Reaktion auf Berliner Gerichtsentscheidung
Eilverfahren: CSU-Politiker wirft Asylhelfern „Inszenierung“ vor – Pro Asyl spricht von Falschdarstellungen
Der neue Chef der CSU-Landesgruppe, Alexander Hoffmann, erhebt im Fall somalischer Flüchtlinge schwere Vorwürfe gegen die Organisation Pro Asyl. Diese habe den Fall bewusst inszeniert, um politischen Druck auf das Zurückweisungs-Regime an Deutschlands Grenzen auszuüben. Pro Asyl weist die Anschuldigungen zurück – und verweist auf den Inhalt des Gerichtsbeschlusses.

Erhebt schwere Vorwürfe gegen Pro Asyl: CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann. (Archivbild)
Foto: Michael Kappeler/dpa
Der neue Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Hoffmann, hat am Samstag, 7. Juni, schwere Vorwürfe gegen die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl erhoben. Im Gespräch mit der „Augsburger Allgemeinen“ äußerte Hoffmann sich zur jüngsten Eilverfahrensentscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts zum Asylrecht. Dieses hatte im Fall dreier Flüchtlinge aus Somalia entschieden, deren mehrfache Zurückweisung an der deutsch-polnischen Grenze im Mai sei rechtswidrig gewesen.
Pro Asyl war mit Mitarbeitern vor Ort und hat mithilfe einer Rechtsanwältin deren rechtsfreundliche Vertretung übernommen. Mit Erfolg: Am Montag hatte das Verwaltungsgericht Berlin den Bund verpflichtet, dem Flüchtling den Grenzübertritt zu gestatten und ein Dublin-Verfahren durchzuführen. Die Zurückweisung war auf Grundlage einer Anweisung von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt erfolgt, Flüchtlinge an EU-Binnengrenzen zurückzuweisen.
Landesgruppenchef: Pro Asyl „rät dazu, Ausweise wegzuwerfen“
Hoffmann wirft Pro Asyl nun vor, den Fall „inszeniert“ zu haben, um einen Anlassfall zur Beseitigung der Dobrindt-Anweisung zu schaffen. Er spekuliert darüber, dass die Flüchtlingshilfsorganisation bereits im Vorfeld des Grenzübertritts über diesen informiert gewesen sein könnte. Pro Asyl arbeitet mit Partnerorganisationen in mehreren anderen europäischen Ländern zusammen – auch mit solchen, aus denen regelmäßig Flüchtlinge nach Deutschland einreisen.
Die Organisation, so der Landesgruppenchef, sei „schon seit Jahren entlang der Fluchtrouten unterwegs, auch an den Grenzübergängen“. Hoffmann äußert gegen Pro Asyl den Verdacht, dass deren Freiwillige, Flüchtlingen raten würden, „ihre Ausweise wegzuwerfen, weil das eine Abschiebung aus Deutschland deutlich erschwert“.
Indizien dafür sieht Hoffmann auch im konkreten Anlassfall. So habe eine der Flüchtlinge aus Somalia „Ausweisdokumente, die Merkmale von Fälschungen aufweisen“ dabeigehabt. Die Frau habe sich bei ihren ersten beiden Einreiseversuchen als volljährig deklariert. Mittlerweile bezeichnet sie sich als 16-jährige Minderjährige.
Geschäftsführer Kopp: Hoffmann „greift unsere Arbeit an“
Der CSU-Landesgruppenchef äußert auch, dass alle drei Somalier neue Handys mit sich geführt hätten. Dies würde die Rekonstruktion der Fluchtroute erschweren. All diese Umstände sprechen aus seiner Sicht eine deutliche Sprache:
„Für mich trägt der klare Zug einer Inszenierung durch Asylaktivisten.“
Pro Asyl sieht hingegen seine Arbeit durch diese Aussagen diskreditiert. Geschäftsführer Karl Kopp spricht gegenüber der gleichen Zeitung von falschen Unterstellungen. Als Menschenrechtsorganisation unterstütze man Geflüchtete dabei, eine angemessene Vertretung vor Gericht zu erhalten. So sei es auch im Fall der Somalier. Unter diesen befinde sich tatsächlich eine minderjährige Frau. Die Anschuldigungen Hoffmanns hätten „nichts mit den Fakten zu tun“.
