Kontroverse um US-Musiker: Wie antisemitisch ist Kanye West?

Mehrere Werbepartner haben ihre Verträge mit dem US-Rapper Kanye West gekündigt. Ihm wird Antisemitismus vorgeworfen. Auf Twitter ist er wieder präsent.
US-Rapper Kanye West bei der Vanity Fair Oscar Party 2020.
US-Rapper Kanye West bei der Vanity Fair Oscar Party 2020.Foto: Evan Agostini/Invision/AP/dpa
Von 31. Oktober 2022

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Mehrere Unternehmen haben in den vergangenen Wochen ihre Zusammenarbeit mit dem US-Rapper Kanye West („Ye“) beendet. Neben dem Sportartikelhersteller Adidas und der Modemarke Balenciaga stellte auch die Creative Artists Agency ihre Zusammenarbeit mit dem exzentrischen Künstler ein.

Anlass für den Schritt sind antisemitische Äußerungen und Drohgebärden des Musikers, die zu dessen Verbannung von Twitter und Instagram geführt hatten. Allerdings ist sein Twitter-Account mittlerweile wieder entsperrt. Der Erwerber des Dienstes, US-Milliardär Elon Musk, gab allerdings an, dies sei bereits vor seiner Übernahme der Amtsgeschäfte geschehen.

„Nicht das Geld und nicht die Verbindungen“

Ausgangspunkt der Kontroverse waren mehrere Äußerungen des Rappers, in denen er sich bekannte antijüdische Verschwörungserzählungen in Teilen zu eigen gemacht hatte. Diese verbreitete er in sozialen Medien und in Fernsehinterviews, beispielsweise mit „Fox News“-Moderator Tucker Carlson.

West behauptete beispielsweise, sein Rapper-Kollege P. Diddy werde „von Juden kontrolliert“. Sie eigneten sich zudem die Fähigkeiten der Afroamerikaner an, indem sie diese für ihre Modeunternehmen, Plattenfirmen oder Basketballteams verpflichteten.

In einem weiteren Tweet drohte Kanye West an, er werde „Def Con 3 auf jüdische Menschen loslassen“. Der Ausdruck bezeichnet ein Stadium der Alarmbereitschaft innerhalb der US-Armee.

Bereits im Jahr 2013 hatte Kanye West in einem Radio-Interview erklärt, schwarze Menschen hätten „nicht so viel Geld und nicht die Verbindungen“, die Juden in den USA hätten. Auf Twitter äußerte er zudem:

Das Lustige daran ist, ich kann gar kein Antisemit sein, weil schwarze Menschen selbst Juden sind. Ihr habt mit mir ein Spiel getrieben und versucht jeden anzuschwärzen, der eure Agenda ablehnt.“

Wiederholte Provokationen bei öffentlichen Auftritten

Der 1977 in Atlanta, Georgia, geborene Musiker, Produzent und Modeschöpfer hat bislang im Laufe seiner Karriere mehr als 160 Millionen Tonträger verkauft und 24 Grammys gewonnen. Sein Vermögen lag vor der Kündigung mehrerer hoch dotierter Verträge bei mindestens 1,8 Milliarden US-Dollar.

Während Kanye West als kreatives Genie und erfolgreicher Künstler gilt, hat er wiederholt durch provokative Äußerungen und öffentliche Auftritte für Kontroversen gesorgt. Erst Anfang Oktober trug West ein T-Shirt mit der Aufschrift „White Lives Matter“. Ultrarechte Kreise hatten diesen Slogan der „Black Lives Matter“-Bewegung entgegengesetzt, die in den 2010er-Jahren in Reaktion auf Fälle von Polizeigewalt gegen Afroamerikaner entstanden war.

Wests frühere Ehefrau Kim Kardashian erklärte 2019, der Künstler leide unter einer bipolaren Störung. Diese sei auch der Auslöser für häufiges merkwürdiges Verhalten und entsprechende Äußerungen.

