Bei den Linken streitet sich jetzt nicht mehr nur die Führung

Sahra Wagenknecht: Es sei "weltfremd" anzunehmen, dass jeder nach Deutschland kommen könne, lautet ihr Credo am Schlusstag des Parteitags. Das empfinden viele Linke als Provokation. Es wurde eine gemeinsame Tagung zum Thema "Flüchtlinge" beschlossen.
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Foto: Jens Schlueter/Getty Images
Epoch Times10. Juni 2018

Eigentlich setzt Sahra Wagenknecht beim Linken-Parteitag am Sonntag in Leipzig alles daran, die Wogen im Streit über ihre Flüchtlingspolitik zu glätten. „Lasst uns die Grabenkämpfe beenden“, ruft sie den Delegierten zu – und betont, dass sie nicht am Asylrecht rütteln wollen. Doch viele Parteifreude, die seit langem mit Wagenknecht hadern, wollen sich mit derlei Appellen nicht mehr zufrieden geben.

Seit Jahren nervt Wagenknecht viele ihrer Genossen damit, dass sie immer wieder für Begrenzungen bei der Zuwanderung plädiert.

Es sei „weltfremd“ anzunehmen, dass jeder nach Deutschland kommen könne, lautet ihr Credo am Schlusstag des Parteitags. Das empfinden viele, die die Fahne der Solidarität mit Flüchtlingen hochhalten, als Provokation.

In Leipzig präzisiert Wagenknecht ihre Vorstellungen: „Wir streiten über die Frage, ob es für Arbeitsmigration Grenzen geben sollte und wo sie liegen.“ Die streitbare Fraktionschefin teilt aber auch aus: Sie wirft ihren parteiinternen Widersachern vor, sie des „Nationalismus“ zu bezichtigen.

Die Partei verliert ihre Wähler – vor allem im Osten

Und Wagenknecht macht deutlich, was sie antreibt. Bei der Bundestagswahl hat die Linke laut Wahlanalysen 400.000 Stimmen an die AfD verloren, viele in ihren einstigen Hochburgen im Osten. Die Partei könne angesichts dieser Verluste „nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“ und müsse sich wieder stärker um die von Abstiegsängsten Geplagten kümmern.

Doch ihre Kritiker kann Wagenknecht damit nicht beschwichtigen. Sie quittieren ihre Rede mit Buhrufen, schließlich wird eine einstündige Debatte anberaumt. Höchst aufgebracht meldet sich die Berliner Sozialsenatorin Elke Breitenbach zu Wort und wirft Wagenknecht vor, die Partei zu zerlegen.

Der Bundestagsabgeordnete Alexander Neu wiederum nimmt die Fraktionschefin in Schutz. „Wie viele Abschiebungen hat es eigentlich in Berlin gegeben?“, fragt Neu provokant an die Adresse Breitenbachs. In der Tat steckt die Hauptstadt-Linke in einem Dilemma, weil sie dort in der Landesregierung sitzt – die auch für Abschiebungen zuständig ist.

Immerhin: Die hitzige Delegierten-Debatte animiert die Spitzen von Partei und Fraktion, von denen der Streit ja ausgegangen war, zu einer Art Burgfrieden: Wagenknecht, Ko-Fraktionschef Dietmar Bartsch sowie die Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger unterbreiten zum Abschluss der Debatte einen gemeinsamen Verfahrensvorschlag und stellten sich dazu in demonstrativer Geschlossenheit zusammen auf die Bühne.

Es wurde eine gemeinsame Tagung zum Thema „Flüchtlinge“ beschlossen

Partei und Fraktion werden auf einer gemeinsamen Tagung über das Streitthema Flüchtlinge beraten. Angesichts des erbitterten Streits, den sich vor allem Kipping und Wagenknecht geliefert hatten, ist das schon ein Fortschritt.

Auch in dem Parteitagsbeschluss zur Flüchtlingspolitik bemühen sich die Spitzen von Partei und Fraktion sichtlich um Einigkeit: In einem vom Vorstand vorgelegten und am Samstag beschlossenen Leitantrag bekennt sich die Partei zu „offenen Grenzen“.

Weil der Zusatz „für alle Menschen“ fehlt, wie er noch im Bundestagswahlprogramm gestanden hatte, lobt Wagenknecht den Text als Kompromiss. Und die Parteichefs Katja Kipping und Riexinger sehen den Text ohnehin ganz auf ihrer Linie.

Vielleicht tröstet der Beschluss die beiden Vorsitzenden, schließlich verlassen sie Leipzig nicht gerade gestärkt: Bei ihrer Wiederwahl kann Kipping gerade mal noch 64,5 Prozent der Delegierten hinter sich bringen, Riexinger schafft 73,8 Prozent. Das magere Resultat gibt nicht gerade Rückenwind für die anstehenden Auseinandersetzungen. (afp)



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