Kontroversen um geplantes Containerdorf für Flüchtlinge in Mecklenburg-Vorpommern

Die Flüchtlingskrise hält Deutschland weiterhin in Atem. Insbesondere die Unterbringung stellt viele Städte und Landkreise vor große Herausforderungen. Während einige Gemeinden mit offenen Armen auf die Ankunft der Geflüchteten reagieren, kommt es anderswo zu Protesten und Konflikten.
Eine Demonstration unter dem Motto «Upahl muss sich wehren» in Grevesmühlen.
Eine Demonstration unter dem Motto „Upahl muss sich wehren“ in Grevesmühlen.Foto: Frank Hormann/dpa
Von 27. März 2023

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Die Flüchtlingskrise ist präsent: Vielerorts stoßen die Kapazitäten längst an ihre Grenzen. Probleme gibt es vor allem bei der Unterbringung. Städte und Landkreise drängen daher seit einigen Monaten nach einer Lösung und sehen hier die Bundesregierung in der Verantwortung. Bundesinnenministerin Nancy Faeser lud deshalb die Spitzenvertreter der Kommunen im Februar zu einem Gipfel ein. Das Ergebnis damals war so enttäuschend, dass die Kommunen auf der anschließenden Pressekonferenz ihrem Ärger Luft machten.

Kein Interesse, sich mit Sorgen der Kommunen zu beschäftigen

Für den kommenden Donnerstag hat nun CDU-Chef Friedrich Merz Städte und Landkreise zu einem „offenen Austausch“ in den Bundestag eingeladen. „Bundeskanzler Scholz und Bundesinnenministerin Faeser scheinen da kein Interesse daran zu haben, sich ernsthaft mit den Sorgen und Nöten unserer Städte und Gemeinden zu beschäftigen“, heißt es in der Einladung, über die Anfang März die „Bild“ berichtete. In der Einladung heißt es weiter: „Die faktischen Aufnahmekapazitäten stoßen vielerorts an ihre Grenzen. Wir müssen uns diesen Realitäten annehmen.“ Die „Realität“ im Zusammenleben mit Geflüchteten kann dabei aber äußerst unterschiedlich sein.

Im Dorf Upahl in Mecklenburg-Vorpommern finden seit Wochen Proteste gegen ein geplantes Containerdorf für bis zu 400 geflüchtete Menschen statt. Dort sollen nach Plänen des Landkreises meist junge Männer aus Afghanistan, dem Iran und Irak untergebracht werden. Eine Bürgerinitiative stellt sich den Plänen des Landkreises Nordwestmecklenburg entgegen. Medien rückten die Proteste immer wieder in die Nähe von Rechtsextremisten. Für die Anwohner in Upahl ein Vorwurf, den sie nicht auf sich sitzen lassen möchten.

„Bin ich ein Neonazi, wenn ich sage, dass wir Angst um unsere Kinder haben?“

Der Protest, das wird immer wieder betont, richtet sich nicht gegen die Flüchtlinge, sondern gegen die als ungenügend empfundene Einbeziehung der Gemeinde in die Planungen. Eine im Februar von der „Bild“ befragte Anwohnerin erhebt einen Vorwurf: „Bin ich ein Neonazi, wenn ich sage, dass wir Angst um unsere Kinder haben?“ Die Frau verweist auf die „500 jungen, meist männlichen Flüchtlinge“ und sagt, dass die doch zunächst nicht mal arbeiten dürften: „Da ist es doch vorprogrammiert, dass einigen langweilig wird und sie auf dumme Gedanken kommen.“

Das Verwaltungsgericht Schwerin hatte Anfang März per einstweiliger Anordnung die bereits begonnenen Arbeiten für das Containerdorf gestoppt. Aus Sicht der Richter hat der Landkreis bei seiner Entscheidung für den Standort das Beteiligungsrecht der Gemeinde nicht angemessen berücksichtigt. Der Kreistag hatte zuletzt beschlossen, eine Begrenzung von 200 Menschen zu fordern.

