ein langsames Laden ausgelegt.

Feldversuch mit 113 Haushalten

Der baden-württembergischen Netzbetreiber Netze BW hat an mehreren Pilotprojekten geforscht. In sogenannten Netzlaboren wurden Anwohner in ausgewählten Wohnvierteln mit E-Autos und Ladestationen ausgestattet. Das Ziel: unter realen Bedingungen testen, wie und wann die Menschen ihr Auto laden, was das für das lokale Netz bedeutet und welche Möglichkeiten es gibt, die Belastung für die Netze zu reduzieren. Insgesamt waren 113 Haushalte an acht Standorten beteiligt.

Das Ergebnis des Versuchs gab erste Schlüsse, inwieweit das Stromnetz beansprucht werde. In den Netzlaboren pendelte der Wert der Gleichzeitigkeit zwischen 22 und 88 Prozent und lag im Mittel bei 50 Prozent. Jedoch stellt sich die Frage, inwieweit 113 Haushalte repräsentativ für die gesamte Gesellschaft sind.



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