Das langsame Sterben der Werbeprospekte

Noch landen jede Woche Abermillionen Handzettel mit Werbung in deutschen Briefkästen. Das könnte sich ändern: Denn immer mehr Handelsketten wollen auf die aufwendigen Prospekte verzichten. Ganz ohne Risiko ist das aber nicht.
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Werbung in Briefkästen.Foto: iStock
Epoch Times28. Juli 2022

Mehr als 28 Milliarden Werbeprospekte landen jährlich in den Briefkästen deutscher Haushalte: eine gigantische Papierflut, die oft ungelesen im Mülleimer landet. Doch mehren sich die Anzeichen, dass die Ära des Handzettels sich dem Ende nähert.

Nach Deutschlands größter Baumarktkette Obi kündigte am Mittwoch auch die Supermarktkette Rewe an, bald auf Prospekte verzichten zu wollen. „Zum 1. Juli 2023 wird der Druck und die Verteilung der Prospekte eingestellt.“ Obi verzichtet bereits seit Juni auf Prospekte.

Noch gehören Prospekte und Handzettel zu den am meisten verbreiteten Werbemitteln in Deutschland. Jede Woche landen sie in Abermillionen Exemplaren in den Briefkästen. Für die Händler sind sie ein besonders attraktives Webemedium. „Viele Familien lesen sie samstags am Frühstückstisch. Sie werden aktiv konsumiert – und das macht sie für den Handel so wertvoll. Das ist etwas ganz anderes, als wenn man mit Fernsehwerbung, Radiospots oder Online-Bannern berieselt wird und das mehr oder weniger unwillig über sich ergehen lässt“, berichtet Jens-Peter Gödde vom Kölner Institut für Handelsforschung (IFH). Nach einer repräsentativen Umfrage von IFH Media Analytics lesen 90 Prozent der Menschen in Deutschland zumindest gelegentlich gedruckte Prospekte – gut drei Viertel aller Befragten sogar jede Woche.

Steigende Papierkosten belasten Händler

Auf Prospekte und Handzettel zu verzichten, ist also für Handelsketten nicht ohne Risiko. Gleichzeitig erhöhen die dramatisch gestiegenen Papierkosten den Druck auf die Händler, andere Wege in die Köpfe der Kunden zu finden.

Allein Rewe lässt nach eigenen Angaben bisher wöchentlich rund 25 Millionen Handzettel verteilen. Statt auf Prospekte will der Konzern nun stärker auf digitale Kanäle und Anzeigen in klassischen Medien setzen. In einem ersten Schritt will Rewe ab Anfang August die Auflage der Prospekte um vier Millionen Stück senken.

Die Baumarktkette Obi verzichtet bereits seit Juni auf Prospekte. „Die Herstellung und Bedruckung von Papier sowie die Verteilung der Prospekte kosten viel Energie, Chemie, Wasser und natürlich Bäume. Das passt nicht mehr in die heutige Zeit“, betonte das Unternehmen und verwies stattdessen auf die eigene App, die inzwischen von drei Millionen Kunden heruntergeladen worden sei.

Gemischte Reaktionen

Die Reaktionen auf den Schritt auf der Obi-Facebook-Seite waren aber sehr unterschiedlich. Es gab Lob: „Gut so….!! Braucht kein Mensch….“ und „Das ist Super! Ich hoffe, viele andere schaffen die Prospekte auch ab!“. Es gab aber auch Kritik: „Wenn ich mir die Angebote in Prospekten nicht mehr so schön vergleichen kann, ist das sehr schade“ oder gar „Damit zeigt OBI, dass Kunden nicht erwünscht sind“.

Für Lebensmittelhändler und insbesondere Discounter ist der Verzicht auf Werbeprospekte nach Einschätzung des Branchenkenners Gödde jedoch eine noch größere Herausforderung als für Baumärkte. „Da gibt es viele Leute, die mit seiner Hilfe ihren Wocheneinkauf planen und entscheiden, wo sie diesmal einkaufen“, sagt er. Angesichts der steigenden Preise für Lebensmittel und dem Bemühen vieler Verbraucher, ihr Geld zusammenzuhalten und Sonderangebote zu nutzen, dürften die Prospekte aktuell noch an Bedeutung gewinnen, glaubt er.

Auch andere Händler agieren zurückhaltender als Rewe. „Gerade in der aktuellen Zeit erwarten viele Kunden gezielt die Prospekt-Zustellung, um sich zu informieren, wo sie die günstigsten Lebensmittel in bester Qualität kaufen können“, argumentierte etwa Aldi Süd auf Anfrage von dpa. Auch Lidl betonte: „Der Haushaltshandzettel ist ein zentrales Medium unserer Marketingaktivitäten, mit dem wir Kunden in definierten Gebieten über kommende Angebote und neue Produkte informieren.“ Er werde von den Kunden überwiegend bevorzugt.

Doch auch Aldi und Lidl bauen mittlerweile ihr Angebot bei digitalen Handzetteln aus. „Auch wenn die gedruckte Ausgabe sehr beliebt ist, zeigt unsere Erfahrung, dass immer mehr Kundinnen und Kunden die digitalen Angebote nutzen“, heißt es bei Aldi Nord. Auch Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka erklärte, er verlagere seine Angebotswerbung verstärkt von Print auf digitale Kanäle. Man wisse aber auch, dass viele Kunden nicht auf den gedruckten Handzettel verzichten möchten. „Und auch diese Menschen wollen wir erreichen.“

Dass ein Verzicht auf gedruckte Prospekte durchaus möglich ist, haben indes schon große Namen im Einzelhandel bewiesen. Der schwedische Möbelriese Ikea gab Ende 2020 das Aus für den gedruckten Ikea-Katalog bekannt. Der Versandhändler Otto stellte bereits 2018 die Produktion des zuletzt 656 Seiten dicken Otto-Kataloges ein. „Wir haben überhaupt nicht darunter gelitten. Es gab keine Umsatzeinbrüche“, zog ein Unternehmenssprecher in dieser Woche Bilanz. (dpa/red)



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