Bürger früh einbeziehen

Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel des 700 Einwohner zählenden schleswig-holsteinischen Dorfes Seeth. Am 21. März waren etwa 790 Flüchtlinge und Asylbewerber in der Landesunterkunft für Flüchtlinge (Luk) untergebracht, zu denen weitere 17 Flüchtlinge hinzukamen, die von der Kommune zugewiesen wurden. Die meisten Bewohner der Luk (719) stammen aus der Ukraine, während die übrigen Asylbewerber aus anderen Ländern sind. Was wurde in diesem Dorf anders gemacht als in Upahl?

Die Nachrichtenagentur dpa berichtet über einen Besuch bei Ernst-Wilhelm Schulz, dem ehrenamtlichen Bürgermeister von Seeth. Bei einer Tasse Kaffee und Kuchen erzählt er stolz von seiner Gemeinde und deren Akzeptanz gegenüber der Situation, auch wenn das Verhältnis zwischen Flüchtlingen und Einwohnern nicht ganz ausgeglichen ist. Auf der Straße angesprochen auf die Flüchtlinge im Dorf berichtet eine Hundebesitzerin, dass sie die Flüchtlinge kaum bemerke und dass einige von ihnen sogar bei Veranstaltungen wie dem Laternenumzug teilnehmen.

Schulz berichtet von der Zeit vor einem Jahr, als die Luk nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wiedereröffnet wurde. Damals gab es eine bemerkenswert große Hilfsbereitschaft in Seeth. Die Seether wurden auch oft zu Veranstaltungen in der nahegelegenen Landesunterkunft eingeladen und Schulz ging jedes Mal hin. Für ihn war es selbstverständlich, die Flüchtlinge als Mitbürger zu sehen.

Seeth ist ein kleines Dorf im ländlichen Nordfriesland, etwa sechs Kilometer von der nahe gelegenen Kleinstadt Friedrichstadt entfernt. Eine Busfahrt von Seeth nach Husum dauert ungefähr 40 Minuten. Trotz seiner geringen Größe gibt es in Seeth einige Gemeinschaftseinrichtungen wie einen Bäcker, eine Feuerwehr, einen Sportverein, einen Schützenverein, Ringreiter und eine Theatergruppe. Allerdings gibt es keine Schule, keinen Kindergarten und auch keinen Arzt im Dorf. Das nächstgelegene Lebensmittelgeschäft ist in dem nahe gelegenen Dorf Stapel, das etwa drei Kilometer von der Landesunterkunft entfernt liegt.

Integration durch Beschäftigung

Laut Wolfgang Kossert, dem Sprecher des Landesamtes für Zuwanderung und Flüchtlinge, läuft in Seeth einiges anders als in anderen Unterkünften und trägt zur Befriedung bei. Man stehe in ständigem Austausch mit den Gemeinden, um die Belastungen zu besprechen. Die Umgebung um die Flüchtlingsunterkunft sei sehr kooperativ.

Trotz der im Vergleich zu den umliegenden Gemeinden sehr großen Unterkunft gebe es Strukturen, die die Bewohner an die Unterkunft binden. Diese seien den ganzen Tag über beschäftigt, da es auf dem Gelände eine Schule, einen Kindergarten, eine ärztliche Versorgung, ein Frauencafé und Freizeitangebote für alle Altersgruppen gibt. Es gibt die Möglichkeit, Räder auszuleihen und Tischkicker oder Tischtennis zu spielen. Es werden auch Bastelkurse für Kinder oder Nähkurse angeboten, und fast überall gibt es WLAN.

Das Konzept scheint aufzugehen. Die Stimmung könnte aber irgendwann kippen, meint Bürgermeister Schulz. Das hänge auch von der Klientel ab – und dem Verhalten jedes Einzelnen. Er habe ein offenes Ohr für alle Meinungen seiner Bürgerinnen und Bürger – für positive und auch negative. Und es gebe durchaus auch unterschiedliche Meinungen. „Aber ich appelliere immer an das Verständnis.“



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