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Politisches Tauwetter oder Taktik?

AfD und BSW sprechen in Thüringen – und Chrupalla zufolge auch auf Bundesebene

Nach dem Treffen zwischen Björn Höcke (AfD) und Frank Augsten (BSW) in Thüringen zeigt sich AfD-Chef Tino Chrupalla auch auf Bundesebene offen für Gespräche mit Sahra Wagenknecht. Die Reaktionen reichen von entschlossener Ablehnung bis zu vorsichtiger Zustimmung – und werfen grundsätzliche Fragen zur politischen Zukunft vor allem im Osten auf.

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Tino Chrupalla und Alice Weidel wollen die Gesprächsbasis zwischen AfD und BSW verbessern. (Archivbild)

Foto: Michael Kappeler/dpa

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Lesedauer: 6 Min.

Nach dem Treffen von Spitzenpolitikern der AfD und des BSW in Thüringen könnte es auch auf Bundesebene zu einer Annäherung zwischen beiden Parteien kommen. Dies deutete AfD-Chef Tino Chrupalla in einem Gespräch mit „Welt TV“ an.
Das Format stellte Chrupalla die Frage, ob er und seine Sprecherkollegin Alice Weidel auch für Gespräche mit Sahra Wagenknecht zur Verfügung stünden. Chrupalla antwortete darauf mit den Worten: „Ja, also immer.“ Er fügte anschließend hinzu, dass es bereits jetzt Gespräche zwischen seiner Partei und dem BSW gebe. Gegenstand dieser Gespräche sei „das, was Deutschland bewegt, und wie man Mehrheiten verändern kann“.

Gespräche mit AfD sollen die Blockade der Wahlausschüsse beenden

Am Mittwoch, 2. Juli, haben sich die Fraktionschefs von AfD und BSW im Thüringer Landtag, Frank Augsten und Björn Höcke, zu einem Gespräch getroffen. Konkrete Ergebnisse bezüglich der Lösung konkreter Probleme bei der Besetzung von Ausschüssen auf Landesebene brachte dieses nicht. Beide Seiten sprachen jedoch von einer „intensiven und konstruktiven“ Unterredung. Wie der MDR berichtet, will man am Ende der parlamentarischen Sommerpause die Personalfragen noch einmal erörtern.
In Thüringen ist derzeit die Besetzung wichtiger Ausschussposten nicht möglich. Im April hatte die Mehrheit im Landtag der AfD, die dort stärkste Partei ist, einen Sitz im parlamentarischen Kontrollgremium verweigert. Auch die Wahl eines AfD-Kandidaten zum Landtagsvizepräsidenten ist gescheitert.
Die Fraktion, die mit mehr als zwei Dritteln der Abgeordneten über eine Sperrminorität verfügt, blockiert seither ihrerseits die Besetzung der Wahlausschüsse für Richter und Staatsanwälte. Augsten hofft, durch direkte Gespräche mit Höcke eine Aufhebung der Blockade erreichen zu können.
Er und der AfD-Fraktionschef hätten „konstruktiv und offen über unsere unterschiedlichen Sichtweisen, Probleme und Perspektiven der aktuellen Landespolitik gesprochen“. Höcke habe abgestritten, dass die AfD ein Interesse an einer Funktionsunfähigkeit des Staates habe.

Kritik aus der SPD – BSW stellt sich hinter den Fraktionschef

Die stellvertretende SPD-Fraktionschefin im Landtag, Dorothea Marx, sieht sich hingegen in ihrer ablehnenden Haltung mit Blick auf das Gespräch bestärkt. Die Unterredung zwischen Augsten und Höcke sei „offensichtlich ergebnislos“ geblieben. Die Blockade der Besetzung von Wahlausschüssen zeige, dass es der AfD „eben nicht um das Funktionieren des Rechtsstaates geht“. Weitere Treffen in diesem Format halte man daher für „nicht zielführend und entbehrlich“.
Rückendeckung erhält Augsten hingegen aus der eigenen Fraktion. Der BSW-Abgeordnete Steffen Quasebarth erklärte auf X, Demokratie sei „kein Freundschaftstreffen, sondern ein Arbeitsauftrag“. Dies bedeute auch, mit Leuten reden zu müssen, deren Positionen man ablehne:
„Reden ist kein Verrat. Reden ist die letzte Brücke, bevor gar nichts mehr geht. Und wer meint, schon das Gespräch sei gefährlich – der sollte besser nie regieren.“

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Ich finde: Man darf Frank Augsten ruhig mal danken. Nicht für Gefälligkeit – sondern für Haltung. Für den Mut, ein…
— Steffen Quasebarth, MdL (@SQuasebarth) July 2, 2025

Mehrheiten gegen AfD auch in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern nur mit BSW?

In Thüringen regiert seit Dezember des Vorjahres eine Regierungskoalition aus CDU, BSW und SPD. Diese verfügt jedoch über keine absolute Mehrheit. Einfache Beschlüsse kann sie unter Tolerierung durch die Linkspartei umsetzen, gegenüber der vonseiten der CDU ein Unvereinbarkeitsbeschluss besteht. Die seit 2021 vom Landesverfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestufte AfD kann jedoch alle Beschlüsse blockieren, die eine Zwei-Drittel-Mehrheit vorschreiben.
Das BSW hatte nach mehreren erfolgreichen Wahlen im Jahr 2024 deutlich an Terrain verloren. Bei der Bundestagswahl scheiterte die Partei von Sahra Wagenknecht knapp mit 4,9 Prozent der Stimmen. Die meisten aktuellen Umfragen sehen sie weiterhin bundesweit unter 5 Prozent. Allerdings kann die Partei in ostdeutschen Bundesländern mit dem Einzug in Landtage rechnen.
Angesichts einer vor allem in Ostdeutschland weiterhin starken AfD kann das bedeuten, dass das BSW auch in Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern im nächsten Jahr zur Regierungsbildung gebraucht werden könnte.

„Remigration“ und israelbezogener Antisemitismus

Im Vorjahr hatten sich BSW-Sprecherin Sahra Wagenknecht und AfD-Bundeschefin Alice Weidel ein TV-Duell auf „Welt TV“ geliefert. Wagenknecht erklärte dabei, dass eine Zusammenarbeit speziell mit Höcke für sie nicht in Betracht komme. Mit Blick auf dessen Fantasien über eine „Remigration“ und den damit zusammenhängenden Ressentiments „wird mir übel“, erklärte die BSW-Gründerin. Ansonsten sehe sie die AfD „differenziert“, so Wagenknecht.
Anders als die AfD und als einzige politische Kraft im Bundestag hatte wiederum das BSW im November 2024 gegen einen Antrag zum Schutz des jüdischen Lebens in Deutschland gestimmt. Zur Begründung führte die Wagenknecht-Partei aus, dass sie die darin unterstützte Antisemitismus-Definition der international Holocaust Remembrance Association (IHRA) ablehne. Diese bewertet auch delegitimierende, dämonisierende und von doppelten Standards geprägte Israelkritik als antisemitisch.
Eine programmatische Nähe zueinander weisen beide Parteien beispielsweise bezüglich einer restriktiven Migrationspolitik, der Position zum Ukrainekrieg und bei der Abwägung zwischen Klimaschutz und Wirtschaftsverträglichkeit auf.
 
 
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

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