Ukraine: Medienfreiheit bleibt eine Baustelle – Experten sehen nur langsame Verbesserungen

Die Ukraine hat sich im Media Sustainability Index, der die Medienfreiheit von Ländern einstuft, in den letzten Jahren leicht auf ein insgesamt durchschnittliches Maß verbessert. Von der Bestmarke des Jahres 2007 ist man dennoch weiterhin entfernt. Die Organisation IPEX beklagt vor allem fehlenden Schutz von Journalisten bei deren Arbeit.
Titelbild
Journalisten und andere Mitglieder von Reporter ohne Grenzen beim Protest gegen Beschränkungen der Pressefreiheit vor der russischen Botschaft in Berlin.Foto: Adam Berry/Getty Images
Von 24. Oktober 2018

Am Montag fand im Amerikahaus in Kiew ein Expertenabend statt, der sich mit der Situation der Medienfreiheit in der Ukraine knapp fünf Jahre nach Beginn der Proteste auf dem Maidan befasste. Mehrere Referenten und Diskutanten stimmten darin überein, dass sich die Situation in dem bürgerkriegsgeschüttelten Land zwar verbessere, dieser Prozess aber sehr langsam vor sich gehe – und die Schritte hin zu einer freieren Medienlandschaft nach wie vor klein seien.

Der Media Sustainability Index des International Research & Exchange Board (IREX) sieht die Ukraine europaweit nach wie vor bestenfalls im Mittelfeld. Das Land kommt derzeit auf 2,08 von 4 möglichen Punkten im Ranking. Dies sei zwar ein besseres Ergebnis als noch vor fünf Jahren, als IREX der Ukraine 1,72 Punkte gab – aber immer noch deutlich hinter den 2,37, die 2007 den bisherigen Bestwert dargestellt hatten.

Der Index rechnet mehrere Faktoren in sein Ranking ein, darunter: Rechtliche und soziale Normen, die Medienfreiheit und die Möglichkeit zur freien Rede sichern, professionelle Standards und Qualität aufseiten den Journalisten selbst, die redaktionelle Unabhängigkeit von Medien und die unterstützenden Institutionen, die sich in der Förderung der freien Rede engagieren.

Hinter Georgien, aber noch vor Russland und Weißrussland

Länder mit einem Wert von 3 oder mehr verfügen demnach gemäß IREX-Standards über ein tragfähiges und in sich selbst ruhendes Mediensystem, das frei ist von Bedrohung und unrechtmäßiger Verfolgung. Von den 21 Ländern, die IREX in seiner jüngsten Studie untersucht hatte, erreichte keines diesen Wert. In der Region erzielte Georgien mit 2,31 Punkten ein besseres Ergebnis als die Ukraine, die Russische Föderation lag bei 1,72 Punkten, Weißrussland bei 1,61.

Die Debatte am Montagabend drehte sich um die Frage nach den Gründen für das nach wie vor unbefriedigende Ergebnis. Tara Susman-Peña, Senior-Beraterin des IREX, erklärte, dass in den 21 untersuchten europäischen und eurasischen Ländern vor allem vermehrte Übergriffe und Belästigungen gegen Journalisten zu beklagen wären.

„Es hat quer durch diese 21 Länder hindurch sowohl Steigerungen bezüglich physischen als auch rechtlichen Vorgehens gegen Journalisten gegeben. Und es war nicht nur eine Steigerung, sondern auch ein signifikantes Fehlen von Konsequenzen, mit anderen Worten: Diejenigen, die Journalisten angriffen, hatten nicht wirklich etwas zu befürchten.“

„Intransparente Finanzierung, mangelhafte Qualität“

Angriffe auf Journalisten – und solche kommen in der Ukraine unter anderem von nationalistischen Mobs oder auch übereifrigen Mitarbeitern von Justiz und Geheimdienst – seien kein exklusives Problem der Ukraine. Es gebe diesbezüglich aber, so Susman-Peña, eine „offizielle Indifferenz“.

Kateryna Laba vom Institut für die Entwicklung der Regionalpresse erklärte, trotz der etwas überdurchschnittlichen Bewertung im Index sei die Ukraine immer noch weit von einem wirklich lebensfähigen und selbsttragenden Mediensystem entfernt. Große Sorge bereite immer noch die fehlende Unabhängigkeit der Medien, so Laba. Die nunmehrige Lage sei die schlimmste seit den Jahren 2009 bis 2013.

Zudem sei das Niveau des Journalismus in der Ukraine generell gering. Eine große Zahl an unprofessionell gemachten Medienformaten existiere, ohne dass ihre Finanzierung transparent sei, und die Regierung zeige sich unfähig oder zögerlich bei der Verfolgung von Personen, die in die Arbeit von Journalisten eingriffen.

Michailo Tkatsch, ein Investigativjournalist bei Radio Free Europe/Radio Liberty, nannte einige Beispiele solcher Übergriffe, wobei er selbst und seine Mannschaft ebenfalls zum Ziel eines solchen geworden seien – allerdings nicht nur vonseiten „patriotischer“, sondern auch vonseiten prorussischer Kräfte.

Neben bloßen Behinderungen auch noch Fälle harter Repression

Der jüngste Vorfall dieser Art soll sich im November 2017 auf dem Internationalen Flughafen von Kiew ereignet haben. Tkatsch und sein Team wollten, wobei sie sich als Journalisten auswiesen, den prorussischen Politik Wiktor Medwetschuk beim Betreten von Maschinen für Direktflüge nach Moskau und Sotschi filmen. Unbekannte Personen hätten sie daran gehindert. Nur gegen einen der gewaltsam vorgehenden Angreifer gebe es bislang eine Anklage, gleichzeitig verklagte der Politiker Journalisten, die ihn beim Landen gefilmt hatten. 

Ein aus dem Jahr 2015 datierender gewaltsamer Übergriff mutmaßlicher Geheimdienstmitarbeiter endete unterdessen mit dreimaliger Einstellung durch die Generalstaatsanwaltschaft – und dreimaliger Wiedereröffnung durch ein Gericht. Nun hoffe Tkatsch auf einen vierten Beschluss dieser Art.

Anderen Medienberichten zufolge vollziehen sich die Verletzungen der Medienfreiheit jedoch nicht nur auf dem verhältnismäßig geringfügigen Niveau, das Tkatsch ansprach. TV-Sender wie Inter wurden mehrere Male durch radikale Nationalisten besetzt. Mitarbeiter staatlicher russischer Medien wurden mit Einreiseverboten belegt oder ausgewiesen, gegen einige Kritiker des Vorgehens der Regierung gegen prorussische Separatisten in der Ostukraine, wie den Kriegsdienstverweigerer Ruslan Kotsaba, wurde Anklage unter anderem wegen Landesverrats erhoben.

Einige regierungskritische Aktivisten wie der Blogger Anatolij Scharij flohen aus der Ukraine. Andere, deren Namen auf der Seite „Mirotworez“ („Friedensstifter“) auftauchten, wie Oles Busyna, wurden sogar zu Zielen von Mordanschlägen – im Falle des Genannten sogar mit tödlichen Folgen.



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