Kaschmir-Konflikt eskaliert massiv
Eskalation zwischen Indien und Pakistan – Luftraum geschlossen
Die Spannungen zwischen Indien und Pakistan steigen. In der Nacht griff Indien „neun Terrorlager“ in Pakistan an. Pakistan spricht davon, fünf indische Kampfjets abgeschossen zu haben.

Rauchschwaden nach dem Einschlag einer Artilleriegranate im Hauptort des Bezirks Poonch in der indischen Region Jammu am 7. Mai 2025. Mindestens acht Inder wurden am Mittwoch in der Stadt Poonch in Kaschmir, nahe der De-facto-Grenze zu Pakistan, getötet und 29 weitere verwundet, sagte ein örtlicher indischer Regierungsbeamter.
Foto: Punit Paranjpe/AFP via Getty Images
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Der Konflikt zwischen Indien und Pakistan hat sich nach Tagen der Spannungen in einer militärischen Auseinandersetzung ausgeweitet.
In der Nacht zum Mittwoch griff die indische Armee „terroristische Infrastruktur“ in Pakistan und im pakistanisch besetzten Teil der Konfliktregion Kaschmir an. „Neun Terrorlager wurden (…) erfolgreich zerstört“, sagte der indische Luftwaffenoffizier Vyomika Singh. Für die Angriffe verwendete die Armee die Bezeichnung „Operation Sindoor“.
Pakistans Militär meldete Raketenangriffe, Geheimdienstkreise berichteten vom Abschuss von fünf indischen Kampfflugzeugen. Laut pakistanischen Angaben starben 26 Menschen, 46 wurden verletzt.
Von der Eskalation ist der Luftverkehr in der Region betroffen. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes schloss Pakistan seinen Luftraum für voraussichtlich 48 Stunden. Internationale Flüge von und nach Pakistan sowie Inlandsflüge seien ausgesetzt.
24 Angriffe auf sechs Orte – Beschuss von Wasserkraftwerk in Kaschmir
Der pakistanische Armeesprecher Ahmed Chaudry sprach von 24 indischen Angriffen auf sechs Ziele in Pakistan. Unter den mindestens acht dabei getöteten Zivilisten sei auch ein dreijähriges Mädchen. 35 weitere Menschen seien verletzt worden, zwei Menschen würden vermisst.
Islamabad berichtete zudem von indischem Beschuss eines Wasserkraftwerks im pakistanischen Teil Kaschmirs.
„Indien hat auch das Neelum Jhelum Wasserkraftprojekt angegriffen“, erklärte ein pakistanischer Armeesprecher. Dabei sei ein Teil des Damms beschädigt worden. „Welche internationalen Normen und Kriegsgesetze oder -gepflogenheiten erlauben es, Wasserreserven, Dämme und Wasserkraftstrukturen eines anderen Landes anzugreifen?“
Indien hatte nach dem 22. April den wichtigen Indus-Wasservertrag ausgesetzt, der für beide Seiten die Wassernutzung des Indus und seiner Nebenflüsse regelt.
Als Reaktion darauf erklärte Pakistan, man behalte sich vor, das Shimla-Abkommen von 1972 für ungültig zu erklären, das eine wichtige Grundlage für Verhandlungen zwischen den beiden Staaten darstellt. Ein Rückzug aus den Verträgen wird als extrem gefährlich gesehen.
Gegenseitige Vorwürfe
Pakistans Regierungschef Shehbaz Scharif kündigte eine „entschlossene Antwort“ Pakistans an. Das Außenministerium in Islamabad warf Indien „verantwortungslosen Vorgehen“ vor, das „zwei Atommächte“ in die Nähe eines „großen Konflikts“ bringe.
Nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts sagte er, Pakistan behalte sich das Recht vor, in Selbstverteidigung zu einem Zeitpunkt, an einem Ort und auf eine Weise seiner Wahl zu reagieren, sagte der Politiker laut einer Mitteilung. „Die pakistanischen Streitkräfte sind ordnungsgemäß ermächtigt worden, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen“, hieß es weiter.
Beide Regierungen stehen innenpolitisch stark unter Druck, auf Feindseligkeiten der anderen Seite mit aller Härte zu reagieren. Die Eskalation sei bereits jetzt weiter vorangeschritten als bei der Krise im Jahr 2019, schreibt Südasien-Experte Michael Kugelman.
