Mehr Waffen, mehr Verschwörer, zwei Feindeslisten und eine Panne

Die am 7. Dezember ausgehobene Gruppierung von mutmaßlichen Reichsbürgern hat wohl mehr Waffen und Edelmetalle besessen als zunächst gemeldet. Zwei Feindeslisten sollen inzwischen sichergestellt sein. In Bayern könnte das LKA einen Fehler gemacht haben.
Titelbild
Symbolbild. Auf dem Foto sind Aktivisten der „Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) am 12. April 2021 vor dem Reichstag zu sehen.Foto: Tobias Schwarz / gettyimages
Von 13. Dezember 2022

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Sechs Tage nach der „Reichsbürger-Razzia“ kommen immer mehr Details ans Licht. Nach Informationen der Zeitung Welt sollen deutlich mehr Waffen bei den Objekt-Durchsuchungen gefunden worden sein als bisher bekannt. Außerdem habe man eine „dreistellige“ Zahl von „Verschwiegenheitserklärungen“ für Mitglieder des Netzwerkes sichergestellt.

In den „Verschwiegenheitserklärungen“ sei bei Zuwiderhandlungen die Todesstrafe angedroht worden. Allein diese Punkte legten die Vermutung nahe, dass deutlich mehr als die bisher festgenommenen 25 und 27 weiteren beschuldigte Personen zu den mutmaßlich Verschwörern gehörten, so die Welt.

Auch das Nachrichtenmagazin Focus geht nach Äußerungen aus den Reihen des Bundestagsrechtsausschusses von „deutlich mehr Mitwissern als bislang bekannt“ und von einer dreistelligen Zahl an Verschwiegenheitserklärungen aus.

Waffen, Edelmetalle, Sat-Telefone

Der Generalbundesanwalt, das Innenministerium, das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz berichteten nach Welt-Informationen am Montag, 12. Dezember, in einer nicht öffentlichen Sitzung des Bundestagsinnenausschusses, dass mittlerweile insgesamt 93 Waffen beschlagnahmt worden seien, darunter 19 Faustfeuerwaffen und 25 Langwaffen. Der Rest habe aus Messern, Armbrüsten, Dekorationswaffen und Schreckschusspistolen bestanden. Dazu kämen noch „rund 200 legale Waffen eines Waffenhändlers, der ebenfalls zu den Beschuldigten“ gehöre. Das hätten Mitglieder des Innenausschusses gegenüber der „Welt“ ausgesagt.

Die Bundestagsabgeordneten hätten weiter berichtet, dass „Satelliten-Telefone“ und „ein zweistelliger Kilobetrag von Edelmetallen und Satelliten-Telefonen“ gefunden worden seien. Es existiere wohl auch ein Schließfach, das „Gold im Wert von mehreren Millionen Euro“ enthalte. Dieses Schließfach sei aber noch nicht gefunden worden. Konkretere Zahlen nannte laut „Focus“ das Ausschussmitglied Clara Bünger. Sie habe von „mehr als 400.000 Euro in Bar, Gold- und Silbermünzen“ gehört. Das noch unentdeckte Schließfach solle „Goldbarren im Wert von sechs Millionen Euro“ enthalten.

Politiker auf „Feindeslisten“

Die Verschwörer hätten bereits damit begonnen, in den Bundesländern Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen sogenannte „Heimatschutzkompanien“ aufzubauen, so die Mitglieder des Innenausschusses nach Gesprächen mit der „Welt“. Ziel sei es gewesen, 286 solcher Kompanien zu errichten. Dafür seien bereits „eine relevante Anzahl von Kasernen ausgekundschaftet“ worden. Zu den ersten Zielen der Gruppierung sollen Kommunalpolitiker wie etwa Bürgermeister gehört haben. Der Begriff „Säuberungen“ sei gefallen. Wie der Focus schreibt, hätten dafür „mehr als hundert Verschwörer“ Menschen „festnehmen und exekutieren“ sollen. Dies habe Clara Bünger nach Gesprächen mit einem Vertreter der Bundesanwaltschaft ausgesagt.

Auch eine zweite mögliche „Feindesliste“ mit Namen von zehn baden-württembergischen Politikern sei gefunden. Das habe das Nachrichtenmagazin ntv herausgefunden. Die Liste soll die Adressen der Wahlkreisbüros von Abgeordneten, außerdem die Namen und Praxisadressen von Ärzten enthalten. Das Schriftstück trage die Handschrift des verhafteten Tatverdächtigen Marco v. H.

Die Existenz einer anderen, älteren „Feindesliste“ war nach dem ntv-Bericht bereits im Verlauf der vergangenen Woche an die Betroffenen kommuniziert worden. Das Papier sei bereits im Frühling bei dem mutmaßlichen Terrorgruppenangehörigen Peter W. sichergestellt worden. Es enthalte die Namen von sieben Kabinettsmitgliedern und Bundestagsabgeordneten, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz, Kevin Kühnert und Saskia Esken (alle SPD), Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen (alle CDU) und Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen).

Bei Peter W. soll es sich um einen jener Tatverdächtigen handeln, deren Auftrag die Erstürmung des Reichstags gewesen sei. Nach einem „Spiegel“-Bericht soll W. zusammen mit vier weiteren Verdächtigen im April 2022 unter falschem Namen „auf einer ehemaligen Bundeswehrschießanlage bei Bayreuth“ trainiert haben, schreibt ntv.

