Taucher im Visier
Nord-Stream-Sabotage: Weiterer Verdächtiger in Polen gefasst
Drei Jahre nach der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines ist ein weiterer Tatverdächtiger in Polen gefasst worden. Nach Angaben eines Anwalts erfolgte die Festnahme auf der Grundlage eines von Deutschland ausgestellten europäischen Haftbefehls.

Bei der Festnahme im August in Italien waren auch Hubschrauber im Einsatz.
Foto: Carabinieri Rimini/dpa
Drei Jahre nach dem Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines ist ein zweiter von Deutschland mit Haftbefehl gesuchter Verdächtiger in Polen gefasst worden. Ein Sprecher der polnischen Staatsanwaltschaft sagte, der 46 Jahre alte Ukrainer Wolodymyr Z. sei am Morgen an seiner letzten Wohnadresse in Pruszkow bei Warschau festgenommen worden.
Der Tatverdächtige soll demnach dort ein Ein-Mann-Unternehmen in der Baubranche betrieben haben. Er hat eine ständige Aufenthaltsgenehmigung in Polen, auch seine Familie lebt dort.
Die Bundesanwaltschaft bestätigte die Festnahme. Wie die Behörde in Karlsruhe mitteilte, handelt es sich um einen ausgebildeten Taucher, der mutmaßlich Mitglied der Gruppe war, die nahe der Insel Bornholm Sprengsätze an den Nord-Stream-Gaspipelines platzierte. Der Ukrainer soll an den erforderlichen Tauchgängen beteiligt gewesen sein.
Erst Ende August war in Italien einer der mutmaßlichen Drahtzieher der Sabotage festgenommen worden. Die Bundesanwaltschaft wirft dem 49 Jahre alten Serhij K. gemeinschaftliches Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und verfassungsfeindliche Sabotage vor. Er ist ebenfalls Ukrainer und soll nach Deutschland ausgeliefert werden.
Auslieferung nach Deutschland
Denselben Vorwürfen der obersten deutschen Strafverfolger muss sich auch Wolodymyr Z. stellen. Auch er soll nun nach Deutschland überstellt und dort dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt werden. Die Auslieferung kann aber mehrere Wochen oder Monate dauern.
Wie der Sprecher der Warschauer Staatsanwaltschaft weiter sagte, wird seine Behörde als Nächstes beim Bezirksgericht einen Antrag auf sieben Tage Untersuchungshaft stellen. In dieser Zeit müssten die entsprechenden Unterlagen von der deutschen Seite angefordert und ins Polnische übersetzt werden.
Nach Erhalt dieser Unterlagen werden weitere Maßnahmen ergriffen. So wird die Staatsanwaltschaft gegebenenfalls einen Antrag auf Auslieferung des Mannes gemäß den Regeln zum Europäischen Haftbefehl stellen.
Taucher im Visier der Ermittler
Der Anschlag im Herbst 2022 hatte weltweit Schlagzeilen gemacht. Mehrere Sprengungen beschädigten die beiden Pipelines so sehr, dass kein Gas mehr durchgeleitet werden konnte. Die Explosionen wurden in der Nähe von Bornholm registriert. Wenig später entdeckte man vier Lecks an drei der insgesamt vier Leitungen. Durch Nord Stream 1 floss zuvor russisches Erdgas nach Deutschland. Nord Stream 2 war infolge des Ukraine-Krieges noch nicht in Betrieb.
Nach der Tat kam schnell die Frage auf, wie die Sprengladungen wohl angebracht wurden, um die Leitungen der Pipelines zu beschädigen. Experten hielten es für wahrscheinlich, dass ausgebildete Taucher Sprengsätze angebracht haben könnten. Die Behörden mehrerer Länder nahmen Ermittlungen auf. Dänemark und Schweden stellten die Verfahren aber ein.
Zu den Tätern und den Drahtziehern kursierten lange unterschiedliche Spekulationen. Schließlich geriet unter anderem Wolodymyr Z. ins Visier der Ermittler – ein Ukrainer, der sich auch in Polen aufhielt.
Panne beim ersten Festnahmeversuch
Doch ein erster Versuch einer Festnahme durch die polnischen Behörden schlug 2024 fehl. Wolodymyr Z. hatte sich in sein Heimatland abgesetzt. Möglich sei die Ausreise gewesen, weil von deutscher Seite kein Eintrag in das Schengen-Register erfolgt sei, in dem die mit Europäischem Haftbefehl Gesuchten geführt werden, hieß es damals von der Staatsanwaltschaft in Polen. So habe der polnische Grenzschutz nicht über die Informationen verfügt, um ihn festzunehmen.
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft in Warschau sagte nun, man wisse nicht, wann Wolodymyr Z. wieder aus der Ukraine nach Polen eingereist sei. Das erste Verhör sei sehr kurz gewesen.
Bundesanwaltschaft: Eine ukrainische Gruppe war für die Sabotage verantwortlich
Im Oktober 2022 übernahm die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen zu der Nord-Stream-Sabotage. Die deutschen Ermittler gehen davon aus, dass eine ukrainische Gruppe bestehend aus mehreren Männern und einer Frau für die Explosionen an den Pipelines verantwortlich war.
Medienberichten zufolge mieteten sie eine Yacht, um den Anschlag zu verüben. Diese wurde demnach mit Hilfe gefälschter Ausweispapiere über Mittelsmänner bei einem deutschen Unternehmen gemietet und startete von Rostock aus.
Vor einigen Wochen hieß es dann in Medienberichten, dass es den deutschen Ermittlern gelungen sei, alle Mitglieder des Kommandos zu identifizieren. Es handle sich um sieben ukrainische Tatverdächtige, berichteten Ende August die Wochenzeitung „Die Zeit“, die „Süddeutsche Zeitung“ und die ARD auf Grundlage gemeinsamer Recherchen.
Gegen sechs von ihnen lägen Haftbefehle vor. Das siebte Kommandomitglied soll im Dezember 2024 in der Ostukraine bei Kämpfen gegen die russische Armee getötet worden sein.
Nach den Recherchen dieser Medien soll das Kommando neben dem mutmaßlichen Koordinator Serhii K. aus einem Skipper, einem Sprengstoffexperten und vier Tauchern bestanden haben. Die Ermittlungen erhärten diesen Recherche zufolge zudem den Verdacht, dass die Gruppe den Anschlag mit Hilfe von ukrainischen Behörden habe ausführen können.
So seien die Verdächtigen mit ukrainischen Original-Pässen durch Polen nach Deutschland gereist, die allerdings falsche Namen enthalten hätten, hieß es in den Berichten. Einer der Verdächtigen sei zudem im Sommer vergangenen Jahres in einem Auto des ukrainischen Militärattachés aus Polen in die Ukraine gebracht worden, um einer Festnahme zu entgehen. (dpa/afp/red)
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