Wie hoch ist die Gefahr eines Atomkrieges?
Mit seiner „No first use“-Doktrin verpflichtet sich Indien, auf einen Ersteinsatz nuklearer Waffen zu verzichten. Nach dem Konzept der massiven Vergeltung will Neu-Delhi jedoch Erstschläge gegen das eigene Land mit einem vernichtenden nuklearen Gegenschlag beantworten.
Pakistan behält sich hingegen auch den Ersteinsatz von Atomwaffen vor – sofern die Existenz des Landes unmittelbar bedroht ist. Die „Full-Spectrum-Deterrence“-Doktrin dient vor allem als Abschreckung, die jede Form der Aggression gegen das Land verhindern soll.
Das Friedensforschungsinstitut Sipri schätzt in seinem Jahrbuch 2024, dass Indien über 172 Atomsprengköpfe verfügt, Pakistan über 170.
Auslöser: Anschlag auf indische Touristen in Kaschmir
Der jüngste Auslöser war ein Anschlag auf indische Touristen am 22. April im indischen Teil Kaschmirs, bei dem 26 Menschen erschossen wurden. Indien beschuldigt Pakistan, den Anschlag unterstützt zu haben, die pakistanische Regierung weist die Vorwürfe zurück.
Eines der Ziele der indischen Armee war nun eine Moschee in Bahawalpur der pakistanischen Provinz Punjab. Sie wird laut dem indischen Geheimdienst von mehreren Gruppen genutzt, die in Verbindung mit der dschihadistischen Bewegung Laschkar-e-Taiba (LeT) stehen. Die LeT wird unter anderem für die Anschlagsserie mit 166 Toten in der indischen Metropole Mumbai im Jahr 2008 verantwortlich gemacht.
Die Behörden von Punjab – wo fast die Hälfte der 240 Millionen Pakistaner leben – ordneten für Mittwoch die Schließung aller Schulen an.
Korrespondenten der Nachrichtenagentur AFP berichteten von Explosionen im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs sowie in Punjab. Über Srinagar, der Hauptstadt des indischen Teils von Kaschmir, waren Kampfjets zu hören.
UN und USA rufen zur Deeskalation auf
Die Vereinten Nationen forderten beide Länder zur Zurückhaltung auf. UN-Generalsekretär António Guterres sei „sehr besorgt über die indischen Militäreinsätze jenseits der Demarkationslinie (in Kaschmir) und der Landesgrenze“, erklärte sein Sprecher Stéphane Dujarric. Die Welt könne sich „keine militärische Konfrontation zwischen Indien und Pakistan leisten“.
US-Präsident Donald Trump äußerte die Hoffnung, dass die Spannungen „sehr bald enden“ würden. Er nannte die Luftangriffe eine Schande und erinnerte daran, dass die beiden Länder seit Langem gegeneinander kämpfen. Er äußerte die Hoffnung, dass der Konflikt „sehr schnell endet“.
US-Außenminister Rubio telefonierte nicht nur mit dem indischen, sondern auch dem pakistanischen nationalen Sicherheitsberater. Im Onlinedienst X schrieb Rubio, er behalte die Lage „aufmerksam“ im Blick und werde „weiterhin mit der indischen und pakistanischen Führung auf eine friedliche Lösung hinarbeiten“.
Ein alter Streit um Kaschmir
Peking verurteilte Indiens Angriffe und rief beide Länder auf, „Ruhe zu bewahren“. Auch die einstige Kolonialmacht Großbritannien erklärte seine Bereitschaft zur Vermittlung zwischen Indien und Pakistan.
Die Kaschmir-Region im Himalaya ist zwischen Pakistan und Indien geteilt – beide beanspruchen das ganze Gebiet. Die Ursprünge des Konflikts reichen bis in die Kolonialzeit zurück. 1947 entließen die Briten Indien in die Unabhängigkeit und teilten diesen auf.
Aus der Teilung entstand neben dem überwiegend hinduistischen Indien der neue Staat Pakistan für Muslime.
Die gewaltsame Teilung schürt bis heute die Rivalität. Seit ihrer Unabhängigkeit führten beide Länder drei Kriege gegeneinander, zwei davon um Kaschmir. (dpa/afp/red)
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