Uneinigkeit über Strategie

Einig seien sich die mutmaßlichen Umstürzler aber nicht in allen Punkten gewesen, berichtet die „Welt“ unter Berufung auf Aussagen aus dem Innenausschuss vom Montag. Der „Rat“ und der „militärische Arm“ hätten sich wohl nicht darüber einigen können, mit welcher Strategie man vorgehen wolle. „Interne Konflikte“ habe es auch bei der Frage gegeben, wer nach dem Putsch welches Ministeramt bekleiden solle.

Zeitpunkt des „Staatsstreichs“ unklar

Der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Günter Krings (CDU), mahnte, die „Bedrohung hier wegen der hohen Gewaltbereitschaft der Beteiligten ernst zu nehmen“, selbst wenn bislang kein Hinweis darauf existiere, dass „ein versuchter Staatsstreich unmittelbar bevorgestanden“ hätte.

Högl will „entschiedeneres Vorgehen“ und mehr Personal

Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl (SPD), forderte laut Agenturinformationen in einem Gespräch mit dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) ein noch entschiedeneres Vorgehen gegen „offensichtlich rechtsextremistische Soldatinnen und Soldaten“. Das Soldatengesetz solle geändert werden, um „eine Entlassung von Zeitsoldatinnen und -soldaten künftig auch nach mehr als vier Jahren zu ermöglichen“, verlangte Högl. „Verstöße müssen konsequent dienstrechtlich und strafrechtlich verfolgt und geahndet werden. Das muss zügig geschehen.“ Die Verfahren dauerten „momentan viel zu lang, bei den Truppendienstgerichten oft jahrelang“, so Högl. Das liege auch daran, dass „rund ein Viertel der Richterstellen seit Jahren nicht besetzt“ sei. Sie habe mehr Personal gefordert, auch für die „Wehrdisziplinaranwaltschaft“ und den Militärischen Abschirmdienst (MAD).

Insgesamt, so Högl, sei aber schon „viel geschehen“, um dem Problem des Rechtsextremismus Herr zu werden. So müssten sich seit 2017 Bewerberinnen und Bewerber einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen, um einer eventuell extremistischen Gesinnung auf den Grund zu gehen. Überdies gebe es seit Oktober 2022 die Möglichkeit einer erweiterten Sicherheitsüberprüfung für Tätigkeiten mit besonders hohen Sicherheitsanforderungen. Damit sei die Grundlage geschaffen worden, dass aktive Reservisten ebenfalls einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden könnten, erläuterte Högl.

Ermittlungspanne in Bayern?

Im Zuge der Razzia soll es nach Angaben des Nachrichtenportals „t-online“ auch zu einer Panne gekommen sein.

Gut eine Woche vor der Razzia soll das Landeskriminalamt Bayern dem früheren Bundeswehroberst Max E. gegenüber eine „Gefährderansprache“ gehalten haben, weil dieser ein „bedenkliches“ Video in den sozialen Netzwerken veröffentlicht hatte. Der Ex-Soldat habe also gewusst, dass die Behörden ihn im Auge hatten. Am 27. November solle er seiner Nachbarin telefonisch davon erzählt haben, dass demnächst die Polizei vor der Tür stehen könnte. Zu diesem Zeitpunkt sei E. wahrscheinlich schon in Italien gewesen. Dort sei er am 7. Dezember festgenommen worden. Ob E. in der Zwischenzeit auch seine Mitstreiter informiert hatte, sei bislang unklar.

Die innenpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, Martina Renner, kritisierte die Taktik der Behörden scharf: „Es ist als Panne zu bezeichnen, wenn der Generalbundesanwalt ein Terrorverfahren mit umfangreichen verdeckten Maßnahmen führt und eine Landespolizei gleichzeitig gegen einen zentralen Beschuldigten eine Gefährderansprache durchführt“, sagte Renner im Gespräch mit „t-online“, „sowas birgt immer die Gefahr, dass Beweismittel beseitigt werden.“ Am Tag der Razzia hatte Renner bereits kritisiert, dass Teile der Presse offenbar bereits zwei Wochen zuvor von dem geplanten Zugriff informiert gewesen wären.

Hintergrund

Die Bundesanwaltschaft hatte am 7. Dezember 25 mutmaßliche „Reichsbürger“ festnehmen lassen. Darunter befanden sich auch frühere Offiziere und Polizeibeamte sowie die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Berliner Richterin Birgit Malsack-Winkemann. Als Rädelsführer der Gruppierung gelten Heinrich XIII. Prinz Reuß und der ehemalige Kommandeur eines Fallschirmjägerbataillons, Rüdiger v. P. Rund 3.000 Sicherheitskräfte waren für die Razzia in Deutschland, Österreich und Italien ausgerückt.

22 der Festgenommenen stehen im Verdacht, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System der Bundesrepublik Deutschland stürzen wollte. Drei Verhaftete gelten als Unterstützer. Die 23 in Deutschland festgenommenen mutmaßlichen Verschwörer befinden sich in Untersuchungshaft. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft gibt es außerdem 27 weitere Beschuldigte.

Als „Reichsbürger“ werden im allgemeinen Sprachgebrauch Menschen bezeichnet, die die Bundesrepublik Deutschland nicht als regulären Staat im Sinn des Völkerrechts anerkennen. Soldaten der Bundeswehr unterliegen allerdings einer besonderen Treuepflicht und müssen sich zur Verteidigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung Deutschlands bekennen. Zur Reichsbürgerszene gehören nach Angaben des Bundesverfassungsschutzes zurzeit rund 23.000 Menschen.

[Mit Informationen aus Agenturen]



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