In einer eigenen Pressemitteilung hatte Pro Asyl am Montag erklärt, ein freiwilliges Team sei unmittelbar nach Verkündung der Anweisung Dobrindts an die Grenze gereist. Dort habe man mehrfach zurückgewiesene Flüchtlinge angetroffen. Die 16-Jährige sei zudem erheblich verletzt gewesen und habe sich kaum noch fortbewegen können.
Pro Asyl organisiert Rechtsbeistand für Geflüchtete
Obwohl sie minderjährig sei und ihr Gesundheitszustand kritisch sei, hätten deutsche Grenzbeamte sie mehrfach abgewiesen. Anschließend habe man sich gemeinsam mit polnischen Partnerorganisationen um medizinische Versorgung, Unterbringung und rechtlichen Beistand bemüht.
Die Epoch Times fragte an, inwieweit Pro Asyl schon im Vorfeld des Grenzübertritts über die Ankunft der Schutzsuchenden informiert gewesen sei. Darüber hinaus wollte die Redaktion wissen, inwieweit Pro Asyl die Darstellung Hoffmanns bezüglich neuer Handys bestätigen könne. Pro Asyl hat die Anfrage nicht im Detail beantwortet. Stattdessen verwies die Organisation auf eine Pressemitteilung, die abstrakt ihre Arbeitsschwerpunkte beschreibt.
Die somalischen Flüchtlinge sollen im April über Belarus und Litauen nach Polen gelangt sein. Dort hätten sie keinen Asylantrag gestellt, erst nach dem ersten Einreiseversuch vom 9. Mai 2025. An jenem Tag reisten die drei Somalier bisherigen Erkenntnissen zufolge mit dem Zug nach Deutschland. Am Bahnhof Frankfurt an der Oder wurden sie von der Bundespolizei kontrolliert.
Mithilfe von Mitteln aus dem Rechtshilfefonds von Pro Asyl strengten die 16-Jährige und ihre Begleiter, die einer verfolgten Minderheit angehören, ein Eilverfahren gegen die Zurückweisung an. Das Verwaltungsgericht gab ihnen recht.
Gericht: Zurückweisungen verletzen deutsches und EU-Recht
In seinem Beschluss machte das Gericht deutlich, dass die Zurückweisung sowohl gegen deutsches als auch gegen europäisches Recht verstoßen habe. Es dürfe ohne eine Klärung, welcher EU-Staat für einen Asylantrag der Betroffenen zuständig sei, keine Zurückweisung stattfinden.
Explizit verneint das Gericht auch die Heranziehung von Paragraf 18, Absatz 2 des Asylgesetzes oder der Bestimmung des Artikels 72 AEVU zur Versagung des Rechtsschutzes. Die Dublin-III-Verordnung gehe vor – und mache ein Verfahren zur Klärung der Zuständigkeit erforderlich. Zudem scheitere eine Anwendung der Notstandsregel „an einer überzeugenden Darlegung einer Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit“.
Hierfür, so heißt es im Urteil, müsste „eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr [vorliegen], die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“. Es sei auch aus dem Vorbringen des Bundes nicht erkennbar, dass eine Situation drohe, die „für die deutschen Behörden nicht zu bewältigen wäre“ oder die „Funktionsfähigkeit staatlicher Systeme und Einrichtungen“ akut gefährde.
Mehr als 3.000 Personen an Grenzen zurückgewiesen
Dobrindt will an seiner Anweisung festhalten und misst der Entscheidung keine Relevanz über den Einzelfall hinaus. Demgegenüber fordert Pro Asyl ein „sofortiges Ende rechtswidriger Zurückweisungen an den deutschen Grenzen“ und eine „umfassende politische Aufarbeitung“ des Anlassfalls.
Wie der „Mediendienst Integration“ unter Berufung auf Zahlen der Bundespolizei berichtet, wurden zwischen 8. Mai und 4. Juni etwa 3.300 Personen an der deutschen Grenze zurückgewiesen oder abgeschoben. Von diesen seien 160 Asylsuchende gewesen. In 46 Fällen stufte man die Betroffenen als „vulnerabel“ ein und gestattete ihnen die Äußerung eines Asylgesuchs.
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.
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