Großbritannien
Starmer: Ende des „Experiments offener Grenzen für ein Land, das für Kontrolle gestimmt hat“
Nach massiven Verlusten bei den Kommunalwahlen leitet Premierminister Keir Starmer eine Kehrtwende in der britischen Migrationspolitik ein. Ein neues Weißbuch verspricht sinkende Zuwanderungszahlen, schärfere Visaregeln und eine Rückbesinnung auf nationale Kontrolle. Die Maßnahmen sollen soziale Kohäsion stärken – doch sie könnten den Arbeitskräftemangel verschärfen.

Großbritanniens Premier Keir Starmer kündigt eine Migrationswende an.
Foto: Frank Augstein/AP/dpa
Am Montag, 12. Mai, hat Großbritanniens Premierminister Keir Starmer ein Weißbuch zur Migrationspolitik angekündigt. Darin sei ein Plan dargelegt, der dazu führen werde, dass „die Migrationszahlen zurückgehen“. Dies sei „ein Versprechen“.
Die neue Linie in der Einwanderungspolitik ist eine direkte Konsequenz aus dem Resultat der Kommunalwahlen am 1. Mai. Starmers Labour-Partei hatte dabei massive Verluste eingefahren und sogar Hochburgen wie Runcorn an die rechte Partei Reform UK abgeben müssen. Diese ging landesweit als Sieger aus den Wahlen hervor.
„Kontrolle über die Grenzen“ zurückgeben
Nun kündigt Starmer laut der englischsprachigen Ausgabe der Epoch Times an, man werde „endlich die Kontrolle über unsere Grenzen zurückerlangen und damit ein unrühmliches Kapitel für unsere Politik, unsere Wirtschaft und unser Land abschließen“. Das „Experiment offener Grenzen für ein Land, das für Kontrolle gestimmt hat“, werde enden. Labour hatte den Konservativen vorgeworfen, nach dem Brexit das Land zu weit für Einwanderung aus Drittländern geöffnet zu haben.
Starmer will neben der Wiederherstellung der Grenzsicherheit auch ein Maßnahmenbündel in Kraft setzen, um die Nettozuwanderung deutlich zu senken. Diese hatte im Vorjahr mit 728.000 Menschen einen neuen Höchstwert erreicht. Sogar in Bereichen, in denen ein akuter Arbeitskräftemangel herrscht, soll es Restriktionen geben. Zuletzt waren dies unter anderem Pflege, Transportgewerbe und Bauwirtschaft.
Künftig wird es beispielsweise kein spezielles Visum für Pflegekräfte mehr geben. Stattdessen sollen akademische Qualifikationen und Facharbeiterabschlüsse wieder Voraussetzung für diese Form von Visa sein. Unterhalb dieser Qualifikationen soll es lediglich eine stark befristete Arbeitserlaubnis geben.
Arbeitskräftemangel in Schlüsselbranchen droht sich zu verschärfen
Innenministerin Yvette Cooper rechnet damit, dass die Verschärfung der Visaregeln die Zahl der neu ins Land kommenden Pflege- und Anlernkräfte in den nächsten zwölf Monaten um rund 50.000 reduzieren werde. Jüngst klagte das Ministerium auf X, die Einwanderung von Geringqualifizierten sei in die Höhe geschnellt. Demgegenüber seien Qualifikationsmaßnahmen für britische Arbeitnehmer gekürzt worden.
Ebenfalls wurden die Gehaltsschwellen für Fachkräftevisa deutlich erhöht. Dies droht kurzfristig den Arbeitskräftemangel zu verschärfen, da nicht mit einer entsprechenden Anhebung der Löhne zu rechnen ist. Bei besonderen Mangelberufen soll es Ausnahmen geben. Arbeitgeber sollen dort jedoch nachweisen, dass sie sich vergeblich um Ausbildung und Einstellung britischer Arbeitskräfte bemüht hätten.
Trotz der anhaltenden Engpässe und einer zuletzt vorwiegend durch Kinder von Einwanderern stabilisierten Geburtenrate hält die Regierung diese Maßnahme für nötig. Sie sei geeignet, die soziale Kohäsion zu stärken und die Abhängigkeit von ausländischen Arbeitskräften zu reduzieren.
Premier Starmer warnt vor einer „Insel der Fremden“
Starmer räumte ein, dass die Einwanderung „Teil der nationalen Geschichte Großbritanniens“ sei. Einwanderer aus der Karibik und Südasien hätten nach dem Zweiten Weltkrieg einen massiven Beitrag zum Fortschritt und der Entwicklung des Landes geleistet. Allerdings habe die Nettozuwanderung zwischen 2019 und 2023 „ungefähr die Einwohnerzahl von Birmingham, unserer zweitgrößten Stadt“, erreicht. Das sei „keine Kontrolle, das ist Chaos“.
Wenn Menschen ins Land kämen, sollten sie sich „auch zur Integration verpflichten, zum Erlernen unserer Sprache“. Das System solle auch „aktiv zwischen denen unterscheiden, die dies tun, und denen, die dies nicht tun“, so der Premier. Großbritannien brauche „faire Regeln“. Ohne diese „laufen wir Gefahr, eine Insel der Fremden zu werden, keine Nation, die gemeinsam voranschreitet“.
Um eine Einbürgerung beantragen zu können, müssen Einwanderer künftig zehn statt wie bisher fünf Jahre lang in Großbritannien gelebt haben. Ausnahmen gelten nur, wenn sie einen „dauerhaften Beitrag zur Wirtschaft und Gesellschaft“ nachweisen können – eine Sonderklausel, die bis jetzt für Hochschullehrer oder Profisportler galt.
Großbritannien will Bruch mit offener Ära nach dem Brexit
Für die Einbürgerung werden künftig zudem weit fortgeschrittene Englischkenntnisse vorausgesetzt. Die Regierung betont, dass Integration und das Erlernen der Sprache verpflichtend sein sollen.
Die Migrationsregeln sollen über alle Bereiche des Systems hinweg verschärft werden – von der Arbeit über die Familie bis zum Studium. Auch die Rückführung von Menschen ohne Aufenthaltsrecht solle beschleunigt werden. Damit will die Regierung in London mit einer Phase brechen, in der Großbritannien besonders offen für Migration war.
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.
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