Konservative sehen in Kanye West Hoffnungsträger

Die moderate Rechte begrüßte einen konservativen Wandel, den Kanye West im Laufe der vergangenen Jahre vollzogen hatte. Dies betraf nicht nur den Abschied vom übergriffigen Gangsta Rap und Hip-Hop hin zu emotionaleren und oft auch religiösen Inhalten.

Kanye West trat auch offen gegen die in Künstlerkreisen verbreitete Dämonisierung von Ex-Präsident Donald Trump auf und übte Kritik an den Demokraten. West nahm mehrfach gegen die Abtreibung Stellung und ermunterte Afroamerikaner dazu, sich für das Leben ihrer ungeborenen Kinder zu entscheiden.

Dem Einfluss von Persönlichkeiten wie Kanye West schreiben politische Beobachter eine zunehmende Abkehr afroamerikanischer Wähler von den Demokraten zu. Bei den Wahlen des Jahres 2020 konnte Donald Trump die bisher höchste Anzahl schwarzer Wähler für einen republikanischen Präsidentschaftskandidaten verbuchen.

Vor Kanye West verbreitete auch Malcolm X diese Verschwörungserzählungen

Antisemitische Einstellungen sind Untersuchungen zufolge in der afroamerikanischen Community bis heute weiter verbreitet als im Durchschnitt der US-Bevölkerung. Bereits in der Zeit der Bürgerrechtsbewegung habe sich dabei eine tiefe Spaltung gezeigt.

Martin Luther King jr. wies Antisemitismus zurück und zeigte sich als entschiedener Befürworter einer engen Beziehung zum Staat Israel. Demgegenüber sind von Malcolm X mehrere explizit antijüdische Äußerungen überliefert, die zum Teil in eine ähnliche Richtung wie jene von Kanye West gingen.

Antizionistischer Antisemitismus findet sich zum Teil auch in der Propaganda bekannter Führungsfiguren von „Black Lives Matter“. Deren Narrativ ordnet das jüdische Volk, in dem sich Menschen aller Hautfarben finden, als „weiß“ ein und Israel als westlichen, „kolonialistischen“ Staat.

Die Äußerung Kanye Wests, wonach Afroamerikaner selbst Juden seien, könnte einen Bezug zu Mythen aufweisen, die sich um die Vorstellung sogenannter Verlorener Stämme Israels ranken. Zehn israelitische Stämme galten seit ihrer Verschleppung nach Assyrien im 6. Jahrhundert vor Christus als verschollen.

Mythos der „Verlorenen Stämme“ und „Schwarze Hebräer“

Die Spekulationen über deren weiteres Schicksal inspirierten eine Vielzahl an Narrativen. So stellen beispielsweise Mormonen ihre vermeintlichen Urväter als Abkömmlinge verlorener Stämme dar. Andere wollen diese in Skythen, Paschtunen oder amerikanischen Ureinwohnern ausgemacht haben. Eine afroamerikanische Gruppe, die sich selbst zum Teil in dieser Traditionslinie sieht, sind die „Schwarzen Hebräer“.

In jüdischen Gemeinden sind diese Formen der Selbststilisierung nicht anerkannt. Jüdische Vereinigungen versuchen jedoch seit den 1980er-Jahren, durch den Aufbau und die Betreuung noachidischer Gemeinden Interessierten die Verbindung mit dem Judentum zu erleichtern.

Der Noachidismus ist eine monotheistische Glaubenslehre, die auf den Noachidischen Geboten und deren rabbinischer Interpretation basiert. Nach jüdischer Lehre müssen Nichtjuden nicht konvertieren, um einen Platz in der kommenden Welt (Olam Haba) zu erhalten. Sie sollen sich aber an die Sieben Noachidischen Gebote halten.

Diese sind im Kern auch in den Lehren der monotheistischen Weltreligionen enthalten. Anhänger der „B’Nei Noah“ – der „Söhne Noahs“ – verfügen seit 2006 auch über einen eigenen rabbinischen Gerichtshof (Sanhedrin) in Jerusalem. Weltweit führend in der Verbreitung des noachidischen Gedankens unter Nichtjuden ist vor allem die weltweit tätige chassidische „Chabad“-Bewegung.



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